
Vincerò ! - Piotr Beczala, Orquestra de la comunitat Valenciana, Marco Boemi
Verdientes 'Vincerò'
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Den Titel 'Vincerò!' für ein Soloalbum muss man sich leisten können. Piotr Beczala kann es! Er 'siegt' auf seinem neuesten Album mit Werken von Puccini, Mascagni, Giordano, Leoncavallo und Cilea auf ganzer Linie.
Der Titel 'Vincerò!' für ein Soloalbum mit Verismo-Arien ist eine klare Ansage, die nicht gerade mit Bescheidenheit kokettiert – aber Piotr Beczala kann sich dieses titelgebende Zitat mühelos leisten. Er ‚siegt‘ auf seinem neusten Album mit Werken von Puccini, Mascagni, Giordano, Leoncavallo und Cilea auf ganzer Linie.
Die beim Label Pentatone im Oktober 2019 eingespielte SACD präsentiert den Tenor in zahlreichen Partien, die er bereits auf der Bühne verkörpert hat, aber auch mit Ausschnitten aus Werken, die in naher Zukunft realistisch erscheinen oder tatsächlich anstehen. Schon lange bewegt sich der einst lyrische Tenor mit traumwandlerischer Sicherheit im Spintofach und überhäuft seine Bühnenfiguren mit einer entwaffnenden Mischung aus Tonschönheit, Kraft und Glanz. Diese Vorzüge spielt er auf dem vorliegenden Album genüsslich aus und lässt so manche Erinnerung an große Fachkollegen der Vergangenheit wach werden.
Effektvoll und kühn
Die programmatische Konzentration auf Opern der veristischen Stilrichtung um 1900 spannt letztlich einen weiten Bogen von Pietro Mascagnis 'Cavalleria Rusticana' oder Giacomo Puccinis heute fast vergessenem Frühwerk 'Edgar' bis hin zu Puccinis letztem Opus 'Turandot'. Beczala erfüllt alle Anforderungen der unterschiedlichen Tonsprachen und macht deutlich, wie tenorverliebt diese Zeitspanne der italienischen Oper war. Was dabei aber besonders beeindruckt, ist die relative Schlichtheit, mit der der Sänger agiert. Natürlich lässt er seine Stimme auf gehaltenen Spitzentönen erstrahlen, weiß mit effektvollen Klangmischungen, kühn attackierten Noten und geschmackvollen Portamenti zu begeistern. Aber Beczala ist weit entfernt von bloßer Stimmprahlerei. Er stellt nicht sich selbst und seine außergewöhnliche Stimme in den Vordergrund, sondern lässt die Komponisten und deren musikalisierte Charaktere sprechen – mit allem, was auch von seiner Seite dazugehört, ohne Frage.
Einen beispielhaften Eindruck vermitteln gleich die beiden ersten Titel aus Puccinis 'Tosca'. Beczala eröffnet mit 'Recondita armonia', unbeschwert, fast verschwenderisch in Farbe und Tongebung. Die Nummer ist nicht frei von kleinen Mini-Schluchzern und Glucksern, die etwas ungemein launiges an sich haben. Doch schon das darauffolgende 'E lucevan le stelle' zeigt, dass Beczala auch anders kann: dunkel, verschattet, sich zu leidenschaftlichen Phrasen aufschwingend. Diese Szene verzichtet auf jene Effekte, die zuvor noch so üppig bedient wurden. Mit all seiner Rollenerfahrung zeichnet Beczala in diesen sieben Minuten die Entwicklung Cavaradossis vom lebensfrohen, liebenden Künstler zum verzweifelten Todeskandidaten. Die ungezügelte Interpretation von 'Recondita armonia' mag Geschmackssache sein, aber sie ist konsequent und nachvollziehbar.
Die komplette SACD hat nur eine Spieldauer von knapp über fünfzig Minuten, aber sie ist dennoch ordentlich gefüllt mit gleich achtzehn Szenen und Arien, die naturgemäß in diesem Repertoire recht kurz ausfallen. Dennoch hat man Ende nicht den Eindruck, um weitere zwanzig Minuten Musik betrogen worden zu sein – das Kaleidoskop war so fordernd, dass man beim finalen Dauerbrenner 'Nessun dorma' mehr als befriedigt in die akustische Zielgerade einbiegen kann.
Schwungvoll und leichtfüßig
Zwischen 'Tosca' und 'Turandot' gibt es nämlich so einiges zu hören: einen schwärmerisch, zarten Andrea Chénier mit 'Come un bel dì di maggio' und dem in seiner Expressivität gut dosierten 'Un dì all’azzuro spazio' und einen nicht minder fesselnden Des Grieux in Puccinis 'Manon Lescaut'. Gleich drei Ausschnitte aus Cileas 'Adriana Lecouvreur' hat Beczala eingespielt, eine Partie, für die er seit einigen Jahren gefeiert wird. Unter den vielen Puccini-Arien darf auch das 'Ch’ella mi creda' aus 'La fanciulla del West' nicht fehlen oder Pinkertons Abschied aus 'Madama Butterfly'. Nach der Rarität aus 'Edgar' verjüngt sich Beczala überzeugend mit einem schwungvollen, leichtfüßigen und höhensicheren Rinuccio aus 'Gianni Schicchi'.
Wirkliche Höhepunkte sind Loris‘ Arie aus Giordanos 'Fedora', die eine Lehrstunde in Legatokultur und Ausdruckskraft darstellt, sowie Canios 'Vesti la giubba' aus Leoncavallos 'I Pagliacci'. Letztere Partie bringt Beczala vielleicht ein wenig an seine Grenzen, aber die vokale Direktheit, der wahrhaftige, ungeschönte Zugriff in Verbindung mit erstaunlich offenen Tönen, ist überwältigend. Darüber hinaus kommt gerade hier wieder der uneitle Gestus positiv zum Tragen. Beczala zelebriert keine traditionellen Vortragsgewohnheiten, sondern verleiht dem Charakter Glaubwürdigkeit – veristisch im besten Sinne.
An diesem uneitlen Eindruck haben auch die angenehm zügigen Tempi von Marco Boemi am Pult des untadeligen Orquestra de la Comunitat Valenciana erheblichen Anteil. Alles bleibt organisch im Fluss, die Balance zwischen Solist und Klangkörper gelingt wunderbar, das Einverständnis ist hörbar. Der Cor de la Generalitat Valenciana, sowie die Mezzosopranistin Evgeniya Khomutova als Mamma Lucia ergänzen in zwei Nummern die dramatische Situation und werten das Arienalbum nochmals auf. ‚Vincerò!‘ – ohne Zweifel.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Vincerò !: Piotr Beczala, Orquestra de la comunitat Valenciana, Marco Boemi |
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Label: Anzahl Medien: |
Pentatone Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
827949073366 |
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Cilea, Francesco |
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