
Werke von Enescu, Prokofjew, Szymanowski - Malgorzata Wasiucionek, Sylwia Michalik
Humor und Grandezza
Label/Verlag: DUX
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Zwei junge polnische Musikerinnen spielen Enescu, Profjew und Szymanowski mit großem Können.
Ein äußerst diffiziles, aber fabelhaftes Programm für Violine und Klavier bieten zwei erfolgreiche junge polnische Interpretinnen auf Dux (2020): Vereint findet der Hörer hier George Enescus Violinsonate Nr. 3 a-Moll 'Im rumänischen Volksstil' op. 25, die 'Fünf Melodien' op. 35a von Sergej Prokofjew sowie 'Mythen' op. 30 von Karol Szymanowski. Alle Werke entstammen der Zeit 1915 bis 1926 und sind bereits klassische Moderne. Die beiden ambitionierten Interpretinnen, Małgorzata Wasiucionek (Violine) sowie Sylwia Michalik (Klavier), sind nicht nur beide Professorinnen ihres Fachs in Polen, sondern auch ausgewiesene Künstlerinnen. Sie haben die Werke in zu ihrer Entstehung umgekehrt-chronologischen Weise eingespielt und wagen so den Blick zurück auf eine spannende Epoche der Musikkultur.
Prokofjews 'Fünf Melodien' für Violine und Klavier op. 35a basieren auf einer Transkription des Komponisten seiner 'Fünf Lieder ohne Worte' op. 35. Die Nr. 1 ist Paul Kochanski, einem polnischen Geiger und Freund Prokofjews, gewidmet. Der Tonfall ist lyrisch, die Musik fließt ruhig und verwendet Harmonien des Impressionismus. Die Künstlerinnen finden hier eine klare Tonsprache. Der Klang ist subtil, die Dynamik detailliert. Auch die Balance stimmt. Die Nr. 2 ist der südrussischen Violinvirtuosin und Leopold-Auer-Schülerin Cecilia Hansen (1897-1989) gewidmet. Das schlichte 'Lento, ma non troppo' zeichnet ein Weichbild, das Wasiucionek und Michalik besonders edel einfangen. Im Mittelteil 'Poco più mosso' geht der Drang ins Tänzerische. Insgesamt eine absolut gelungene Fassung. Bei der wiederum Kochanski gewidmeten Nr. 3 'Animato, ma non allegro' ist es eine Wonne zuzuhören: Weiche Legati und säuselnde Klangeffekte unterstreichen hier die Güte der Interpretinnen. Mit hoher Eleganz des Bogens führt die polnische Violinistin auch die kurz geratene Nr. 4 'Allegretto leggero e scherzando' aus. Die Joseph Szigeti gewidmete Nr. 5 fällt wieder in den recht monotonen, abwartenden Pendelklang, ehe das 'Pochissimo più animato' noch einmal Prokofjewschen Humor und Grandezza versprüht. Vorbildlich.
An die Grenzen gehend
Zehn Jahre zuvor hatte Karol Szymanowski seine drei Poems 'Mythen' Sophie Kochanska gewidmet. Die Nummer 1, 'Die Brunnen von Arethusa', beziehen sich auf einen historischen Brunnen im Zentrum von Syrakus, wo die der griechischen Mythologie zugehörige Nymphe Arethusa aus Arkadien zur Erde zurückkehrt. Das Sujet wurde zahlreich in der Literatur besungen. Wer die Geschichte kennt, dem erschließt sich diese Musik sofort. Das Entsteigen Arethusas aus der Quelle ist hier kongenial in Töne gefasst. Wasiucionek und Michalik gelingt es, die Partitur nicht nur farbig und beseelt ins Leben zu rufen, sondern sie knien sich geradezu hinein in diese auf den ersten Blick vielleicht abstrakte Musik, die doch sehr viel mit Mustern und chromatischen Clustern spielt. Es geht hier technisch an die Grenzen dessen, was Klavier und Violine ausdrücken und vor allem darstellen können. Nur weil die beiden Musikerinnen so exzellente Ausführende sind, gelingt das so gut auf dieser CD.
Reich ist die Vielfalt vor allem dynamisch in den ppp-Regionen. Doppelgriffe sind absolut sauber gegriffen, Tempoabstufungen werden minutiös laut Partitur umgesetzt, schwierig zu erhaschende künstliche Flageoletts gelingen wie von selbst. Die Nr. 2 titelt 'Narziss' und fängt klanglich in der gleichen Sphäre wie die Nr. 1 an. 6/8- und 2/4-Takt changieren zu Anfang; den beiden Künstlerinnen gelingt es auch hier, ein spannungsvolles, dramatisches Konstrukt aufzubauen, wobei schwierige Oktaven im Violinpart den Fluss nicht bremsen können. Das ist exzellent! Die Nr. 3 fokussiert auf Dryad (Baumnymphen) und Pan. John Milton, William Thackeray, auch Ezra Pound widmeten ihnen Literatur. Sehr geheimnisvoll und eigentlich unviolinistisch-vertrackt geschrieben, stellt es den Gipfel des Virtuosentums dar. Szymanowski schöpfte tatsächlich das schier Unmögliche aus der Geige heraus. Den beiden gelingt eine glänzende Interpretation, die die Düfte und Nuancen und auch den kecken morbiden Humor des Satzes samt den kapriziösen Elementen bestens widerspiegelt.
Vollblütig
Auch die 3. Sonate des rumänischen Komponisten Georges Enescu ist eine Trouvaille. Auch sie steht nur selten auf dem Programm kammermusikalischer Konzerte, weil sie einfach höllisch schwierig ist, so wie die 'Mythen' Szymanowskis. Auch hier ein großer Wurf mit viel Fantasie der Geigerin, die in allen Belangen überzeugt und die die nahezu schon orientalisch-balkanesk anmutende Partitur mit viel Fingerspitzengefühl aber auch mal vollblütig auftrumpfend umsetzt. Bemerkenswert ist das 'Andante sostenuto e misterioso', bei dem Enescu über weite Strecken mit Effekten wie dem künstlichen Flageolett und Anderthalbtonschritten, entlehnt aus der Czárdás-Zigeunermusik, spielt, was der Idiomatik der Sonate ein unverkennbares Flair verleiht, welches die Grenzen dessen, was das europäische Ohr gewohnt ist, überschreitet. Leider ist das vorwiegend in schwarz/weiß gehaltene Booklet nicht für den deutschen Markt konzipiert und bietet lediglich die Sprachen Polnisch und Englisch zur Auswahl.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Werke von Enescu, Prokofjew, Szymanowski: Malgorzata Wasiucionek, Sylwia Michalik |
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Label: Anzahl Medien: |
DUX 1 |
Medium:
EAN: |
CD
5902547016290 |
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Enescu, George |
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DUX Das polnische Label DUX wurde 1992 von Malgorzata Polanska und Lech Tolwinski, beides Absolventen der Toningenieur-Fakultät der Frédéric Chopin Musikakademie in Warschau, gegründet. Hauptanliegen war die Produktion von Aufnahmen mit klassischer Musik, wobei man von Anfang an höchste Ansprüche an künstlerische und technische Standards stellte.Viele Aufnahmen von Dux erlangten sowohl in Polen als auch im Ausland breites Interesse bei Publikum und Kritik, die sich in zahlreichen Preisen und Auszeichnungen widerspiegelt. Ein Schwerpunkt des Labels ist natürlich das reiche musikalische Erbe Polens, das weitaus mehr umfasst als Chopin oder Penderecki. Im Katalog finden sich daher neben bekannteren Namen wie Wieniawski, Szymanowski oder Lutoslawski auch zahlreiche hierzulande bislang weniger bekannte oder völlig unbekannte Komponisten von der Renaissance bis zur Gegenwart, wie Ignaz Jan Paderewski, der Klaviervirtuose und spätere Premier- und Außenminister der Zweiten Polnischen Republik oder Stanislaw Moniuszko, ein Zeitgenosse Verdis und Schöpfer der polnischen Nationaloper. Aber auch zahlreiche polnische Künstler, Ensembles und Orchester gilt es bei DUX zu entdecken, darunter international renommierte Namen wie beispielsweise die gefeierte Altistin Ewa Podles. Mehr Info... |
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