
Easter Cantatas - Kölner Akademie, Michael Alexander Willens
Oster-Perlen
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Michael Alexander Willens und die Kölner Akademie setzen mit dieser Platte ein Ausrufezeichen im nicht gerade überfüllten geistlichen Oster-Repertoire: Qualitätvolle Musik von Agricola und Homilius, die selten zu hören ist.
Michael Alexander Willens und seine Kölner Akademie bieten neben der historisch informierten und entsprechend differenzierenden Neuerkundung bekannten Repertoires in schöner Regelmäßigkeit auch Preziosen für die Adventszeit und Weihnachten ebenso wie für die Passionszeit und Ostern. Letzteres, obwohl das höchste Fest im christlichen Kalender, steht musikalisch deutlich im Schatten der Passionszeit mit ihren Komponisten aller Zeiten anregenden Gebeten und Erzählungen. Der grenzenlose Jubel des Ostersonntags scheint weit weniger attraktiv für eine ambitionierte kompositorische Befassung. Doch gibt es – neben Bachs Oster-Oratorium selbstverständlich – auch für dieses Hochfest interessante Kompositionen. Einige davon hat Willens für seine neue Platte bei cpo zusammengestellt.
Elegant und subtil
Es begegnen uns mit Gottfried August Homilius und Johann Friedrich Agricola zwei Komponisten aus der Generation der Bach-Söhne. Homilius (1715-1785), geboren in der Sächsischen Schweiz, ausgebildet in Dresden und Leipzig, dort vielleicht im musikalischen Umkreis von Bach, seit 1742 Organist an der Dresdner Frauenkirche, seit 1755 in seiner Lebensstellung als Kreuzkantor verantwortlich für die Musik an den drei Dresdner Hauptkirchen, war im mitteldeutschen Raum hochrespektiert und anerkannt. In der Tradition der Kreuzkantoren verankert, war er auch vor der historisch informierten Repertoire-Renaissance der vergangenen Jahrzehnte nie ganz vergessen. Sein hier erklingendes 'Oratorium auf Ostern', 1767 komponiert und in der Frauenkirche uraufgeführt, ist im Grunde eine groß dimensionierte Kantate von gut 32 Minuten Spieldauer. Der prachtvolle Eingangschor wird am Schluss wiederholt. Dazwischen spielen, das bringt der Szenerie dann doch einiges an Differenz im Affekt, die ‚Weiber bei dem Grabe‘ eine zentrale Rolle: Sie stehen rezitativisch und in mehreren Terzetten im Mittelpunkt, kontrastiert von einem klangmächtigen Bass-Engel. Es ist dies sicher gesetzte Musik, elegant in ihrer Wirkung und subtil. In der Summe viel klingende Galanterie im allerpositivsten Sinn.
Johann Friedrich Agricola (1720-1774) stammte aus dem Altenburgischen, studierte in Leipzig, wo er bei Johann Sebastian Bach Klavier-, Orgel- und Kompositionsunterricht nahm sowie dessen musikalische Aktivitäten auch praktisch unterstützte. Dann wandte er sich an den Berliner Hof, wo ihm Quantz, die Brüder Graun und Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel begegneten. Seit 1751 als Kammermusiker und Hofkomponist Friedrich II. aktiv, leitete er unter anderem die Uraufführung von Carl Heinrich Grauns Passionskantate 'Der Tod Jesu' auf einen Text von Carl Wilhelm Ramler.
Sein hier erklingendes Oster-Oratorium 'Die Auferstehung des Erlösers' wird im Untertitel als 'musikalisches Gedicht' bezeichnet, was auf den relativ frei gefassten Text verweist. Das Orchester ist, obwohl das Werk schon 1758 entstand, noch farbiger besetzt als bei Homilius: Neben den drei Trompeten sind auch zwei Hörner und 2 Fagotte obligat, dazu sind Flöten und Oboen parallel eingesetzt. Die von Agricola forcierte ariose Kunst ist auch technisch fordernd; Ausdruck wird mit Kunstfertigkeit erreicht. Der vielfarbige Orchestersatz als besondere Qualität wurde schon angesprochen. Er ist es unter anderem, der ästhetisch weit nach vorn weist – manche der Arien ist in allen wesentlichen Parametern geradezu klassisch zu nennen.
Engagiert und differenziert
Michael Alexander Willens vertraut die solistischen Partien einem ausgeglichen besetzten Ensemble an. Drei Soprane sind zu hören: Hannah Morrison, Rahel Maas und Bethany Seymour. Dazu die Altistin Elisabeth Popien, der Tenor Georg Poplutz und der Bass André Morsch. Willens hat auch mit dieser Wahl zu einer zwingend anmutenden Formation gefunden – leicht in der Anmutung, sprachgewandt auch die Nicht-Muttersprachler. Alle spüren der Ästhetik des Übergangs nach, barockes Denken und entsprechende satztechnische Grundlagen sind noch allerorten vorhanden, der Zug ins Galante ist gleichfalls unüberhörbar.
Insgesamt macht die Sänger-Riege diesen komponierenden Protagonisten der Generation der Bach-Söhne ebenso viel Ehre wie die Kölner Akademie: Hier ist ein waches, leichtes, locker gefügtes, behändes Spiel zu erleben; auch in größeren Besetzungen werden diese Charakteristika der neuen Ästhetik beibehalten. Große Wirkungen gibt es, aber ganz ohne Überwältigung. Die Instrumentalisten lassen Begleitung etwas ganz Besonderes sein, dank ihrer Einfühlung, dank des üppigen stilistischen Differenzierungsvermögens. Die von Willens gewählten Tempi sind durchaus reich an Varianten, immer wieder auch solche, die die Vokalisten zu technischer Avance herausfordern. Das dynamische Panorama ist fein gearbeitet, Akzente von kultivierter Kraft eingeschlossen. Das beredte Spiel und den Umgang mit barocken Figuren hat das Ensemble souverän verfügbar, doch emanzipiert es sich und die Musik daraus ästhetisch weit nach vorn. Der Kammermusiksaal des Deutschlandfunks sorgt für Transparenz und Balance, für bezwingende Staffelung und elegant moduliertes Volumen.
Michael Alexander Willens und die Kölner Akademie setzen mit dieser Platte ein Ausrufezeichen im nicht gerade überfüllten geistlichen Oster-Repertoire: Qualitätvolle Musik von Agricola und Homilius, die selten zu hören ist.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Easter Cantatas: Kölner Akademie, Michael Alexander Willens |
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Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203533220 |
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Agricola, Johann Friedrich |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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