
Gounod: Faust - Royal Opera House, David Mcvicar
Bildgewaltiger Dauerbrenner
Label/Verlag: Opus Arte
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diesen 'Faust' muss man einfach gesehen haben. Ob man sich allerdings diese Neuaufzeichnung von 2019 zulegt oder die Premierenbesetzung von 2004, das muss jeder selbst entscheiden.
Die Londoner ‚Faust‘-Produktion von Regisseur David McVicar und dem Ausstattungsteam Charles Edwards und Brigitte Reiffenstuel ist seit ihrer Premiere im Jahr 2004 ein Dauerbrenner auf der Bühne des Royal Opera House, Covent Garden. Mehrfache Wiederaufnahmen und eine hochgelobte DVD-Veröffentlichung der Premierenstaffel zeugen vom durchschlagenden Publikumserfolg dieser Bühnenversion. Wie schon bei anderen Produktionen des Royal Opera House erscheint nun viele Jahre nach der ersten Aufzeichnung eine aktuellere DVD mit einer gänzlich neuen Besetzung beim Label Opus Arte. Im Fall des vorliegenden ‚Faust‘ handelt es sich um eine Doppel-DVD, die eine Vorstellungsserie vom April 2019 in Ton und Bild festhält: Große Namen zieren die Besetzungsliste, am Pult steht Dan Ettinger.
Wie schon bei der ersten DVD, die erst bei EMI 2010 herauskam, fesselt an erster Stelle das fantasievolle Bühnentreiben, von McVicar und seinem Team in Szene gesetzt. Die Handlung ist nahezu in die Zeit der Entstehung von Gounods Oper verlegt worden, kurz vor dem Deutsch-französischen Krieg. Spektakuläre Kulissen lassen Räume vom wilden Cabaret bis zur dunklen Seitengasse entstehen, Schmutz und Glanz reichen sich die Hand. Besonders eindrücklich sind die bildgewaltigen Kombinationen von realistischen Elementen und symbolträchtigen Verortungen. Vieles packt den Zuschauer durch einen harten Realismus und doch bleibt alle Aktion auch letztlich Theater. McVicar jongliert kunstvoll zwischen den Welten und wird dabei zum Bühnenmagier. Etliche Bilder bleiben durch ihre bezwingende Kraft im Gedächtnis haften: Faust an der Orgel in der Kirchenszene, die Verwandlung des alten Faust in den jungen Faust im Schein einer spiegelbehafteten Theatertruhe, die ebenso an einen Schminktisch erinnert, der diabolische Tanz in der Schenke, die erste Begegnung zwischen Faust und Marguerite im Cabaret und nicht zuletzt die sensationelle Walpurgisnacht in all ihrer schaurigen Poesie und Schonungslosigkeit, in der Méphistophélès im Glitzerfummel überrascht. Ohne Frage: Diesen ‚Faust‘ muss man einfach gesehen haben.
Ein würdiger Nachfolger
Ob man sich allerdings diese Neuaufzeichnung von 2019 zulegt oder die Premierenbesetzung von 2004, das muss jeder selbst entscheiden – beide Versionen haben ihre Stärken (die ältere Aufnahme vielleicht ein paar mehr). Die Neuerscheinung punktet vor allen Dingen durch den charismatischen Erwin Schrott als Méphistophélès. Stimmlich wie darstellerisch bleibt er der Partie nichts an Dämonie, Schärfe und Sexappeal schuldig, ebenso die humoristischen Züge bedient Schrott mit bemerkenswerter Virtuosität. Da sitzt jeder Blick, jede Geste – alles mit jener Leichtigkeit und Suggestion, die ihn zum Beherrscher der Szene macht, wann immer er in Erscheinung tritt. In ‚Le veau d’or‘ schleudert er seine Töne mit machtvoller Dunkelheit in den Raum, kann aber beispielsweise in der Serenade ebenso zarte Linien spinnen und vor allen Dingen Zwischentöne servieren. Ein würdiger Nachfolger in dieser Produktion für den Premieren-Méphistophélès Bryn Terfel.
Als Faust macht Michael Fabiano vor allem vokal eine gute Figur. Im französischen Fach scheint der Sänger ohnehin seine Stärken zu haben: Seine elegante Voix mixte kommt zum Tragen wie auch die kluge Phrasierung. Die große Arie im dritten Akt gelingt ihm wunderbar, ebenso die zupackenderen Passagen im ersten und letzten Bild. Als Bühnenfigur bleibt Fabiano allerdings etwas blass, zu sparsam in Mimik und Gestik, vielleicht auch von der Wiederaufnahme-Regie ein wenig im Stich gelassen. Irina Lungu schlägt sich beachtlich als Marguerite. Sie besitzt die Kraft und Dramatik für die Kirchenszene und das Finale, bleibt der Rolle mit ihrem herben und vibratösen Sopran aber gerade im zweiten und dritten Akt einiges an Lyrik und Tonschönheit schuldig. Ihre Kerkerszene ist allerdings in ihrer Intensität ein Höhepunkt der Aufführung.
Stéphane Degout gibt einen bewegenden und noblen Valentin, Marta Fontanals-Simmons ist der agile und jugendlich frische Siebel. Aus der Marthe macht Carole Wilson ein herrliches Kabinettstückchen und der Wagner ist mit Germán E. Alcántara rollendeckend besetzt. Der hervorragende Royal Opera Chorus, die Ballett-Compagnie und eine spielfreudige Statistenriege gehören zu den unbestrittenen Hauptakteuren des Abends. Am Pult des Orchestra of the Royal Opera House behält Dan Ettinger die Fäden sicher in der Hand, befeuert die Szenerie und stellt sich ganz in den Dienst von Gounods Musik. Das ist nicht in allen Punkten so aufregend und energetisch wie einst bei Antonio Pappano, aber überzeugend und routiniert.
Bildtechnisch und akustisch ist dieser ‚Faust‘ hervorragend eingefangen – da gibt es nichts auszusetzen. Zwei Interviews ergänzen den starken Opernabend im Rahmen der Extra Features.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Gounod: Faust: Royal Opera House, David Mcvicar |
|||
Label: Anzahl Medien: |
Opus Arte 1 |
Medium:
EAN: |
DVD
809478013303 |
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Gounod, Charles |
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