
Hila Fahima - ORF Vianna Radio Symphony Orchestra, Michele Gamba
In den Startlöchern
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Debüt-CD von Hila Fahima ist ein klares Zeichen, der Künstlerin noch viele Möglichkeiten für Bühnenauftritte und das damit verbundene Erfahrungsammeln zu geben. Das Potenzial ist deutlich zu hören.
Die junge israelische Sopranistin Hila Fahima ist eine Künstlerin am Beginn einer großen Karriere – und das, obwohl sie längst an großen Opernhäusern singt. Sie war im Anschluss an ihr Studium mit gerade einmal 22 Jahren Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin, seit 2013 ist sie im Ensemble der Wiener Staatsoper. Fahima hat neben zahlreichen kleineren Partien auch große und fordernde im Repertoire, wie beispielsweise die Gilda in Verdis 'Rigoletto', die Norina in Donizettis 'Don Pasquale' oder Richard Strauss‘ Zerbinetta und Mozarts Königin der Nacht. Vor allem im hohen Koloraturfach liegt ihr Rollenspektrum von Barock bis Moderne.
Nun ist also die Zeit gekommen, eine erste CD einzuspielen, quasi eine Visitenkarte für mögliche Rollen und eine Bestandsaufnahme ihrer Kunst mit bereits auf der Bühne verkörperten Figuren. Für ihr Debütalbum beim Label Orfeo hat Hila Fahima Arien von Gaetano Donizetti und Giuseppe Verdi ausgewählt – viel italienische Romantik bzw. Belcanto-Perlen, die von populären Nummern bis hin zu ein paar wenigen ungewöhnlichen Donizetti-Arien reichen. Begleitet wird die Sopranistin vom ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Michele Gamba.
Hila Fahima verfügt über eine in allen Lagen sich klangschön entfaltende Stimme, die auch in der extremen Höhe keine Schärfe entwickelt oder gar abflacht. Glockenhell perlen die Läufe und vermitteln etwas von der Freude, die die Sängerin beim Singen empfindet. Auch das attraktive Timbre macht neugierig auf die emotionale Berg- und Talfahrt des eingespielten Programms vom leichtfüßigen 'O luce di quest’anima' aus Donizettis 'Linda di Chamounix' bis hin zur packenden Wahnsinnsszene aus 'Lucia di Lammermoor'. Ihr Vibrato hat die Sängerin zumeist gut unter Kontrolle. Nur gelegentlich streifen manche Passagen die Grenze zur Intonationstrübung.
Wo sind die Farben?
Gerade die eingangs erklingende Arie aus 'Linda di Chamounix' liegt Fahima gut in der Kehle, versiert und unbeschwert serviert sie ein beliebtes Arien-Schmankerl, in dem ein virtuoser Präsentationscharakter vorherrscht. Nach einem wirklichen Rollenporträt muss man da nicht suchen. Das verhält sich aber anders, wenn nun Maries 'C’en es donc fait' aus der 'Fille du régiment' oder Adinas 'Prendi, per me sei libero' aus 'L’elisir d’amore' folgen. Die Künstlerin singt all diese Arien mit derselben Tonschönheit und positiven Grundausstrahlung wie Lindas Eingangsarie. Stimmlich bewegt sich das fraglos auf hohem Niveau, aber es fehlen ganz entschieden Farben. Vielleicht sind die ganzen Emotionsnuancen gefühlt, aber hörbar gemacht sind sie so gut wie nicht. Und mit fortschreitendem Hören über eine melodisch reizvolle Rarität aus Donizettis 'Emilia di Liverpool', deren inhaltliche Komponente nicht nur durch die pauschal hübsche Interpretation, sondern auch durch das vollständige Fehlen der Arientexte im Beiheft unkenntlich bleibt, bis zu einer großen Arie aus Donizettis 'Rosmonda d’Inghilterra' muss man feststellen, dass hier alles ziemlich ähnlich klingt.
Wie eingeschränkt die akustischen Ausdrucksmittel sind, erstaunt gerade bei der Arie der Norina aus 'Don Pasquale', eine Partie, die Fahima schon auf der Bühne verkörpert hat. Es mag ein vollständig anderer Eindruck sein, die Sängerin auf der Bühne zu erleben, aber auf Tonträger muss die fehlende Optik durch Ausdruck und klare Gestaltung im Kopf des Zuhörers entstehen. Dafür sind Fahimas Mittel auf diesem Album zu knapp dosiert, selbst die dynamischen Abstufungen vertrügen deutlichere Kontraste. Und so ist das Kernstück des Albums, die Wahnsinnsszene aus 'Lucia di Lammermoor', kein packender Volltreffer, sondern eine von vielen akkurat gesungenen Koloraturnummern. Die beiden ‚Il fantasma‘-Phrasen vermitteln nichts vom Schrecken, dem möglichen Erstaunen, das die Situation heraufbeschwören könnte, sie verpuffen im gewählten Einheitston. Diese Lucia ist ein junges Mädchen, das bis zum Tod schön singt, sich auf die Läufe und Sprünge freut und damit glücklich ist. Ein Lichtblick sind die souverän und glaubhaft gesungene Gilda-Arie aus Verdis 'Rigoletto' und Amelias 'Tu del mio Carlo' aus den 'Masnadieri'.
Gewisse Eintönigkeit
Der Dirigent Michele Gamba begleitet die Solistin uneitel durch die Sammlung von Belcanto-Stücken und präsentiert in der großen Lucia-Szene sogar die vorgeschriebene Glasharfe. Besondere Glanzlichter sind da kaum zu setzen, auch wenn die Musikerinnen und Musiker ausnahmslos gut aufgelegt klingen. Doch auch hier zieht sich eine gewisse Eintönigkeit durch das Album.
Um es noch einmal zu formulieren: Hila Fahima ist eine stimmlich attraktive Sängerin, die über einen klangschönen Sopran und eine positive Ausstrahlung verfügt. Diese Debüt-CD ist daher eher ein klares Zeichen, der Künstlerin noch viele Möglichkeiten für Bühnenauftritte und das damit verbundene Sammeln von Erfahrungen zu geben. Das Potenzial ist deutlich zu hören.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Hila Fahima: ORF Vianna Radio Symphony Orchestra, Michele Gamba |
|||
Label: Anzahl Medien: |
ORFEO 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790212012 |
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Donizetti, Gaetano |
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ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
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