
Johann Sebastian Bach: New Concertos - Capricornus Consort Basel
Orgelwerke Bachs für Streicher
Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Gelingen und Scheitern der Bearbeitung einiger Orgelwerke Bachs für Streicherensemble liegen nahe beieinader. Trotzdem lohnt sich das Hören.
Bachs Orgelwerke von einem Streicherensemble musiziert – an diesen Gedanken muss man sich erst gewöhnen. Der umgekehrte Weg, vom Streicherensemble zum Orgelwerk, kommt bei Bach immer wieder vor, vor allem in der Transkription fremder Werke für die Orgel. Das Fugenthema der Sonate für Violine solo BWV 1001 kehrt, um eine Quarte versetzt, als Thema der Fuge in d-Moll wieder. Aber es finden sich durchaus auch Bearbeitungen von Orgelwerke Bachs für Streicher, so vor allem von Wolfgang Amadeus Mozart. In der vorliegenden Aufnahme nimmt sich das Capricornus Consort Basel der Orgelwerke an und wandelt sie in eine Art Concerto um.
Gekonnt musiziert
Das gelingt bei manchen überraschend gut; überraschend deswegen, weil es einen neuen Blick auf die Werke erlaubt. In einigen Kompositionen ist die Bearbeitung für Streicherensemble eher schwierig, wenn nicht unmöglich. Das zeigt schon das erste Werk der CD, ausgerechnet Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542. Es handelt sich dabei um eines der bedeutendsten Orgelwerke Bachs und mithin der Musikgeschichte. In der Fantasia türmen sich die dissonanten Klänge auf in schwindelerregender Intensität. In der Realisation vom Capricornus Consort Basel bleibt von diesem Eindruck kaum etwas übrig. Stellenweise tänzelt es so vor sich hin, durchaus gekonnt musiziert, aber in gewisser Weise auch trivialisiert. Ähnlich ist es um die Wiedergabe des Präludiums Es-Dur bestellt. Die an die Fantasia anschließende Fuge ist deutlich besser für eine solche Wiedergabe geeignet. Die Instrumente modellieren das Thema und seine Bearbeitung nach allen Möglichkeiten der historisch informierten Praxis, versehen die einzelnen Motive mit dynamischen Abläufen und fügen so dem Original eine Dimension hinzu, die durchaus für sich einnimmt.
Beide Aspekte, des Gelingens und des Misslingens, finden sich nebeneinander in der Pièce d’orgue BWV 572. Der erste Teil ist ohnehin einstimmig; die einzelnen Läufe werden auf verschiedenen Instrumenten abwechselnd ausgeführt. Der dritte Teil ist ebenfalls weithin einstimmig, von wenigen Einwürfen abgesehen, und wirkt an sich schon wie für die Violine geschrieben. Die Interpretation durch Capricornus Consort Basel ist in ihrem Tempo und ihrem Reichtum an Gestaltung mitreißend. Der schwere Mittelteil hingegen überzeugt nur teilweise. Das Klangbild ist sehr dicht und manchmal beinahe mulmig. Die Triosonaten sind für eine solche Behandlung natürlich sehr geeignet, projizieren sie doch die Charakteristik von zwei Stimmen und basso continuo auf die zwei Manuale und das Pedal der Orgel. An der Lebendigkeit dieser Interpretation ist nicht zu zweifeln, wenngleich man sich für die beiden Oberstimmen eine größere Varianz im Klang gewünscht hätte. Dazwischengestreut sind Bearbeitungen von Chorälen mit einem ähnlichen Ergebnis: Der Cantus firmus hebt sich zu wenig von den Begleitstimmen ab.
So hinterlässt diese Einspielung einen zwiespältigen Eindruck. Überzeugend ist allemal das musikalische und technische Können des Ensembles. Meisterhaft ist die Umsetzung historischer Spielweise mit viel Luft und Dynamik. Doch scheint mir das Können des Ensembles an ein Projekt gewandt, bei dem Scheitern und Gelingen sehr nahe beieinander liegen. Eine spannende, zum Teil vortreffliche Aufnahme, deren Sinn sich allerdings nicht immer erschließt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Johann Sebastian Bach: New Concertos: Capricornus Consort Basel |
|||
Label: Anzahl Medien: |
Christophorus 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4010072774477 |
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Bach, Johann Sebastian |
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