
Czech Viola Concertos - Jitka Hosprova, Prague Radio Symphony Orchestra
Ausflug ins tschechische Viola-Repertoire
Label/Verlag: Supraphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Jitka Hosprová engagiert sich leidenschaftlich für drei tschechische Violakonzerte, die allerdings in ihrer Substanz nur teilweise gelungen sind.
Eine erstklassige Interpretation eines erstklassigen Werkes – gleichsam der musikalische Idealzustand. Leider wird er nur selten erreicht. Entweder ist der Rang des Stückes unstrittig, aber die Interpreten tun sich damit schwer, nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl der schon vorhandenen Konkurrenz-Aufnahmen – etwa bei Mozart. Oder der Interpret agiert tadellos, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass man es mit (vornehm formuliert) weniger gelungener Musik zu tun hat. So verhält es sich bei vorliegender CD mit tschechischen Bratschenkonzerten, die Jitka Hosprová aufgenommen hat. Zwar ist in allen drei Konzerten der Wille ihrer Schöpfer erkennbar, der Viola gegenüber dem Orchester jene virtuose Entfaltung zu ermöglichen, die dem Instrument lange Zeit überhaupt nicht zugetraut wurde. Jenseits solistischer Akrobatik wirken die Stücke aber seltsam uninspiriert; am ehesten ist es noch Jindřich Feld (1925–2007) gelungen, nicht nur ein Violakonzert, sondern auch packende und überzeugende Musik zu komponieren.
Höchste Virtuosität
Sein 2004 entstandenes Werk überrascht mit einer gleichsam ‚umgekehrten‘ Satzfolge; statt zweier schneller Sätze, die einen langsamen Abschnitt umrahmen, stehen hier zwei 'Lento ma non troppo'-Sätze um ein feuriges Scherzo, das der Viola höchste Virtuosität abverlangt. Hosprova und das Radio-Symphonieorchester Prag (dirigiert von Jan Kučera) engagieren sich leidenschaftlich für Felds Konzert und können dadurch auch so manche Länge in der Ecksätzen geschickt übertünchen. Als Ganzes (und vor allem aufgrund der einwandfreien solistischen Leistung Hosprovás, die hier rückhaltlos alles gibt) kann das Werk einigermaßen überzeugen.
Deutlich schwächer wirken dagegen die 'Visions of Michelangelo' des schon seit einigen Jahren in Vergessenheit geratenen Oldřich Flosman (1925–1998), ein nicht zuletzt aus handwerklicher Sicht (monotone, einfallsarme Behandlung des Orchesters) misslungenes Werk, das die beste Interpretation nicht mehr retten kann. Hosprovás Ton ist schön und flexibel, die Balance zwischen der Viola und dem Orchester passt, doch das Stück selbst schleppt sich recht träge dahin und verzichtet auf jeglichen Höhepunkt. Die Vorhersehbarkeit, mit der Flosman das Schlagwerk einsetzt, ist beinahe schon ärgerlich. Im direkten Vergleich wirkt jedes Hindemith-Konzert wie ein ultimativer Geniestreich. Auch Orchester und Dirigent (in diesem Fall Tomáš Brauner) können sich hier nicht wirklich profilieren. Ohne zu polemisieren, muss man wohl nüchtern festhalten, dass Flosman ein zu Recht in Vergessenheit geratener Tondichter ist.
Aus der Stille
Und Sylvie Borodová? Die 1954 geborene Komponistin ist außerhalb ihrer tschechischen Heimat eher den Spezialisten für Neue Musik bekannt, obwohl sie keinen harten avantgardistischen Stil pflegt, wie auch ihre 'Musik für Viola und Symphonieorchester' aus dem Jahr 1982 zeigt. Das angenehm kompakte Werk (Spieldauer 15 Minuten) wird überwiegend von leisen Tönen und einem transparenten Orchesterklang dominiert, so dass sich die Viola sehr gut entfalten kann. Bisweilen geht es für den Geschmack des einen oder anderen Hörers vielleicht etwas zu ruhig zu – immerhin kann Hosprová so die lyrische Seite ihres Instrumentes hervorheben. Wer Kontraste liebt, ist wohl bei Felds Konzert besser aufgehoben. Bei Borodová kommt es nur zu einer kurzen orchestralen Steigerung gegen Ende des Werkes, diese wird immerhin von Kučera und den Musikern voll ausgekostet. Danach versinkt das Werk mit einem langen Monolog der Viola wieder in der Stille, aus der es gekommen ist.
Es ist also vor allem eine CD für Freunde selten gespielter (Viola-)Konzerte. Wer schon an die Werke selbst höchste Maßstäbe ansetzt, wird hier wohl eher nicht zugreifen. Hosprovás exzellentes Violaspiel ist allemal ein Argument für diese Veröffentlichung, die nebenbei (wenn auch nur ein Detail) von den speziellen Herausforderungen zeugt, mit denen sich Komponisten im sogenannten ‚sozialistischen Realismus‘ konfrontiert sahen: So wusste Sylvie Borodová nicht, ob der ursprünglich vorgesehene Titel 'Planctus' (= Klagen, insbesondere die Klagen der Maria) im Jahr 1982 von den Zensoren beanstandet werden würde – religiöse Titel waren seinerzeit eine heikle Angelegenheit. Der ‚Ersatztitel‘ wäre für den Fall einer Zensur schon bereitgestanden, eben das neutrale 'Musik für Viola und Orchester'. Was heute wie eine historische Bagatelle klingt, konnte vor 1989 über eine ganze Karriere entscheiden.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Czech Viola Concertos: Jitka Hosprova, Prague Radio Symphony Orchestra |
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Label: Anzahl Medien: |
Supraphon 1 |
Medium:
EAN: |
CD
099925427627 |
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Supraphon Supraphon Music ist das bedeutendste tschechische Musiklabel und besitzt bereits eine lange Geschichte. Der Name "Supraphon" (der ursprünglich ein elektrisches Grammophon bezeichnete, das zu seiner Zeit als Wunderwerk der Technik galt) wurde erstmals 1932 als Warenzeichen registriert. In den Nachkriegsjahren erschien bei diesem Label ein Großteil der für den Export bestimmten Aufnahmen, und Supraphon machte sich in den dreißiger und vierziger Jahren besonders um die Verbreitung von Schallplatten mit tschechischer klassischer Musik verdient. Die künstlerische Leitung des Labels baute allmählich einen umfangreichen Titelkatalog auf, der das Werk von BedYich Smetana, Antonín Dvorák und Leos Janácek in breiter Dimension erfasst, aber auch andere große Meister der tschechischen und der internationalen Musikszene nicht vernachlässigt. An der Entstehung dieses bemerkenswerten Katalogs, auf den Supraphon heute stolz zurückblickt, waren bedeutende in- und ausländische Solisten, Kammermusikensembles, Orchester und Dirigenten beteiligt. Mehr Info... |
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