
Friedrich Cerha: Keintate, Eine letzte Art Chansons - HK Gruber, Ensemble die reihe, Friedrich Cerha
Schnitzel und Bier
Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Friedrich Cerhas Beitrag zur Wiener Volkskunst.
Wenn einer eine Reise tut, dann …? … Ja, dann kann er viel erhören! Man verzeihe das „kecke“ Wortspiel, aber der vorliegende Tonträger des Labels Kairos erlaubt eine spannende und witzige Hörreise durch die skurrilen und eher unbekannten Klangwelten des österreichischen Komponisten Friedrich Cerha, der kürzlich mit 97 verstorben ist.
In der „I. Keintate“ (1980/82) schuf Cerha eine Liebeserklärung an die Wiener Volks- und Schrammelmusik. Die Basis bilden eine Auswahl von Texten aus dem „Wiener Panoptikum“ und der „Wiener Grottenbahn“ seines Freundes Ernst Kein. Ein kleines Beispiel hieraus, wie der Wiener sich das Paradies vorstellt: „Der Himmel für uns Wiener müsste ein großer Gasthausgarten sein, an einem warmen Sommertag und die Kellner müssten Schnitzel und Gurkensalat bringen und Bier, soviel man will und alles gratis.“ Das ist durchaus akzeptabel! – Oder nicht? Sarkasmus gibt es auch: „Ein Glasauge müsste man haben, dann würde man von dem Elend rundherum nur mehr die Hälfte sehen und das wäre auch noch genug“. „Dass wir laut Statistik wenig Seife verbrauchen, ist logisch, denn bei uns wäscht ohnehin eine Hand die andere“. Das ist leider derzeit mehr als aktuell! Oder nicht?
Cerha schuf mit dieser Komposition in 49 Abschnitten ein virtuoses Werk, das bei aller Volkstümlichkeit ein zutiefst modernes Werk ist. Virtuosität, Improvisation und Dramatik treffen hier als freie Radikale aufeinander und werden kongenial vom Chansonnier HK Gruber mit seiner knorrig-bissigen Stimme, die unter vielen Aspekten an den großartigen Helmut Qualtinger erinnert, realisiert und von einem Kammerensemble unter der Leitung von Cerha kongenial begleitet.
„Eine letzte Art Chansons“ (1989) so der Titel des zweiten Liederreigens, für den Cerha auf pointierte eigene Sinnsprüche, Reime und Lebensweisheiten und auch von Friedrich Achleitner zurückgegriffen hat – wie auf diese hier: „Die Schiffe sind um Schwimmen da, die Flugzeuge zum Fliegen, die Politiker für die Ordnung im Staat und nicht allen zum Lügen“. Auch hier erweist sich HK Gruber einmal wieder als waschechter Beisl-Barde. Das Ensemble „Die Reihe“ mit Rainer Keuschnig, Klavier, Josef Pitzeck, Bass, und Kurt Prihoda, Perkussion, erweisen sich als agile Partner, die stellenweise exorbitanten Schwierigkeiten exzellent meistern. Das Janusköpfige dieser Musik, die stets zwischen einer sensiblen Auffächerung der Klangfarben, Harmonik bei gleichzeitigen stringenten Konturen der Rhythmik schwankt, wird erstklassig eingefangen.
Neue-Musik-Kollektive, bei dem auch volksmusikalische Wurzeln keine „moralische“ Schranke darstellen, dürften eine Besonderheit der österreichischen Musikszene sein. Friedrich Cerha hat diese verschiedenen Welten von neuester Musik und traditioneller Wiener Schrammelmusik höchst intelligent kombiniert. Eine Gratwanderung, die nie trivial oder langweilig wird. Die Klangqualität ist vorzüglich wie auch die Texte des Booklets.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Friedrich Cerha: Keintate, Eine letzte Art Chansons: HK Gruber, Ensemble die reihe, Friedrich Cerha |
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Label: Anzahl Medien: |
Kairos 2 |
Medium:
EAN: |
CD
9120010289002 |
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Cerha, Friedrich |
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