
Sweelinck - Der Organistenmacher
Back to the Roots
Label/Verlag: Raumklang
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Alte Orgeln kennen ihre eigenen Gesetze. So mutet die Intonation des 1998er Nachbaus der Orgel der Kirche St. Jaques zu Lüttich in Belgien zunächst verwunderlich an. Beschäftigt man sich aber eingehender mit den Stimmungen der Orgeln der Renaissancezeit, wird schnell klar, dass damals (um 1600) nicht temperiert, sondern mitteltönig intoniert wurde. So erklären sich mal größere, mal geringere intonatorische Spannungen bzw. Abweichungen vom Mittelwert. Das ist schon im ersten Werk der Platte (Praeambulum 6 von Heinrich Scheidemann [1]) hörbar, die Léon Berben beim audiophilen Label Raumklang herausgebracht hat.
Léon Berben – ansonsten Cembalist im Ensemble von Musica Antiqua Köln – beschäftigt sich auf dieser CD mit dem niederländischen Orgelmeister Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621) und seinen musikalischen Erben und führt so zu den Wurzeln der europäischen Orgelmusikkultur. Ich nenne Sweelinck bewusst einen ‘Orgelmeister’, weil die damaligen Komponisten immer zugleich die erstrangigen Interpreten und Lehrer ihrer Zunft waren.
Léon Berbens Spiel gefällt außerordentlich. Seine flüssige Motorik, sein Spürsinn für musikalische Zusammenhänge und der tendenziell geistliche programmatische Inhalt dieser Platte lassen ‘Sweelinck - Der Organistenmacher’ zum idealen Begleiter an einem Sonntag Vormittag werden. Mit seiner repräsentativen Werkauswahl von der Toccata XX [5] über den Psalm XXIII [6] (‘Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts fehlen’) mit drei Variationen, bis hin zur Fantasia II. verschafft Berben einen nachhaltigen Einblick in das Schaffen dieses größten niederländischen Orgelmusikkomponisten, dessen Werk über seine Schüler Heinrich Scheidemann und Jacob Praetorius nach Deutschland hineinragte. Von Scheidemann hören wir die Praeambuli 6,8, & 14 sowie ‘Mio cor, sei vera salamandra’. Von Jacob Praetorius ist leider nichts eingespielt.
Musikalischer Gipfel der Aufnahme ist Sweelincks Fantasia II [9]. Sie verknüpft kraftvolle harmonische Rückungen und glänzendes organistisches Rankwerk. Im Zusammenwirken mit der dramatischen Musizierhaltung des Interpreten wird aus dieser Komposition ein unvergessliches Kunstwerk. Schildts Variationen ‘Gleichwie das Feuer’ & drei Variationen [10] (mit wunderbarem Schallmey- oder Zink- (?) Register) nehmen sich danach erheiternd kontrastreich aus.
Léon Berben, der mit erkennbar persönlichem Engagement auch den Booklet-Text verfasste, hat leider versäumt, Informationen über Melchior Schildt und Paul Siefert (‘Paduana’ [11] zu liefern. Trotzdem ist diese Aufnahme eine editorische Pioniertat für die der Interpret höchstes Lob verdient.
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Sweelinck: Der Organistenmacher |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
Raumklang 1 15.10.2003 67:32 2002 2003 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4018767022056 RK 2205 |
![]() Cover vergössern |
|
![]() Cover vergössern |
Raumklang Das Label RAUMKLANG wurde 1993 von Sebastian Pank in Leipzig gegründet. Nach wie vor steht der Name Raumklang für ein authentisches Klangerlebnis. Die Aufnahmen entstehen überwiegend mit nur einem Stereo-Kugelflächen-Mikrophon (One-Point-Recording).
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Raumklang:
-
Ambition und Klangsinn: Ein sehr schöner Erstling des Ensembles L'ultima parola: Johannes Ockeghems ambitionierter Satz ist hier in den besten Kehlen. Der hoffentlich weitere Weg wird mit Interesse zu verfolgen sein. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Gipfelwerk: Das Ensemble Polyharmonique macht bei den Motetten der 'Geistlichen Chor-Music', diesem Schwergewicht der Musikgeschichte, wie schon vorher bei der Musik von Schütz' Kollegen eine glänzende Figur. Mehr davon! Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Die Ordnung der Kräfte: Das Ensemble Ars Choralis Coeln bringt eine CD-Fassung des 'Ordo virtutum' von Hildegard von Bingen heraus. Weiter...
(Anneke Link, )
Weitere CD-Besprechungen von Manuel Stangorra:
-
Russische Romantik mit Viola und Klavier in Szene gesetzt: Diese "Weiße Nächte"-Box von Tatjana Masurenko und Roglit Ishay konzentriert sich auf St. Petersburger Komponisten. Weiter...
(Manuel Stangorra, )
-
Unverwüstliche russische Violinmusik neu beleuchtet: Natalia Prishepenko (Violine) und Dina Ugorskaja (Klavier) bildeten ein vollendetes Duo. Weiter...
(Manuel Stangorra, )
-
Telemann und die Liebe: La Stagione Frankfurt nimmt mit Julia Kirchner und Georg Poplutz Telemanns Hochzeits-Serenata auf. Weiter...
(Manuel Stangorra, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Liebesgrüße aus Windsor: The Queen's Six können es im leichten und populären Repertoire: Eine feine Platte, frische Arrangements – ein schöner Streifzug. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Klassiker wiederaufgelegt: Ein konzertanter Livemitschnitt von Tschaikowskys 'Pique Dame' in idiomatischer Wiedergabe. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Sächsische Eigentümlichkeiten: Das Ensemble Polyharmonique und das Wrocław Baroque Orchestra mit der qualitätvollen Deutung einer Franz Xaver-Vesper von Johann David Heinichen und einem vernehmlichen Plädoyer für diesen Komponisten. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich