
French Cello Concertos - Daniel Müller-Schott, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Alexandre Bloch
Hörgenuss französischer Cello-Konzerte
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Daniel Müller-Schott und Alexandre Bloch am Pult des Deutschen Symphonie-Orchester Berlin bieten französische Meisterwerke höchst expressiv als Ganzes und mitreißend in jedem Detail.
Daniel Müller-Schott muss man nicht vorstellen. Seit über 25 Jahren ist der Cellist auf den Klassikpodien rund um den Globus zu erleben. Ungebrochen ist die Intensität seines Spiels, da Künstler und Instrument verschmelzen, um der Imagination durch die Musik uneingeschränkten Raum zu eröffnen. Seine exzellente Technik versteht er für Interpretationen zu nutzen, die weit über ein brillantes Spiel hinausweisen. Mit dem Bogen schafft er Klangbilder, die je nach Werk die Palette großflächiger Farben ebenso widerspiegeln wie detailverliebte Sequenzen. Auch skurrile Kleingliedrigkeit gestattet er sich.
Diese Bandbreite bietet Daniel Müller-Schott mit seinem Album „Four Visions of France“. Er hat vier Komponisten ausgewählt, um die französische Musik der Romantik und des frühen 20. Jahrhunderts zu beleuchten, Camille Saint-Saëns, Gabriel Fauré, Arthur Honegger und Éduard Lalo. Mit dieser Ausrichtung geht es dem passionierten Brückenbauer klassischer Musik nicht um einen musikwissenschaftlichen Diskurs. Auswahl und Anordnung gleichen vielmehr einer Ausstellung unterschiedlicher Stile mit dem Blick auf Technik, Ausdruck und Künstlertum zum Zeitpunkt der Entstehung des jeweiligen Werkes.
In den ersten zweieinhalb Minuten in Camille Saint-Saëns Konzert für Cello und Orchester Nr. 1 a-Moll, op. 33 hält man den Atem an. Voller Kraft und Energie strotzen die virtuosen Triolen-Passagen im Wechsel mit dem Orchester. Mit einer Leichtigkeit des Bogens wirbelt Daniel Müller-Schott über die Seiten und erzeugt eine Expressivität von unglaublicher Dichte. Sowie sein Spiel nahtlos in die versonnen singende Cantilene mündet, verbreitet Daniel Müller-Schott einen Moment der Ruhe, bei aller Melancholie und Sehnsucht, die sein Spiel ausstrahlt, mischt sich auch Tröstung hinein, gipfelt einen Augenblick lang in vollkommene Verzückung und schon wirbelt er weiter. Auch in Camille Saint-Saëns Romanze F-Dur op.36 und in der Élégie in c-Moll, op. 24 von Gabriel Faurés Elegie in C Moll op.24 berührt er mit seiner ausdrucksgeladenen Kantabilität in Kombination mit einer Tiefe und Dichte, wobei er keine noch so nebensächliche Wendung unberücksichtigt lässt.
Tiefgründiger Klagegesang
Während Faurés Elegie überwiegend gedämpfte Stimmung mit nur kurzen Ausbrüchen gestattet, birgt Camille Saint-Saëns' Cellokonzert extreme emotionale Empfindungen. Komponiert als einsätziges Werk, verpasste Camille Saint-Saëns dem Werk doch eine klassische Struktur in der Satzteilfolge von schnell – langsam – schnell, ohne eine überzeugende Geschlossenheit zu gefährden. Im Schlussteil erklingt neuerlich das erste Thema, durchbrochen von einem tiefgründigen Klagegesang.
1873 wurde das Konzert uraufgeführt. Camille Saint-Saëns wagte, das Cello in den Mittelpunkt eines Konzertes zu stellen, was zu dieser Zeit in Frankreich die Ausnahme darstellte, doch dem Publikum gefiel es. Um 1880 präsentierte Gabriel Fauré die Elegie in der Fassung für Cello und Klavier in einem Salon von Camille Saint-Saëns. Erst drei Jahre später kam es zur öffentlichen Aufführung dieser Fassung für Cello und Klavier, die begeistert aufgenommen und damit den Grundstein für eine Orchesterfassung legte. 1901 brillierte Pablo Casals am Cello mit Faurés Elegie in der Orchesterfassung.
Arthur Honegger war ein Fan seiner Zeit. Technische Phänomene, Schnelligkeit und jene grundsätzliche Aufbruchstimmung der 1920er Jahre begeisterten ihn ebenso wie die Vielfalt musikalischer Stile. Die Musik von Richard Strauss und Igor Strawinsky sog er ebenso in sich auf wie den Jazz und die Unterhaltungsmusik. Er selbst verstand sich als komponierender Handwerker, der im Prinzip vorhandenes Material aufarbeitet. Mit seinem Cellokonzert entführt Arthur Honegger in diese wilde Zeit. Mit einer Halbtonrückung, einem verheißungsvollen Augenzwinkern gleich, driftet er vom klassischen Eröffnungsteil in den Jazz ab. Extreme Cello-Läufe gleich einer Etüde bilden den Background zu einem wirbelnden Orchestersound, abgelöst von einer Rasanz, die ein Wechselbad zwischen hämmernder Maschinerie und sinnlich jaulenden Jazzpassagen erzeugt. Mitreißend imaginativ gelingt das Zusammenspiel zwischen dem Solist und dem Orchester.
Als Eduard Lalo 1877 sein Cellokonzert in d-Moll komponierte, stand ihm der Cellist Adolphe Fischer zur Seite. Es ist nicht nur wegen seiner funkensprühenden Einprägsamkeit so beliebt. Lalo erwies sich hier als Meister einer tief empfundenen Poesie ohne sentimentalen Schwulst. Die französische Musikwelt sah das nicht so und versteifte sich darauf, dass Lalo mit seiner Symphonie espagnole sein einziges Meisterwerk geschaffen habe.
Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin mit Alexandre Bloch am Pult erweist sich als idealer Partner zu Daniel Müller-Schott. Gemeinsam gelingt ihnen nicht nur eine sehr sorgsam eingespielte Studie französischer Meisterwerke für Cello und Orchester zwischen 1870 und 1920, sondern ein Hörerlebnis der besonderen Art. Auch wenn es unkonventionell erscheint. Diese Musik sollte man auf CD verfügbar haben.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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French Cello Concertos: Daniel Müller-Schott, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Alexandre Bloch |
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Label: Anzahl Medien: |
ORFEO 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790988122 |
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Fauré, Gabriel |
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ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
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