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Sonntag, 26. März 2023

Telemann: 12 Fantasias for solo violin - Gunar Letzbor, Violine

Geniestreich


Label/Verlag: Pan Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Gunar Letzbor erweist sich auch bei Telemanns Fantasien für Violine solo als Meister der Barock-Violine: Starkes Plädoyer für ein qualitätvolles Konvolut, dem mehr Beachtung gebührt.

Das Jahr 1735 war ein besonderes für Georg Philipp Telemann, brachte er doch drei Sammlungen mit je zwölf Fantasien für ein einzelnes Soloinstrument heraus. In Szene gesetzt wurde neben Flöte und Viola da gamba auch die Violine. Wir wissen, dass Telemann für jedes Instrument so zu komponieren verstand, dass es am besten zur Geltung kam – in unzähligen Konzerten mit zum Teil abenteuerlichen Kombinationen der Soli ist das eindrucksvoll belegt. Hier galt die volle Konzentrationen nur jeweils einem Instrument, der Entfaltung der Möglichkeiten, die mit nur einer Eigenart und musikalischen Seinsweise zu verknüpfen waren. Für die Violine manifestiert sich das in zwölf drei- bis viersätzigen Fantasien und Musik voller Inspiration und Leichtigkeit, geprägt aber auch von satztechnischer Strenge und Konsequenz.

Der österreichische Geiger Gunar Letzbor, der sie jetzt beim Label Pan Classics vorstellt, bezeichnet sie in seinem reflektierten, wie schon bei früheren Produktionen souverän auf der Grenze von kundiger Darstellung und persönlicher Perspektive balancierenden Bookletessay als Geniestreich. Und zwar als einen, der sich Letzbor selbst in seiner ganzen Tiefe erst in der durch Corona erzwungenen Aktivitätspause ganz erschlossen hat, nach Jahrzehnten der Begleitung seit dem Studium, in denen er aber nach eigener Auskunft nie ganz in die Tiefen des Konvoluts einzutauchen vermochte. Im Frühjahr 2020 spielte er die zwölf Fantasien nach seiner Beschreibung täglich und fand zu deren Kern. Ergebnis ist die Ende September entstandene Aufnahme, mit der Letzbor Telemann als Meister auch dieses Fachs würdigt und gerade für die Violin-Fantasien einen spürbar frischen Repertoire-Akzent voller Aktualität und Dringlichkeit setzt, nachdem in den vergangenen Jahren die erst 2015 vom Gambisten Thomas Fritzsch wiederentdeckten Gamben-Fantasien deutlich im Vordergrund der Wahrnehmung standen und mit mehreren hochklassigen Interpretationen gewürdigt und in der Telemann-Diskografie verankert wurden.

Souverän und höchstklassig

Gunar Letzbor bringt für die Deutung der Musik all seine eminente Erfahrung auf, hochseriös im Ansatz. Er musiziert über kein Detail, keine der delikaten Strukturen hinweg, findet zu einem Weg der Introspektion ohne jede Schwere. Mit sicherem Gefühl für Klangsinn gibt er Linien Raum für das Ausschwingen in den langsamen Sätzen, lässt die – nicht nur dort – intrikate Mehrstimmigkeit behutsam erblühen, formt zugleich mit Bestimmtheit harmonische Satzcharaktere aus: Es geht Letzbor in dieser Hinsicht zuerst um stimmige Relationen, darum, Telemanns Notentext ausmusizieren zu können. Zwar betont er durchaus das Rasante, aber ohne jeden Überdruck. Auch in diesen virtuosen Abschnitten erweist sich Letzbor als vollkommen sattelfest, getragen von Nonchalance und aller nur denkbaren Souveränität. Kurz: Er tut alles, um Telemann auch in diesem Repertoire zu seinem verdienten Recht als Kompositionsmeister von Rang und Format zu verhelfen.

Letzbor schreibt in seinem Essay klug über Resonanz und Tonbeziehungen, über Naturtonreihen und alle erdenklichen Auswirkungen auf die Intonation, die man mit Blick auf seinen Vortrag nur als sehr harmonisch geraten und auf den satztypischen Kontext bezogen stimmig und makellos bezeichnen kann. Der versierte Stilist betont in seinem Spiel artikulatorisch die heikle Balance von Linie und Struktur, von aufleuchtendem Detail und Kontext gekonnt und ohne hörbare Mühen. Aufgenommen wurde die Musik im Augustinerzimmer des Stifts St. Florian, in dessen Gemäuern Gunar Letzbor schon eine Reihe von Aufnahmen realisiert hat. Das Abbild ist zunächst direkt, Instrument und Interpret werden ausgeleuchtet und in allen klingenden Details präsentiert – ein Bild, das reich ist an Struktur und voller Klarheit, dennoch erwärmt und mit einem exakt zur Substanz der Musik passenden Maß an Räumlichkeit versehen. Mit einem Wort: Vorbildlich. Wird doch so – neben dem stupenden Spiel Letzbors – auch das gespielte Instrument zur Geltung gebracht: Eine Geige des Mittenwalder Meisters Sebastian Klotz, der von 1696 bis 1775 lebte – ein äußerst klangvolles Instrument, mit harmonisch durchgebildeten Registern, einer wunderbar freien und vor allem sonoren mittleren und unteren Lage, die Letzbor auch in diesen Registern einen kraftvollen Zugriff mit verblüffender Wirkung ermöglicht. Dazu ist das Instrument mit glänzenden Höhen ohne Schärfen gesegnet.

Gunar Letzbor erweist sich auch bei Telemanns Fantasien für Violine solo als Meister der Barock-Violine: Starkes Plädoyer für ein qualitätvolles Konvolut, dem mehr Beachtung gebührt.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Telemann: 12 Fantasias for solo violin: Gunar Letzbor, Violine

Label:
Anzahl Medien:
Pan Classics
1
Medium:
EAN:

CD
7619990104297


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Telemann, Georg Philipp


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Pan Classics

Gegründet 1992 vom Musikhaus Pan in Zürich, wurde das Label 1997 von den Tonmeistern Clement Spiess und Koichiro Hattori übernommen. 2011 entschloss man sich zu einem radikalen Neuanfang: Der umfangreiche Katalog wurde gelichtet und die verbliebenen Aufnahmen erhielten ein neues, attraktives Erscheinungsbild. Den CDs wird so ein unverwechselbares Äußeres mit einem hohen Wiedererkennungswert verliehen. Geblieben sind dagegen die Vorliebe für außergewöhnliches Repertoire und der Anspruch, mit renommierten Musikern und Ensembles einen künstlerisch hochwertigen Katalog zu schaffen. Zu diesen Künstlern zählen Namen wie die Hammerklavier-Spezialisten Edoardo Torbianelli und Arthur Schoonderwoerd, der Tenor Jan Kobow u.v.a.


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