
Franz Schubert: Symphony No.9 D. 944 - Residentie Orkest The Hague, Jan Willem de Vriend
Vom Staub befreit
Label/Verlag: Challenge Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Egal wie oft man die Große C-Dur-Sinfonie von Schubert schon gehört haben mag – die Aufnahme des Residentie Orkest The Hague unter Jan Willem de Vriend bietet auch dem geübten Ohr eine faszinierende Neuinterpretation des Meisterwerks.
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Es gibt Kompositionen, die aufgrund ihrer hohen Beliebtheit beim Publikum immer wieder Künstler zu neuen Einspielungen anregen, so dass sich der Laie fragen könnte, ob denn so viele Aufnahmen überhaupt gerechtfertigt sind und der Reiz der Musik nicht irgendwann verloren gehen könnte. Dass dem nicht so ist, beweist die vorliegende Interpretation von Jan Willem de Vriend und dem Residentie Orkest The Hague, die im Jahr 2020 im Label Challenge Classics als 3. Teil einer Gesamtauflage aller Schubertsinfonien veröffentlicht wurde. Auch ein Hörer, der glaubt, das Werk mittlerweile in- und auswendig zu kennen, ist eingeladen, sich nicht einfach entspannt zurückzulehnen, sondern Ohr und Herz zu öffnen, um die trotz aller Vertrautheit so neuen Klänge dieser Interpretation mit allen Sinnen zu genießen.
Schubert tanzt
Bereits die ersten markanten Töne des Hornsolos lassen den Hörer spüren, dass es dem Dirigenten darum geht, das Werk mit neuem Leben zu erfüllen. Bemerkenswert ist die Schlankheit des Klangs, die trotz der Erhabenheit der Musik zu keinem Zeitpunkt Gefahr läuft, pathetisch zu wirken. Im Gegenteil: Es entsteht der Eindruck, als wolle Jan Willem de Vriend genau jene Attribute, die Schuberts Musik oft zugeschrieben werden – Melancholie, Schwermut, Tragik – in ein Klangideal verwandeln, das von Leichtigkeit und Eleganz geprägt ist. Keine Phrase wird in ihrer Bedeutsamkeit künstlich in die Länge gezogen oder in ihrer Gewichtigkeit hervorgehoben, die Bedeutung entsteht allein aus der Gestalt der Melodie heraus, so dass der Dirigent sie ‚nur noch‘ auf einem Silbertablett präsentieren muss.
Dynamische Kontraste kommen besonders gut zur Geltung, da die Musik selten auf einer dynamischen Stufe stehenbleibt, sondern sie immer sofort wieder verlässt. Ein Forteklang oder ein Akzent wirkt umso mehr, je eher er wieder in seiner Lautstärke zurückgeht, so dass ein permanentes An- und Abschwellen erzeugt wird, eine Wellenbewegung, die im Hörer den Effekt einer hochgradig lebendigen Musik hervorruft, die man zu keinem Zeitpunkt auf eine einzelne Charakteristik festnageln könnte. So merkwürdig es im Zusammenhang mit Schubert klingen mag, entsteht im Hörer an manchen Stellen der Eindruck, als würde die Musik tanzen. Die Schlankheit des Klangs, die Präzision des Zusammenspiels und die dynamischen Kontraste bilden ein faszinierendes Gesamtbild, das die Sinfonie in einem bisher nie gekannten Licht präsentiert.
Solistische Glanzleistungen
Ebenso hervorzuheben wie das unkonventionelle, aber klanglich absolut stimmige Gesamtkonzept des Dirigenten ist die Leistung der Musiker, insbesondere der zahlreichen Solisten. Der Hornist bewältigt die ersten, undankbaren Takte, die eine so immense Bedeutung für den weiteren Verlauf der Sinfonie haben, nicht nur mit Souveränität und blitzsauberer Intonation, sondern führt bereits unmissverständlich in den Gestus des gesamten ersten Satzes ein. Ein klanglicher Hochgenuss ist auch der Beginn des langsamen Satzes, in dem die Holzbläser mit äußerster Präzision und Klangschönheit das Thema präsentieren und den Weg ebnen für den Einsatz der Streicher, der Pauken und der Blechbläser, die mit ihrem Zusammenspiel ein Feuerwerk an Leidenschaft entfachen und gleichzeitig eine Liebe zum Detail erkennen lassen, die für das ganze Werk charakteristisch ist.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Franz Schubert: Symphony No.9 D. 944: Residentie Orkest The Hague, Jan Willem de Vriend |
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Label: Anzahl Medien: |
Challenge Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
608917286328 |
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Schubert, Franz |
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