
Philippe de Monte: Madrigals & Chansons - Ratas del viejo mundo
Für den feinen Geschmack
Label/Verlag: Ramée
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Begegnung mit Philippe de Monte ist ein wirkliches Vergnügen: Der Blick lohnt, mag de Monte nun Spektakuläres an sich haben oder nicht. Die Ratas del viejo mundo zeigen es.
Der Franko-Flame Philippe de Monte (1521-1603) begegnet der interessierten Hörerschaft gelegentlich im habsburgischen Kontext – er war 35 Jahre lang kaiserlicher Hofkapellmeister in Wien und Prag –, ist aber diskografisch doch deutlich seltener anzutreffen als manch prominenterer Name seiner Zeit. An der kompositorischen Qualität seiner Madrigale, Chansons, Messen und Motetten kann es nicht liegen – die ist superb, edel, ausgewogen: ‚Musik für Feinschmecker‘, wie der flämische Musikwissenschaftler Ignace Bossuyt es nennt. Der Autor des aufschlussreichen Booklettexts, Peter Van Heyghen, vermutet, dass es über Leben und Werk de Montes einfach zu wenig Spektakuläres zu berichten gibt, als dass er als historisch interessantere Figur und mit ihm seine Musik stärker hervorträte – anders als bei manch berühmtem Zeitgenossen: Cipriano de Rore und Giaches de Wert seien Bahnbrecher gewesen, Giovanni Pierluigi da Palestrina habe in Rom wie Andrea Gabrieli in Venedig das Glück gehabt, zu historisch relevanter Zeit an entscheidendem Ort gewesen zu sein, zudem sei de Monte ein sehr viel schlechterer Selbstvermarkter gewesen als sein Kollege Orlando di Lasso in München. Dieses amüsante Gedankenspiel wird nicht ins Unangenehme übertrieben, so dass der Ruhm des eigenen ‚Schützlings‘ einzig oder wesentlich durch das Madigmachen seiner zeitgenössischen Kollegenschaft begründet würde, was dem Rezensenten angesichts der unstrittigen Qualitäten der angesprochenen Komponisten auch deutlich missfallen hätte.
Das Programm der beim Label Ramée erschienenen Platte des Ensembles Ratas del viejo mundo zeigt de Monte als Meister des seriösen Madrigals vor den Zeiten der heraufziehenden barocken Fortentwicklung dieser Gattung in hochexpressive Sphären hinein. Hier ist es vor allem die subtile Textdeutung, die besticht, weniger sind es grelle harmonische Kühnheiten oder lineare Effekte. Zu den italienischen Madrigalen treten wenige französische Chansons und Motetten.
Variabler Mix
All das wird in überaus variabler Besetzung geboten: Vom lautenbegleiteten Solo bis zur komplexen vokalen Vierstimmigkeit; hinzu treten als Momente des Kontrasts komplett instrumentale Abschnitte oder Sätze. Man soll die Möglichkeiten des auf den ersten Blick vielleicht limitiert besetzten Ensembles also nicht unterschätzen. Die Ratas del viejo mundo sind die Sopranistin Michaela Riener, die Mezzosopranistin Soetkin Baptist, die Altistin Anne Rindahl Karlsen sowie der Bass Tomàs Maxé auf vokaler Seite, dazu die beiden Gambistinnen Salomé Gasselin und Granace Boizot sowie der Lautenist und Gitarrist Floris de Rycker, der die Formation als musikalischer Leiter anführt. Man mag in der vokalen Reihe den Tenor vermissen, doch die Altistin Rindahl Karlsen ersetzt ihn mit schlankem, gleichwohl kernigem Ton sehr gelungen, wie überhaupt das Moment des Lichten betont wird. Dazu kommt, dass das Klangideal nicht auf stets blankgeputzte Reinheit bedacht ist, sondern dass Momente mit Ecken und Kanten zugelassen werden – aufgeraute Texturen, die dann wieder in erlesene Tonschönheit geführt werden.
Die drei Instrumente sind sehr viel mehr als nur Grundierung: Die Gamben werden zu linearer Pracht entfaltet, edel im Ton und natürlich in der Anmutung; die gezupften Beiträge bieten Struktur und sind gleichberechtigt an der Entfaltung der Sätze beteiligt. Freies Fließen ist allerorten garantiert, keine äußere Force dehnt oder drängt natürlich empfundene Tempi. Intoniert wird ohne Makel, vokal mit den angesprochenen, bewusst gesetzten Unebenheiten – in diesen Momenten ganz auf die üppigen Qualitäten der Stimmen vertrauend. Texte werden klug und behutsam entfaltet, gemeinsam mit dem ebenso intrikaten musikalischen Gewebe. Das Klangbild ist konzentriert, direkt und von aufgeräumter Klarheit – eine angemessene technische Präsentation, die mitatmet und bei aller Präzision nicht ohne Charme ist.
Diese Begegnung mit Philippe de Monte ist ein wirkliches Vergnügen – mit Blick auf das aufgreifende Schaffen des Komponisten und die arg überschaubare Spielzeit der Platte von nur 50 Minuten ein vielleicht allzu kurzes: Der Blick lohnt aber, mag de Monte nun Spektakuläres an sich haben oder nicht. Die Ratas del viejo mundo zeigen es.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Philippe de Monte: Madrigals & Chansons: Ratas del viejo mundo |
|||
Label: Anzahl Medien: |
Ramée 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4250128520041 |
![]() Cover vergössern |
Monte, Pilipp de |
![]() Cover vergössern |
Ramée Das Label RAMÉE wurde im Jahre 2004 von Rainer Arndt gegründet. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei... |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Ramée:
-
Zurück zu den Quellen: Diese CD bietet Musik für Tasteninstrumente aus der Frühzeit der abendländischen Mehrstimmigkeit in vorbildlicher Interpretation. Weiter...
(Diederich Lüken, )
-
Seufzende Seele: 'Ich besinge die seufzende Seele', dieser Titel der vorliegenden CD weist schon darauf hin: Es geht um die Grenzerfahrung und Endlichkeit der menschlichen Seele und damit des ganzen Menschen. Weiter...
(Diederich Lüken, )
-
Gelungene Transkriptionen: Dass Johann Sebastian Bachs Musik durch Bearbeitungen nicht kaputtzukriegen ist, hat sich seit Jahren herumgesprochen. Das Cellini Consort hat nun eine Version für drei Gamben erstellt durchaus erfolgreich. Weiter...
(Diederich Lüken, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Matthias Lange:
-
Halbfinale: Ein Projekt auf der Zielgeraden: Gregor Meyer steuert mit dem siebten Teil des geistlichen Gesamtwerks von Johann Kuhnau auf das Finale zu. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Abschiedsgabe: Wolfgang Carl Briegel ist sicher einer jener Komponisten, die zu unterschätzen aus heutiger, auf wenige Größen verengter Perspektive, mancher Gefahr laufen könnte. Das Ensemble Polyharmonique setzt dem ein entschiedenes Plädoyer entgegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Ohne Überwältigung: Rachmaninow ganz bei sich, mit dem Estnischen Philharmonischen Kammerchor als fabelhaftem Instrument seiner Musik. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Nostalgische Kunst-Folklore: Magdalena Kožená macht mit 'Nostalgia' auf zwei viel zu selten gespielte Liederzyklen von Bartók und Mussorgsky aufmerksam. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Wieder da: Die Gesamteinspielung der Sinfonien von Josef Tal mit der NDR Radiophilharmonie Hannover unter Israel Yinon hat nach fast zwanzig Jahren nichts von ihrer Faszination verloren. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Intereuropäischer Austausch: Nach vielen Jahren endlich wieder einmal eine Orgelproduktion aus der St Paul’s Cathedral London. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich