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Dienstag, 5. Dezember 2023

Robert Schumann: Scenes from Goethe's Faust - Staatsoper Unter den Linden Berlin, Daniel Barenboim

Verweile nicht...


Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Das berühmte 'Verweile doch, du bist so schön!' nach dem Anschauen der vorliegenden Doppel-DVD auszurufen, ist schwierig bis unmöglich.

Das berühmte ‚Verweile doch, du bist so schön!‘ nach dem Anschauen der vorliegenden Doppel-DVD auszurufen, ist schwierig bis unmöglich. Ein bemühter Bilder- und Assoziationsreigen – von Jürgen Flimm, Markus Lüpertz und Ursula Kudrna szenisch verantwortet – schreitet, tänzelt und bevölkert die Bühne der Staatsoper Unter den Linden, der rätselhaft erscheinen will und wenig Sympathie für Robert Schumanns 'Szenen aus Goethes Faust' oder gar Goethes Vorlage ausstrahlt.

Wiedereröffnungsspektakel

Am 3. Oktober 2017 wurde die über viele Jahre hinweg sanierte Staatsoper Unter den Linden festlich eingeweiht. Auf dem Programm standen, zugegebenermaßen recht kurzfristig eingeplant, die 'Szenen aus Goethes Faust' von Robert Schumann. Unter dem Titel ‚Zum Augenblicke sagen: Verweile doch!‘ versetzte das Produktionsteam Schumanns Komposition mit Dialogpassagen aus Goethes 'Faust I' und 'Faust II'. Die drei Protagonisten wurden mit zu diesem Zweck von Schauspielern gedoppelt, inszenatorisch auch ein alter Hut, wenngleich legitim. Ob man nun Schumanns Werk, das irgendwo zwischen Opernplan, Oratorium, Kantate und Sinfonie schwebt und von sich aus schon nicht unproblematisch daherkommt, aufbrechen und in Einzelteile zerlegen ‚darf‘, ob man also Schumann hier in welcher Form auch immer ‚Gewalt antut‘, soll nicht Gegenstand der Aufführungsbetrachtung sein. Es wäre müßig und führte schnell zu Dogmen, die einen Theaterabend seiner Magie berauben.

Doch genau diese Magie will Flimms Berliner Produktion zumindest auf der Bild-und-Ton-Konserve nicht entfalten. Der beim Label Arthaus erschienene Mitschnitt der Eröffnungspremiere erweckt vielmehr den Eindruck, dass man viel gewollt, aber sich zu nichts wirklich bekannt hat. Die Sprechpassagen zerlöchern den musikalischen Spannungsbogen, agieren stilistisch auf einem völlig anderen Planeten, so dass man als Publikum nicht weiß, wozu man gebeten ist. Erhellend ist hier nichts. Dem bunten Treiben zwischen Flugwerk, deformierten Elfenflügeln, Theatersesseln, maskenhafter Schminke, Perückenschau und allem, was der Kostümfundus so hergibt, kann man höchstens zu Gute halten, dass es dem gefährlichen Pathos und potentiellen Verklärungskitsch der 'Faust-Szenen' fantasievoll entgegentritt und Bilder sucht, die Schumanns lose Szenenfolge einigermaßen logisch miteinander verbindet. Ob dafür allerdings überhaupt eine Notwendigkeit besteht, darf angezweifelt werden. Für die Eröffnung eines der wichtigsten Opernhäuser Deutschlands ist ein solches Theaterprojekt recht ernüchternd.

Musikalisches auf der Haben-Seite

Dafür gibt es auf der musikalischen Seite so manch erfreuliche Leistung zu genießen: allen voran Elsa Dreisig als sopran-strahlendes Gretchen. Ihr Gesang trifft mit traumwandlerischer Sicherheit mitten ins Herz des Zuhörers, ihre Artikulation ist lupenrein und neben ihrer lyrischen Qualität ist die Sängerin auch zu glaubwürdigen dramatischen Akzenten in der Lage. Ihr ‚Hilf! Rette mich von Schmach und Tod!‘ beispielsweise behält noch im Forte den runden, frischen, von Glanz erfüllten Stimmklang. Ebenfalls bestens disponiert zeigen sich der Kinderchor und Staatsopernchor, während Roman Trekel als Faust einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Darstellerisch gibt er den Denker und Zweifler, ist sprachlich bestens gerüstet, orgelt sich aber recht pauschal und angestrengt durch Schumanns Komposition. An seiner Seite agiert René Pape mit dröhnendem Bass routiniert mit deutlichem Hang zum Grimassieren.

Das übrige Ensemble ist homogen besetzt, vor allem Katharina Kammerloher gefällt vokal und darstellerisch als Marthe, Sorge und Mater Gloriosa. In den weiteren Frauenpartien sind Evelin Novak, Adriane Queiroz und Natalia Skrycka zu erleben. Als Ariel und Pater Ecstaticus wartet Stephan Rügamer mit hellem Timbre und kultivierter Stimmführung auf, Gyula Orendt ist ein grundsolider Pater Seraphicus.

Prominent

Das Schauspieler-Trio ist von entsprechender Prominenz: Sven-Eric Bechtolf entledigt sich des Mephisto auf mutige und energiegeladene Art und Weise, wirkt aber sehr sich selbst überlassen. Die wunderbare Meike Droste schnoddert und nölt das Gretchen reizvoll, aber auf Dauer nervtötend. Einzig in der Kerkerszene fallen ehrliche und tatsächlich anrührende Töne. Als Faust verlässt sich André Jung auf reduzierte Mittel und seine Ausstrahlung – das ist klug und entsprechend wirkungsvoll.

Was Daniel Barenboim am Pult seiner Staatskapelle Berlin liefert, ist ein dunkel getönter, recht abgründiger Schumann, aber nicht verkopft oder schwülstig. Zum Herauskitzeln von Kontrasten, Ecken und Kanten, von Visionären war in der Einstudierung vermutlich zu wenig Zeit. Aber die ordentliche Leistung im Graben überzeugt, auch wenn man sich am Ende dieser theatral aufgepumpten sowie eitlen 'Faust-Szenen' keine Wiederholung des Ganzen wünscht und auch schon währenddessen oft denkt: ‚Verweile nicht – zieh vorüber!‘

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    Robert Schumann: Scenes from Goethe's Faust: Staatsoper Unter den Linden Berlin, Daniel Barenboim

Label:
Anzahl Medien:
Monarda Music
1
Medium:
EAN:

DVD
4058407094180


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Schumann, Robert


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Monarda Music

Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels.

Das Pionierlabel für Klassik auf DVD veröffentlicht nunmehr seit 13 Jahren hochkarätige Aufzeichnungen von Opern, Balletten, klassischen Konzerten, Jazz, Theaterinszenierungen sowie ausgesuchte Dokumentationen über Musik und Kunst. Mit bis zu 150 Veröffentlichungen pro Jahr sind bisher über 1000 Titel auf DVD und Blu-ray erschienen. Damit bietet Arthaus Musik den weltweit umfangreichsten Katalog von audiovisuellen Musik- und Kunstproduktionen und ist seit Gründung des Labels international führender Anbieter in diesem Segment des Home Entertainment Marktes.

In vielen referenzgültigen Aufzeichnungen sind die größten Künstler unserer Zeit wie auch aus vergangenen Tagen zu hören und zu sehen. Unter den Veröffentlichungen finden sich Aufnahmen mit Plácido Domingo, Cecilia Bartoli, Luciano Pavarotti, Maria Callas, Jonas Kaufmann, Elīna Garanča; mit Dirigenten wie Carlos Kleiber, Claudio Abbado, Nikolaus Harnoncourt, Lorin Maazel, Pierre Boulez, Zubin Mehta; aus Opernhäusern wie der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, dem Royal Opera House Covent Garden, der Opéra National de Paris , der Staatsoper Unter den Linden, der Deutschen Oper Berlin und dem Opernhaus Zürich.

Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011.

Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter.

Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von L’Arche Editeur, Preisträger des Prix de l’Académie de Berlin 2010.


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