
Four Seasons - Arabella Steinbacher, Münchener Kammerorchester
Mit Vivaldi und Piazzolla durch das Jahr
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Arabella Steinbacher führt Tango Nuevo und Barock zusammen.
Angesichts in die Hunderte gehender Tonträger mit Aufnahmen von Vivaldis 'Vier Jahreszeiten' hatte Arabella Steinbacher, wie sie im Vorwort zum Booklet schreibt, zunächst überlegt, ob sie diese überhaupt einspielen solle. Entschieden hat sie sich dann aber doch dafür – zum einen, weil sie selbst sie zuvor noch nie aufgenommen hatte, zum anderen, weil sie sie konzeptionell bewusst mit den 'Las Cuatro Estaciones Porteñas' von Astor Piazzolla verbinden wollte. Programmatisch sieht das so aus, dass sie thematisch jedem Vivaldi-Konzert den jahreszeitlich korrespondierenden Piazzolla-Satz voranstellt.
Verhaltene Emotionen
Entsprechend beginnt sie mit Piazzollas 'Primavera Porteña' und bringt seine Stücke sozusagen in die kalendarische Reihenfolge. Die Chronologie der Entstehung wirft sie damit nämlich um, im Unterschied zu Vivaldis Sammlung hat Piazzolla seine vier Teile ursprünglich nicht als Zyklus konzipiert, zwischen 1964 und 1970 hat er sie in ungeordneter Reihenfolge geschrieben. Bereits im 'Frühling' lässt sich hier allerdings eine generelle Tendenz erkennen: Steinbachers Spiel fehlt ein wenig der kantig herausfordernde, erotisierende ‚Kick‘, in den eruptiven Passagen vermisst man emotionale Explosivität, das tangospezifisch prickelnde Flair. Worin das besteht und was davon hier nicht recht transportiert wird, fällt insbesondere dann auf, wenn man Piazzollas persönliche Aufnahmen mit seinem Quartett vergleicht, und lässt sich auch in den weiteren Jahreszeiten musikalisch beobachten.
Ihre Stärken entfaltet Steinbacher in den ruhigen, in sich gekehrten Abschnitten, aus denen dann wiederum leider das Münchener Kammerorchester nicht ganz die sinnliche Melancholie extrahieren kann. Ein Stück weit mag all das auch den Arrangements aus der Feder von Peter von Wienhardt geschuldet sein, der bereits – und dort sehr überzeugend – für Transkriptionen auf Steinbachers vorangegangenem Strauss-Album (klassik.com berichtete) verantwortlich gezeichnet hatte. Eine zu breite Legato-Diktion steht der freien Entfaltung von Temperament und Leidenschaft immer wieder entgegen, fast schleppend mutet die Gangart gelegentlich an. Insgesamt könnten die Bearbeitungen dynamisch und agogisch klarere Kante zeigen, auch die rhythmische Komponente kommt stellenweise nicht zum Tragen. Alles in allem vermisst man zu oft das gewisse ‚Tango-Etwas‘, den musikalischen ‚Sex-Appeal‘, in 'Verano Porteño' trägt dazu auch ein sehr bedächtiges Tempo bei. Und so lautet bei Piazzolla die musikalische Diagnose: Zu verhaltene Emotionen.
Zwingende Dramaturgie
Ganz anders sieht das bei Vivaldi aus. Die Ecksätze seiner Konzerte erhalten vitale Zugkraft und inspirierten Pep, mit solistischer wie orchestraler Frische entsteht hier eine zwingende programmatische Dramaturgie, namentlich mittels intensiver dynamischer Kontraste. Exemplarisch hierfür: Der tänzerisch crescendierende Abschnitt im Finalsatz von 'La Primavera'. Die Mittelsätze erhalten einen eindringlich reflektierenden, mit einfühlsamen Vibrato-Schattierungen kolorierten Charakter. Ansteckende Spielfreude und eine geradlinige Phrasierung setzen musikalische Energien frei, garniert mit markanten orchestralen Spitzen wie in den tremolierenden Einwürfen des Mittelsatzes von 'L'estate'. Durchweg erfreut man sich an Steinbachers technischer Souveränität, ihr Ton hat sublime Klarheit bis in zart schwebende Flageolett-Sphären und sorgt dafür, dass einen trotz noch so oftmaligen Hörens der Stücke die Spannung bis zum Ende nicht loslässt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Four Seasons: Arabella Steinbacher, Münchener Kammerorchester |
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Label: Anzahl Medien: |
Pentatone Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
827949074660 |
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Piazzolla, Astor |
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Pentatone Classics PentaTone wurde im Jahr 2001 von drei ehemaligen Leitenden Angestellten der Philips Classics zusammen mit Polyhymnia International (dem ehemaligen Philips Classics-Aufnahmezentrum) ins Leben gerufen.
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