
Heinrich Schütz: Geistliche Chor-Musik 1648 - Ensemble Polyharmonique
Gipfelwerk
Label/Verlag: Raumklang
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Ensemble Polyharmonique macht bei den Motetten der 'Geistlichen Chor-Music', diesem Schwergewicht der Musikgeschichte, wie schon vorher bei der Musik von Schütz' Kollegen eine glänzende Figur. Mehr davon!
Heinrich Schütz und seine 'Geistliche Chor-Music' 1648 – das steht synonym für die Summe eines langen Komponistenlebens. Diesen Aspekt betont Oliver Geisler in seinem ebenso kundigen wie anregenden Bookletessay zur aktuellen Produktion des Ensembles Polyharmonique, die beim Label Raumklang erschienen ist. Geisler macht das in seinen Betrachtungen über die ‚taube Nuss‘ und den ‚rechten Kern‘, die Schütz in seinem fabelhaften und auch heute noch unbedingt lesenswerten Vorwort zur Sammlung der 29 Motetten beschrieb, sehr anschaulich: Schütz war an Substanz und Gehalt gelegen, an solidem Können und tatsächlicher Durchdringung. Skeptisch stand er oberflächlichen Modeerscheinungen gegenüber. Doch sollte man sich nicht täuschen: Zwar ist diese Musik im engeren Sinne konservativ, also bewahrend, die Grundlagen betonend, die Fundamente einer Profession und Kunst sichtbar machend. Doch ist sie nicht rückwärtsgewandt. Vielmehr kann sie als selbstbewusst formulierte Bilanz eines schöpferischen Lebens begriffen werden – in diesem Zugriff auch überhaupt nicht verengend, wenn Schütz etwa ‚teutsche Kunst‘ und ‚italienische Manier‘ wägt: Er war ja spätestens seit seinem Opus eins, den 'Italienischen Madrigalen', Protagonist beider Sphären, der kontrapunktischen Tradition ebenso wie des affektiven Aufbruchs, den er selbst maßgeblich von jenseits der Alpen in den deutschen Kontext hinein transferiert hat.
Das Programm der aktuellen Platte bietet einen Auszug von zwölf Sätzen der 'Geistlichen Chor-Music', einige der attraktivsten der gesamten Sammlung sind darunter. Dazu treten – wie in einem kontrastierenden Rückgriff auf einen früheren, ästhetisch anders definierten Punkt der Karriere Schütz‘ – drei Beispiele aus den 'Kleinen Geistlichen Konzerten'. Das Programm strebt also keine enzyklopädische Größe, sondern Sinnfälligkeit an. Ein wenig bedauert man diese Entscheidung: Einerseits mit Blick auf den einzigen echten Kritikpunkt an der Platte, die mit nicht einmal einer Stunde Spielzeit Raum für deutlich mehr geboten hätte. Andererseits, weil das Ensemble Polyharmonique eben singt, wie es singt.
Profiliert und klangschön
Es hat sich in den vergangenen Jahren ein tolles Profil erarbeitet, in vergleichbarem Repertoire mit Kompositionen des Thomaskantors Tobias Michael oder des Zittauer Organisten und Komponisten Andreas Hammerschmidt. Schon da reüssierten die Vokalisten mit erlesener Klangkultur und einiger Frische. Und auch hier, bei Schütz, dem kompositorischen Goldstandard jener Epoche, erweisen sich Magdalene Harer und Joowon Chung (Sopran), Alexander Schneider (Altus), Johannes Gaubitz und Sören Richter (Tenor) sowie Matthias Lutze (Bass) nicht als Museumswärter verstaubter Künste, sondern als selbstbewusste Gestalter aufregenden Materials. Als besondere Qualitäten zahlt dabei neben dem individuellen Vermögen vor allem das fein balancierte Zusammenwirken auf der Habenseite ein. Die natürliche, nicht überakzentuierte Sprachbehandlung ist ebenso ein Gewinn wie die makellose Intonation.
Alexander Schneider als Primus inter pares führt die Formation durch ein gut belüftetes, insgesamt frisches Tableau der Tempi, kennt Varianten, lässt dynamisch die delikaten Aspekte der Besetzung hervortreten. Artikuliert wird folgerichtig in enger Verbindung mit der Sprache. Doch zugleich zeigen sich die Sechs an den linearen Schönheiten interessiert – Klangmagie wird, im Unterschied zu manch anderer Schütz-Exegese trockeneren Zuschnitts, mindestens zugelassen, wenn nicht als ein Ziel mit angestrebt. Instrumental untersetzt ist das Geschehen von einem Violone, von Juliane Laake mit Geschmack gespielt, und einer Orgel, mit der Klaus Eichhorn den Vokalklang angemessen und füllend fortsetzt. Das Klangbild ist konzentriert, von maßvoller räumlicher Expansion, sehr klar strukturiert und gestaffelt, in feiner Balance befindlich. Das Ensemble Polyharmonique macht bei den Motetten der 'Geistlichen Chor-Music', diesem Schwergewicht der Musikgeschichte, wie schon vorher bei der Musik von Schütz‘ Kollegen eine glänzende Figur. Mehr davon!
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Heinrich Schütz: Geistliche Chor-Musik 1648: Ensemble Polyharmonique |
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Label: Anzahl Medien: |
Raumklang 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4018767039030 |
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Schütz, Heinrich |
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