
Franz Schubert: Notturno op.100 - Hamlet Piano Trio
Von der Einheit des differenzierten Zusammenspiels
Label/Verlag: Channel Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Drei Kammermusikprofis begeistern mit der dialogisch geführten Emotionalität der Extreme in Schuberts Klaviertrio op. 100.
Lodernde Emotionen kennzeichnen Shakespeares 'Hamlet': Liebe, Tod, Einsamkeit, Angst, Todessehnsucht, Wahnsinn – es sind durchweg heftige Gefühlswallungen, die den Protagonisten entgegenschlagen. Nicht minder stark, aber intimer treten sie in Franz Schuberts Musik hervor. Das fasziniert den Pianisten Paolo Giacometti, die Geigerin Candida Thompson und die Cellistin Xenia Jankovic. Verbunden im Hamlet Piano Trio, bergen sie mit aller gebotenen Sensibilität Schuberts Empfindsamkeit.
Seit über 30 Jahren sind Giacometti, Thompson und Jankovic kammermusikalisch unterwegs, in unterschiedlichen Funktionen treffen sie jährlich im Sommer im Festivaldorf Ernen zusammen, um Meisterkurse zu geben und Konzerte. Bei einem dieser Anlässe beschlossen sie die Gründung des Hamlet Piano Trio, um Werke zu Gehör zu bringen, die die drei im Zusammenspiel tief berühren, allen voran Schuberts Es-Dur Trio, op. 100.
Lastendes Erbe
Schubert komponierte es im Jahr vor seinem Tod, zeitgleich zur 'Winterreise', anlässlich der Verlobungsfeier seines Schulkameraden und langjährigen Freundes Joseph von Spaun. Die Spieldauer von rund fünfzig Minuten und die Anlage bestärken die Vermutung, Schubert habe sich wenige Monate nach dem Tod des von ihm so bewunderten wie gefürchteten Ludwig van Beethoven mit einem bedeutenden Werk hervorheben wollen. Dass es zum Zeugnis seines Vorwärtsgehens über das Beethoven-Zeitalter hinaus wurde, erschließt sich dem Fachkundigen erst auf den zweiten Blick.
Rein formal orientierte sich Schubert an Beethovens Kammermusikwerken, vier Sätze in der üblichen Reihenfolge, zu Beginn ein Allegro als Sonatensatz, ein langsamer Satz für instrumentale Fantasien, ein zweiteiliges Scherzo nach dem Vorbild Joseph Haydns mit tanzartigem Charakter und schließlich das rondoartige Finale, ein Allegro moderato.
Meister der Modulation
Neuartig bei Schubert ist die Verbundenheit der Sätze untereinander. Als Bindeglied offensichtlich ist das Thema des langsamen Satzes, ein Volkslied, das Schubert bei einem privaten Liederabend aufschnappte und hier als Motiv verwendete. Im Finalsatz zitiert er diese Melodie so geschickt, dass es sich in das neue Tempo einfügt. Ausgeprägter und subtiler ausgearbeitet sind die Verbindungen der Sätze durch die Verwandtschaft des musikalischen Materials, was nur hörbar wird, wenn man das Werk in seiner Vielfalt als Einheit wahrnimmt; Vielfalt hinsichtlich der unterschiedlichsten Charaktere, die hier aufeinander treffen. Es umspannt ein emotionales Spektrum zwischen aggressivem Zorn und tiefer Sehnsucht, übersetzt in schillernde Klangfarben, die Schubert überaus fein ausleuchtet und in liedartigen Motiven, Modulationen und harmonischen Fortschreitungen zum Klingen bringt.
Näher am Original
Paolo Giacometti nimmt exklusiv für das Label Channel Classics auf. Das gilt auch für die vorliegende Einspielung. Begeistert davon, das Atmosphärische dieser Musik auszuleuchten, spielt er auf einem Fortepiano aus Schuberts Zeit, haben Candida Thompson und Xenia Jankovic Darmsaiten aufgezogen. Ein Vergleich mit Einspielungen auf modernen Instrumenten bestätigt den Eindruck: Der Klang des technisch brillant aufspielenden Hamlet-Klaviertrios ist gradliniger, weniger Nachhall, perlend und klar in den Läufen, das Fortepiano präsenter in melodietragenden Passagen der Streicher. Diese Gleichwertigkeit des Zusammenklangs, den das Hamlet Piano Trio durchgängig beibehält, schärft das analytische Hören, legt die vielfachen Kommunikationsebenen offen, bring selten zu hörende Feinheiten an die Oberfläche, Charaktere, die Schubert in seinen Liedern ausdrückte und hier vielfach modulierte.
Bis ins Detail brillant interpretiert
Wohltuend auch die Tatsache, dass das Hamlet Piano Trio nicht dem Temporausch verfällt, sondern mit feinstem Gespür die Musik nachempfindet. Die drei Musiker wählen dezent modulierende Tempi, verleihen dem Gesamtwerk ein Atmen, das individuell abgestimmt auf die einzelnen Melodiepassagen Spannung, Entwicklung und Geschlossenheit gleichermaßen erzeugt und selbst im kleinsten Motiv kantabel gestaltet ist. So in sich versunken und dennoch in jedem Moment präsent, verführt das Trio zum Hörgenuss mit dem eingangs gespielten Notturno in Es-Dur, das erst posthum in die Öffentlichkeit gelangte. Ursprünglich als zweiter Satz des op. 100 komponiert, blieb es in der Schublade, nachdem Schubert es verworfen hatte. Generell sind Schubert Klaviertrios im Vergleich zu seinen weiteren Kammermusikwerken eher selten zu hören. Das Hamlet Piano Trio bietet mit seiner Einspielung von Schuberts Es-Dur Trio op. 100 eine Interpretation, die den Referenzstatus verdient.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Franz Schubert: Notturno op.100: Hamlet Piano Trio |
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Label: Anzahl Medien: |
Channel Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD
723385417194 |
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Schubert, Franz |
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Channel Classics Channel Classics Records is a quality record label based in Holland. Director, producer and recording engineer is C. Jared Sacks. Having grown up in Boston Massachusetts, schooled at Oberlin Conservatory and the Amsterdam Conservatory of music with 15 years experience playing French Horn, Jared decided to make his hobby of recording a profession in 1987. The label started in 1990 with the name Channel Classics coming from the street he lived on in Amsterdam. (Kanaalstraat).
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