
Morton Feldman: Patterns in a chromatic field - Mathis Mayr, Antonis Anissegos
Musikalische Perserteppiche
Label/Verlag: WERGO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Matthis Mayr und Antonis Anissegos veröffentlichen eine der eher seltenen Aufnahmen von Morton Feldmans Spätwerk 'Patterns in a chromatic field'.
Im Gegensatz zu anderen Werken Morton Feldmans existieren nur wenige Aufnahmen von 'Patterns in a chromatic field'. Die nun beim Label WERGO erschienene CD des Cellisten Mathis Mayr und des Pianisten Antonis Anissegos stellt somit eine willkommene Ergänzung in diesem ‚chromatischen Feld‘ dar.
Morton Feldman komponierte und konstruierte die Patterns 1981, sechs Jahre vor seinem Tod, nachdem er seine Sammlung von Perserteppichen intensiv betrachtet hatte. Inspiration waren die sich darin wiederholenden Muster. Diese, so beobachtete er, sind jedoch aufgrund geringer Farbtonabweichungen in der handgefärbten Webware nicht absolut identisch, sondern immer leicht verändert. Nach diesem Vorbild der Differenziertheit in der Wiederholung versuchte Feldman, diese Abweichungen im Farbton in Musik zu übersetzen, und entwarf ein musikalisches Klangflächenfeld für Cello und Klavier.
Trotz der häufig längeren Klangflächen ist 'Patterns' ein eher rhythmisches Werk, das auch mit den perkussiven Elementen der beteiligten Instrumente arbeitet. Auch Feldmans Gedanken zur Relativität der Zeit kommen zum Ausdruck: Zum Ende seines Lebens beschäftigte er sich damit, wie Musik erinnert wird und wie dieses Gedächtnis mit dem Erleben von Zeit zusammenhängt. Er wollte herausfinden, ob Zuhörer die Fähigkeit besäßen, die gehörten musikalischen Formen wahrzunehmen, später zu erinnern und erneut zu erkennen. Durch kleine Veränderungen dieser Formen und Motive wird die Erwartung der Hörer jedoch bewusst nicht erfüllt. Laut Feldmans Vorstellung soll dies die Zuhörer in der Gegenwart halten, die Erinnerung an die Vergangenheit verschleiern und den Blick in die Zukunft unmöglich machen. Für einige Zuhörer kann das meditativ wirken, für andere eher aufreibend. Das Werk lebt also stark von seiner Unmittelbarkeit, von der Direktheit des Momentes, in dem es entsteht. Da dieser Zustand schwer einzufangen und auf der eigenen Couch nachzuempfinden scheint, sind Aufnahmen solcher Kompositionen eher rar.
Intimes, atmendes Spätwerk
Mayr und Anissegos stellen auf dieser neuen CD ihre interpretatorischen Fähigkeiten jedoch ganz in den Dienst von Feldmans schwebender Klangarchitektur und schaffen damit einen privaten, direkten Klang. Ohne Attitüde oder großen Gestus erforschen sie die Komposition, verzichten dabei aber nicht auf eine eigene Sprechart: Beide Interpreten sind auf dem Gebiet der Neuen Musik ebenso bewandert wie in experimenteller elektronischer Musik. So entsteht eine durchdachte Einspielung, die neben der musikalischen auch die technische Seite der Aufnahme bedenkt. So wurde die CD im modern ausgestatten und auf Neue Musik ausgerichteten Hertz-Labor am Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe ZKM aufgenommen und gemastert.
Das Resultat sind intime, atmende achtzig Minuten von Feldmans Spätwerk, die den Hörer den Interpreten sehr nahetreten lässt. Mayr und Anissegos wirken wie ein sehr vertrautes Duo, in vielen Momenten fließen die Klänge der beiden Instrumente ineinander. Mayr entlockt dem Cello teilweise Klänge, die eher an ein Theremin oder auch eine Flöte erinnern, Anissegos Spiel schwankt wohldosiert zwischen perkussiv und sanft, begleitend und führend. Dank der technischen Raffinesse der Interpreten und der Aufnahmetechnik treten die verschiedenen Methoden, mit denen Feldman arbeitete, in den Vordergrund: die Symmetrie in der Anlage des Werkes, die Feinheiten in Dynamik und Tempo ebenso wie der von Feldman häufig gewünschte gedämpfte, verfremdete Klang der Instrumente. Durch das Zusammenspiel zwischen Komposition, künstlerischer Interpretation und technischer Umsetzung gelingt tatsächlich eine Aufhebung des Fortschreitens der Zeit, eine Reduktion auf das Wesen des Momentes, auf Atem und Herzschlag. Diese CD kann in der jetzigen Situation dabei behilflich sein, sich aus dem Strom der Meldungen von Fallzahlen und Zwischenfällen zu befreien – so man sich die Zeit dafür nimmt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Morton Feldman: Patterns in a chromatic field: Mathis Mayr, Antonis Anissegos |
|||
Label: Anzahl Medien: |
WERGO 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4010228738223 |
![]() Cover vergössern |
Feldman, Morton |
![]() Cover vergössern |
WERGO Als 1962 die erste Veröffentlichung des Labels WERGO erschien - Schönbergs "Pierrot lunaire" mit der Domaine musicale unter Pierre Boulez -, war dies ein Wagnis, dessen Ausgang nicht abzusehen war. Werner Goldschmidt, ein Kunsthistoriker, Sammler und Enthusiast im besten Sinne, war es, der - gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Helmut Kirchmayer - den Grundstein zu dem Label legte, das seit inzwischen 50 Jahren zu den führenden Labels mit Musik unserer Zeit zählt. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei... |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag WERGO:
-
Traditionell gebundene eigene Welt: Friedrich Gauwerky und Daan Vandewalle halten ein überzeugendes Plädoyer für den südafrikanischen Komponisten Michael Blake. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Neue Musik aus Argentinien: Ein wichtiges Plädoyer für einen argentinischen 'Zeitgenossen'. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Musikalischer Metadiskurs: Ein bedeutender skurriler Beitrag in der Edition Musikfabrik. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Jonas Springer:
-
Make sound great again: Mit der CD 'Gravity's Rainbow' mit Kompositionen des Schweizers Michael Pelzel legt der Kairos-Verlag eine interessante, klangvolle Aufnahme vor, die am Ende viele Fragen offenlässt. Weiter...
(Jonas Springer, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Schilflieder im japanischen Frühling: Die Doppel-CD 'Aus leuchtender Romantik in dunkle Zeit' macht neugierig auf unbekannte Liederzyklen und Kammermusik. Weiter...
(Karin Coper, )
-
Belcanto-Oper für Arbeiter: Im Rahmen einer Tournee für die Arbeiterkammer Wien spielte das Ensemble der Wiener Staatsoper 1977 'Don Pasquale' in einer Mehrzweckhalle in der Steiermark. Mit dabei: die junge Edita Gruberova neben Tenor Luigi Alva. Weiter...
(Dr. Kevin Clarke, )
-
Bildgewaltige Erzählung: Schönbergs episches Oratorium ist in den Händen von Christian Thielemann und der Staatskapelle Dresden gut aufgehoben. Weiter...
(Thomas Gehrig, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich