
Shostakovich: Symphonies No. 9 & 10 - London Symphony Orchestra, Gianandrea Noseda
Auf dem richtigen Sitzplatz
Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die vorliegende Produktion ist ein weiteres überzeugendes Plädoyer für die Akustik der Londoner Barbican Hall.
Die (vorerst) endgültige Entscheidung gegen den Neubau eines Konzertsaals für das London Symphony Orchestra mag Anlass zu sein, die Klangqualität der vorliegenden Produktion ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Gerne ist behauptet worden, dass die Raumakustik der 1987 eröffneten Barbican Hall schlecht sei. Der Rezensent kann als reger Besucher des Saales in der Vergangenheit diesen Unterstellungen nicht zustimmen – vorausgesetzt natürlich, der richtige Sitzplatz wird gewählt. Die Live-Mitschnitte, die unter dem Imprint des Orchesters veröffentlicht werden, beweisen nicht selten, dass die Tontechniker der SACD-Produktionen den richtigen Platz für ihre Mikrofonierung auswählen. Da klingt alles transparent, gleichzeitig warm und harmonisch gebunden. Man kann und darf – auch auf der vorliegenden SACD – fragen, warum die Kontrabässe am rechten Rand des Klanges positioniert sind und nicht die zweiten Violinen. Schon vor über zwanzig Jahren tendierte das London Symphony Orchestra zu der ‚historisch uninformierten‘ Entscheidung, die sogenannte europäische Orchesteranordnung über Bord zu werfen; ein Dirigent gestand unumwunden ein, dass dies auch mit einer nicht hinreichenden Anzahl an Orchesterproben zusammenhinge, selbst für CD-Studioproduktionen. Hat also nichts mit der Raumakustik zu tun.
Mangelnder Esprit
Die neue Gesamteinspielung (?) der Sinfonien von Dmitri Schostakowitsch des London Symphony in Konzertmitschnitten unter dem ersten Gastdirigenten des Orchesters Gianandrea Noseda zeichnet sich durch einen harmonischen Orchesterklang aus (der Streicherklang des London Symphony ist seit Jahrzehnten legendär), doch ermangelt es zumindest den hier vorliegenden im Juni 2018 bzw. Anfang 2020 entstandenen Mitschnitten der Sinfonien 9 und 10 immer wieder an dem Esprit und bärbeißigen Humor, den andere Einspielungen der Werke auch enthalten. Der erste langsame Satz der Neunten dauert mehr als vier Minuten länger als etwa die Produktion mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester unter Rudolf Barshai, ohne dass eine zusätzliche expressive Komponente erkundet würde – im Gegenteil wird der Kontrast zwischen beiden langsamen Sätzen der Sinfonie konterkariert (peinlicherweise weist sogar der Booklettext auf das falsche Tempo hin). Das Scherzo gerät hochvirtuos, aber emotional etwas uninvolviert; am gelungensten ist vielleicht das Finale, in dem wenigstens zwischenzeitlich der besondere Humor der Sinfonie transportiert wird – vielmehr zerfällt der Satz in Abschnitte unterschiedlicher, nicht verbundener Stimmungsbereiche.
Leichter scheint den Musikern die Zehnte Sinfonie zu fallen. Hier sind die Spannungsbögen besser durchgehalten, ist – obschon es sich um eine Live-Montage handelt – auch der große Bogen weit stärker durchgehalten als bei der Neunten. Die Proportionen untereinander stimmen besser – als habe Noseda das Werk intensiver studiert als die ältere Schwester. Zwar fehlt auch hier den Holzbläsern der für Schostakowitsch nicht untypische zuspitzende Tonfall, ist mehr schöngespielt als dramaturgisch scharf kalkuliert. So gelingt es der neuen Veröffentlichung nicht, ältere vom Thron zu werfen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Shostakovich: Symphonies No. 9 & 10: London Symphony Orchestra, Gianandrea Noseda |
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Label: Anzahl Medien: |
LSO Live 1 |
Medium:
EAN: |
CD
822231182825 |
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Schostakowitsch, Dimitri |
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LSO Live Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.
Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist. Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist. Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.
London Symphony Orchestra Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident. Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln. Mehr Info... |
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