
Si j'ai aimé - Sandrine Piau, Le Concert de la loge, Julien Chauvin
Zwischen Larmoyanz und Eintönigkeit
Label/Verlag: Alpha Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Sandrine Piau und das Originalklangensemble Le Concert de la Loge unter Julien Chauvin erwecken hörenswerte Archivschätze zum Leben. Doch aus möglicher Klangmagie wird schnell Eintönigkeit.
Beim Label Alpha gibt es wieder einmal Unbekanntes und Entdeckenswertes zu hören: französische Orchesterlieder der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Hector Berlioz bis hin zu Louis Vierne. Die Sopranistin Sandrine Piau spürt auf ihrem aktuellen Album 'Si j’ai aimé' mit dem Originalklangensemble Le Concert de la Loge unter der Leitung von Julien Chauvin den Facetten der Liebe nach. In Zusammenarbeit mit dem Palazzetto Bru Zane wurden einige der 2018 eingespielten musikalischen Schätze regelrecht geborgen, manch bekanntere Komposition fügt sich bestens in den Reigen dieser besonderen Lieder, wie zwei Lieder aus Berlioz‘ 'Le nuits d’été' oder das berühmte 'Plaisir d’amour' von Jean-Paul-Égide Martini in der Orchestration von Berlioz.
Das hier kombinierte Repertoire selbst fasziniert. Vor allem bietet es die Chance, beispielsweise Musik von Théodore Dubois kennenzulernen, dessen Name eher selten bis nie auf Konzertzetteln auftaucht. Das titelgebende Lied 'Si j’ai parlé … si j’ai aimé' stammt von Dubois und mausert sich zum ersten Höhepunkt des Albums, dicht gefolgt von Dubois‘ 'Sous le saule' aus den 'Chansons de Marjolie'. Das sind tatsächlich jene Nummern, in denen so etwas wie Klangzauber entsteht, in denen vor allem die Sopranistin interpretatorischen Mut beweist. Gerade in 'Sous le saule' wird Piau in Artikulation und Farbgebung überraschend aktiv, nutzt geschmackvoll ihr Brustregister, erschafft einen agilen Kosmos, der überzeugt und fesselt. Das ist deshalb so auffällig, weil ihr dies in nahezu allen anderen Liedern der CD nicht so recht gelingen will.
Beschränkte Ausdrucksmittel
Sandrine Piaus Stimme ist noch immer von edler Schönheit im Timbre, gesegnet mit Flexibilität und in ihrer Muttersprache mit tadelloser Diktion. All diese Qualitäten sind im eröffnenden Titel – Camille Saint-Saëns‘ 'Extase' – nachzuvollziehen, ergeben einen durchaus attraktiven Startschuss für ein erwartungsgemäß magisches Album. Doch je mehr Lieder am Hörer entlangklingen, umso mehr stellt sich Eintönigkeit ein. Zu ähnlich tönen die Herangehensweisen der Künstlerin, kontrastreiche Lebendigkeit ist unerwünscht. Hinzu kommt, dass Piaus Stimme in der Höhe deutlich spröder klingt als früher, der als jugendlich verkaufte Klang an Authentizität verliert. Die Stimme ist gereift, was es per se nicht zu bemängeln gilt, die Ausdrucksmittel sind aber beschränkt und ein latent larmoyanter Tonfall liegt über den ausgewählten Liedern. Was vor allem enervierend wirkt, ist das beständige Anschieben eines nahezu jeden Tones. So entstehen unzählige Crescendi innerhalb einer Phrase, was an die gefährlichen Manierismen einer nicht mehr taufrischen Natalie Dessay erinnert.
Am eintönigen Höreindruck ändert auch das farbig musizierende Orchester wenig, das zum Reigen der Lieder noch vier instrumentale Werke u. a. Jules Massenets 'Valse très lente' oder Henri Duparcs 'Aux étoiles' beisteuert und damit ein kurzes Durchatmen ermöglicht. Die Klangfarben sind aber fraglos reizvoll, gerade in den Streichern, die Transparenz beeindruckt. Wo Sandrine Piau gut aufgehoben scheint – neben den erwähnten Liedern von Dubois –, ist beispielsweise die 'Villanelle' von Berlioz, die mit ihrem lebhaften Gestus der omnipräsenten Larmoyanz entgegentritt oder auch das wunderbar schlicht vorgetragene 'Plaisir d’amour', das die CD versöhnlich beschließt. Dazwischen gibt es allerhand Hörenswertes von Jules Massenet, Gabriel Pierné, Charles Bordes, Alexandre Guilmant, Benjamin Godard und Camille Saint-Saëns, das in einer alternativen Interpretation vielleicht mehr Magie entfalten kann.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Si j'ai aimé: Sandrine Piau, Le Concert de la loge, Julien Chauvin |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Alpha Classics 1 07.06.2019 |
Medium:
EAN: |
CD
3760014194450 |
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Berlioz, Hector |
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Alpha Classics "Haute-Couture-Label", "Orchidee im Brachland der Klassikbranche" oder schlicht "Wunder", das sind die Titel mit denen das französische Label ALPHA von der Fachpresse hierzulande bedacht wird. In der Tat ist die Erfolgsgeschichte des Labels ein kleines Wunder. Honoriert wurde hiermit die Pionierlust und Entdeckerfreude des Gründers Jean-Paul Combet und die außerordentliche Qualität seiner Künstler und Ensembles (z.B. Vincent Dumestre, Marco Beasley, Christina Pluhar u.v.a.), aber auch die auffallend schöne, geschmackvolle Präsentation der Serie "ut pictura musica" mit ihren inzwischen mehr als 200 Titeln. Das schwarze Front-Layout und die Grundierung mit venezianischem Papier im Innern sind mittlerweile genauso zum Markenzeichen geworden wie die ausgesprochen stimmungsvollen Fotografien der Aufnahmesitzungen durch den Fotografen Robin Davies. Das Programm umfasst die Zeitspanne von der mittelalterlichen Notre Dame-Schule bis hin zur klassischen Moderne, doch ist nach wie vor ein deutlicher Schwerpunkt auf Alte Musik zu erkennen. Innerhalb des Labels möchte die zweite, auch "Weiße Reihe" genannte, Serie "Les Chants de la terre" die ältesten Quellen musikalischen Ausdrucks erkunden. Mit Virtuosität und Spielfreude widmet man sich hier dem Beziehungsfeld von schriftlich überlieferten und mündlich weitergegebenen Musiktraditionen, um alte Melodien zu neuem Leben zu erwecken. Trotz akribischer musikwissenschaftlicher Recherche geht es hier nicht um eindimensionale, akademisch trockene Werktreue, sondern um lebendigen Umgang mit altem Material. Mehr Info... |
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