
Puccini: La Fanciulla del West - Transylvania State Philharmonic Orchestra and Choir, Lawrence Foster
Wildwest aus Ost
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese neue 'Fanciulla del West' kann sich hören lassen, stößt aber kaum eine andere frühere Aufnahme vom CD-Regal.
Das Label Pentatone zeigt mittlerweile eine gewisse Kontinuität in Sachen Opern-Gesamtaufnahmen. Neben Raritäten wie Telemanns 'Miriways' stehen da ebenso die großen Titel wie Verdis 'Otello' oder Mascagnis 'Cavalleria Rusticana'. Der neueste Streich ist eine Einspielung von Giacomo Puccinis Wild-West-Oper 'La fanciulla del West', die im Juni 2019 im rumänischen Cluj entstanden ist.
Die 'Fanciulla' gehört gewiss nicht zu den populärsten Puccini-Titeln – einer 'Bohème', 'Tosca' oder 'Butterfly' kann sie hierzulande nur schwer den Rang ablaufen, aber erfreulicherweise fällt der leidenschaftliche Dreiakter nie gänzlich aus den europäischen Spielplänen. Sobald eine geeignete Titelheldin gefunden ist, scheint das Werk auf Tour zu gehen: So dominierten in den vergangenen Jahren Eva-Maria Westbroek und Nina Stemme als Minnie die greifbaren Mitschnitte auf DVD oder CD. Es sind ohnehin vergleichsweise wenige Aufnahmen der 'Fanciulla del West' auf dem Markt. Da freut man sich über jede vielversprechende Neuerscheinung. Freilich ist die Konkurrenz aufgrund der wenigen Einspielungen in den Köpfen der Hörer recht präsent: Es gilt gegen das Trio Carol Neblett, Placido Domingo und Sherrill Milnes anzutreten oder gegen Birgit Nilsson, Joao Gibin und Andrea Mongelli bzw. Renata Tebaldi, Mario del Monaco und Cornell MacNeil.
Glaubhafte Interpretin
Die vorliegende Neueinspielung auf zwei SACDs verzeichnet auf der Haben-Seite eine lebendige und hochwertige Tonabmischung sowie eine glaubhafte Interpretin der Titelparte: Melody Moore. Der Rest der Besetzung bewegt sich im ordentlichen Mittelfeld, auch das Transylvania State Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Lawrence Foster entledigt sich der klangvollen Aufgabe sehr ordentlich, ist aber keine Offenbarung. Das macht diese 'Fanciulla del West' beileibe zu keiner schlechten Einspielung – aber sie konkurriert nicht wirklich mit den erwähnten älteren Aufnahmen. Dennoch beschert das aktuelle 'Mädchen aus dem goldenen Westen', das hier zu großen Teilen eher aus dem Osten kommt, etwas mehr als zwei Stunden souverän präsentierte Opernemotionen, die verdeutlichen, welche Perle diese viel zu selten gespielte Puccini-Oper ist, und auch, wie schwierig sie zu besetzen ist.
Wie schon erwähnt animiert Lawrence Foster seine Musikerinnen und Musiker zu einem süffigen Puccini-Klang, der sich glücklicherweise von Hollywood-Attitüden fernhält. Das gerät manchmal gar etwas spröde, aber insgesamt gibt es wenig zu klagen. Foster hält die Fäden routiniert in der Hand, geht den ersten Akt recht zügig an und gönnt sich im zweiten eine Großportion an Breite, ohne das spannende Kammerspiel zu zerdehnen.
Eine 'Fanciulla' steht und fällt mit den drei Protagonisten, denen in Sachen Gestaltung, Präsenz und vokaler Anstrengung so einiges abverlangt wird. Schon so manche Sängerin hat sich an der Minnie ‚verhoben‘ – nicht so Melody Moore. Sie bringt eine attraktive und glaubwürdige Mischung aus lyrischem Fundament und dramatischer Furchtlosigkeit in ihre Interpretation mit ein. Damit erreicht sie eine breite Palette an Ausdrucksmöglichkeiten vom schwebend zarten Höhenpiano bis hin zur gleißenden Attacke. Wie gut die Künstlerin im jugendlich dramatischen Fach beraten ist, in dem sie mittlerweile vielerorts gebucht wird, bleibt eine offene Frage. Manche heftigen Passagen machen in dieser 'Fanciulla'-Einspielung durchaus Effekt, klingen aber auch nach einer vokalen Grenzerfahrung. Im Gesamteindruck bleibt Moores Minnie aber ein durch und durch glaubhaftes, weil seelenvoll differenziertes Rollenporträt.
Hörbare Lebenserfahrung
Die beiden männlichen Hauptrollen gehen etwas pauschaler zu Werke. Lester Lynch gibt den rauen Sheriff Jack Rance recht eintönig. Die tiefen Lagen sind schwach, die Mittellage und Höhe mit einem großzügigen Vibrato ausgestattet. Dieser Sheriff vertrüge balsamischere Klänge. Er könnte für Minnie eine wirklich herzerwärmende, verführerische Alternative zum Desperado Dick Johnson sein. Ist er aber nicht. ‚Minnie, dalla mia casa son partito‘ serviert Lynch aber mit souveräner Operngeste und viel hörbarer Lebenserfahrung – alles in allem passabel bewältigt und eine nachvollziehbare, wenngleich wenig gewinnende Figur.
Auch der Dick Johnson von Marius Vlad bleibt hinter der Wirkung von Melody Moores Minnie deutlich zurück. Die stark nasale Tongebung und der ohnehin recht schlanke Klang seines Tenors bleiben dem Wild-West-Lover ein ordentliches Maß an vokalem Testosteron und Sexappeal schuldig. Aber Vlad muss keine Spitzentöne fürchten und auch die Kraft verlässt ihn nie. ‚Ch’ella mi creda‘ ist hier beispielsweise kein Showstopper, aber mehr als nur vorzeigbar.
Das große Ensemble der Goldgräber und kleineren Episodenfiguren ist wunderbar charakteristisch zusammengestellt. Stellvertretend seien der schönstimmige Wallace von Gustavo Castillo, der scharf gezeichnete Nick von Amitai Pati, der sonore Ashby von Martin-Jan Nijhof und der wuchtige Sonora von Kevin Short genannt. Diese neue 'Fanciulla del West' kann sich hören lassen, stößt aber kaum eine andere frühere Aufnahme vom CD-Regal.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Puccini: La Fanciulla del West: Transylvania State Philharmonic Orchestra and Choir, Lawrence Foster |
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Label: Anzahl Medien: |
Pentatone Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
827949077869 |
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Puccini, Giacomo |
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