> > > Gaetano Donizetti: Don Pasquale, Sung in German: Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Héctor Urbón
Samstag, 1. April 2023

Gaetano Donizetti: Don Pasquale, Sung in German - Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Héctor Urbón

Belcanto-Oper für Arbeiter


Label/Verlag: Naxos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Im Rahmen einer Tournee für die Arbeiterkammer Wien spielte das Ensemble der Wiener Staatsoper 1977 'Don Pasquale' in einer Mehrzweckhalle in der Steiermark. Mit dabei: die junge Edita Gruberova neben Tenor Luigi Alva.

Natürlich kann man Gaetano Donizettis saftige Buffa ‘Don Pasquale’ aus dem Jahr 1842 auch entsaften und in deutscher Übersetzung in Richtung Spieloper à la Lortzing rücken. Und natürlich kann man mit so etwas dann durch die Lande ziehen, um die ‚einfachen Arbeiter‘ mit Kultur zu beglücken, in der Hoffnung, dass die keine allzu hohen Ansprüche stellen und dankbar sind, wenn große Stars bei ihnen vorbeischauen. So ungefähr könnte man in Kurzform dieses Gastspiel der Wiener Staatsoper am 30. März 1977 im Volkshaus Mürzzuschlag beschreiben, wo im Rahmen einer von der Arbeiterkammer Wien Edita Gruberova, Luigi Alva, Oskar Czerwenka, Hans Helm und Alois Pernerstorfer in einer Mehrzweckhalle Oper unters Volk bringen. Man sieht in der als Doku gestalteten Ouvertüre – zu den beherzten Klängen von Dirigent Héctor Urbón und dem Orchester der Wiener Staatsoper –, wie sich der Trupp im Bus in die Steiermark aufmacht. Und dann On-the-Road diskutiert, wie man denn nun am besten Donizetti singen will… und wie man sich am besten in dieser Minimal-Produktion von Regisseur Helge Thoma bewegt.

Dieser Dokumentarfilmabschnitt war für mich der spannendste, weil er eine gewisse Lebendigkeit vermittelt, gut geschnitten ist und Aufbruchsstimmung suggeriert. Die verfliegt allerdings sofort, wenn auf der niedrigen Bühne der Vorhang aufgeht und wir auf eine Art Schlagershowkulisse mit weißen Wänden schauen, die hin und her fahren, während im Vordergrund mit Palmen ein Luxus-Interieur herbeigezaubert werden soll, wie ich es mir in meinen schlimmsten Alpträumen in einer verunglückten World-of-Interiors-Ausgabe vorstelle. Dort thront Oskar Czerwenka und singt mit überraschend hellem Timbre den Pasquale, in einer schauerlich unpoetischen Übersetzung von Joachim Popelka. Man kann fast von Glück reden, dass hier niemand besonders am Text interessiert zu sein scheint. Was aber ein Glück im Unglück ist, denn bei einer italienischen Opera buffa geht es ja durchaus um sprachlichen Witz.

Nun gut, irgendwann kommt Hans Helm als Doktor Malatesta dazu und singt unaufgeregt seine Arie vom schönen Engel Norina, ohne Belcanto-Schmelz. Den lässt Luigi Alva als Ernesto immerhin erahnen, obwohl er hier nicht mehr so berückend naiv klingt, wie in seinen berühmten Schallplattenaufnahmen aus dem Jahrzehnt zuvor. Und einen Vergleich mit Tito Schipa hält er auch nicht aus, wenn man für den Ernesto allerhöchste Maßstäbe ansetzen will. Dafür ist Alvas Deutsch hervorragend, kombiniert mit Italianità. Er zeigt: es geht, das zu verbinden!

Auftritt Gruberova

Tja, und dann tritt auch die künftige Superstar-Primadonna auf, in Morgentoilette und mit vielen Rüschen und Locken. Edita Gruberova verzieht schon 1977 die Vokale in den lyrischen Passagen auf groteske Weise. Was ihren Auftritt anfangs unfreiwillig komisch wirken lässt. Dafür spielt sie wie eine Weltmeisterin und turnt bei mit Lust durch die Koloraturen und über die Möbel. Ihre späteren Manierismen sind im Kern schon vorhanden, sie werden aber noch nicht so bewusst eingesetzt, um Seelenschattierungen darzustellen. Vielleicht, weil Norina diesbezüglich nicht auf Augenhöhe mit einer Anna Bolena oder Elisabeth I. ist.

Der Spaß, den die jungen Liebenden mit dem alten Gecken treiben, bleibt gepflegter Schabernack, ernsthaft bedroht wird hier niemand. Da hat Renata Scotto in ihren Wutausbrüchen gegenüber Pasquale aggressivere Töne angeschlagen. Und die revitalisierende sexuelle Erregung, die der Don verspürt, beim Gedanken an seine Ehe mit Norina, kann man in der betulichen Darstellung von Czerwenka nicht mal erahnen.

Das Ganze sieht ein bisschen aus, wie eine Samstagnachmittag-Show oder wie 1970er-Jahre Oper-aus-dem-Fernsehstudio. Es bereitet mir allerdings kein Retro-Vergnügen, für das ich durchaus empfänglich bin, sondern wirkt auf mich blutleer. Dass die alte ORF-Aufnahme der AK-Wien-Tour jetzt auf DVD erschienen ist, geht auf die Czerwenka Privatstiftung zurück. Der Pasquale-Sänger ist es am Schluss auch, der bei den Solovorhängen den meisten Applaus bekommt – und zwar mit deutlichem Abstand, woran auch Gruberova nichts ändern kann. Die Arbeiter und Arbeiterinnen aus Mürzzuschlag mit ihren Familien sind halt ein dankbares Publikum, und wenn die Oper 'Don Pasquale' heißt, kriegt halt der Titelrolleninterpret die meisten Bravos. So einfach kann Oper sein!

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:
Features:
Regie:







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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Gaetano Donizetti: Don Pasquale, Sung in German: Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Héctor Urbón

Label:
Anzahl Medien:
Naxos
1
Medium:
EAN:

DVD
747313565955


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Donizetti, Gaetano


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Naxos

Als der Unternehmer Klaus Heymann 1982 für seine Frau, die Geigerin Takako Nishizaki in Hongkong das Plattenlabel Marco Polo gründete, war dies der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Fünf Jahre später rief Heymann das Label NAXOS ins Leben, das in der Klassikwelt längst zur festen Größe geworden ist und es bis heute versteht, hohe Qualität zu günstigen Preisen anzubieten. Der einzigartige und sich ständig erweiternde Katalog des Labels umfasst mittlerweile über 8.000 CDs mit mehr als 130.000 Titeln - von Kostbarkeiten der Alten Musik über sämtliche berühmten "Klassiker" bis hin zu Schlüsselwerken des 21. Jahrhunderts. Dabei wird der Klassik-Neuling ebenso fündig wie der Klassikliebhaber oder -sammler. International bekannte Künstler wie das Kodály Quartet, die Geigerin Tianwa Yang, der Pianist Eldar Nebolsin und die Dirigenten Marin Alsop, Antoni Wit, Leonard Slatkin und Jun Märkl werden von NAXOS betreut. Darüber hinaus setzt NAXOS modernste Aufnahmetechniken ein, um höchste Klangqualität bei seinen Produktionen zu erreichen und ist Vorreiter in der Produktion von hochauflösenden Blu-ray Audios - Grund genug für das renommierte britische Fachmagazin "Gramophone", NAXOS zum "Label of the Year" 2005 zu küren. Auch im digitalen Bereich nimmt NAXOS eine Vorreiterrolle ein: Bereits seit 2004 bietet das Label mit der NAXOS MUSIC LIBRARY ein eigenes Streamingportal mit inzwischen über 1 Million Titel an und unterhält mit ClassicsOnline zudem einen eigenen Download-Shop.


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