
Lehár, Franz: Die lustige Witwe - Oper Frankfurt, Joana Mallwitz
'Gar oft hab ich's gehört!'
Label/Verlag: OehmsClassics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Durch diese Frankfurter 'Lustige Witwe' fegt in vielerlei Hinsicht ein frischer Wind. Und das tut ungemein gut.
„Gar oft hab ich‘s gehört!“ – Diese Formulierung verwendet Hanna Glawari, die lustige Witwe, in ihrem rauschenden Entrée des ersten Aktes. Und die Worte weisen auch treffend auf die ungebremste Popularität der 'Lustigen Witwe' von Franz Lehár und ihrer Musik hin. Da reiht sich ein Schlager an den anderen und unzählige Einspielungen dokumentieren die Aufführungstradition seit der Uraufführung 1905, von der es ebenfalls noch Aufnahmen gibt. Wenn also eine weitere Neueinspielung auf den Markt kommt, muss es gute Gründe haben, sich der tönenden Konkurrenz zu stellen. Der beim Label Oehms auf zwei CDs erschienene Livemitschnitt der 'Lustigen Witwe' aus der Oper Frankfurt hat jede Menge gute Argumente, neben all den erhältlichen Querschnitten, Mitschnitten und Studioeinspielungen gehört werden zu wollen.
Von allem das Beste
Da ist zuallererst die bestechende Besetzung der Titelpartie: Marlis Petersen. Die schwäbische Sopranistin ist für ihre Entdeckerfreude bekannt, für schillernde Grenzpartien wie Lulu, aber ebenso für ihre enorme Vielseitigkeit von Händel und Mozart bis hin zu Aribert Reimann. Wie mühelos und stilistisch unbeirrbar Marlis Petersen sich im Operettenfach bewegt, ist in dieser Livemontage von Mai und Juni 2018 aus Frankfurt zu hören. Sie verbindet Text und Musik mit zwingender Selbstverständlichkeit, die Artikulation ist glasklar, ihr Gesang ebenso. Dabei vereint sie die Wahrhaftigkeit einer Elfride Trötschel in dieser Partie mit dem Charme Hilde Güdens und der Strahlkraft der jungen Cheryl Studer – und doch bleibt es eine absolut authentische Marlis-Petersen-Interpretation, die von allem das Beste repräsentiert. Ihr jugendlicher, frischer Klang passt hervorragend zur trotz aller Melancholie energetischen Witwe, das funkelnde Timbre lässt in allen Lagen den Zauber von Lehárs Musik aufleben. So wenig ‚verkünstelt‘ und mit so unmittelbarer Direktheit hat man die Hanna Glawari selten gehört.
Ein weiteres Argument für diesen Mitschnitt ist das Dirigat von Joana Mallwitz. Da gibt es fast keine Passage, die aus der Routine einer langen Aufführungstradition zu stammen scheint und massenkompatibel abgespult wird. Vielmehr überrascht die Dirigentin mit mutigen Temposchwankungen, aufregender Agogik und tänzelnder Frische, die vom Frankfurter Opern- und Museumsorchester lustvoll umgesetzt werden. Hier wird nicht auf Standards zurückgegriffen, sondern ein ‚oft gehörtes‘ Werk neu entdeckt, als wäre es das erste Mal. Auch süffig und ein wenig kitschig darf es da mal werden. In dieser belebenden Mischung wird dadurch die Doppelbödigkeit der Operette nur noch greifbarer.
Befeuerte Fantasie
Die Modernität und Brüchigkeit der 'Lustigen Witwe' hat in Frankfurt 2018 der Regisseur Claus Guth für ein Konzept genutzt, das die Ebene eines Filmdrehs miteinbezieht – die 'Lustige Witwe' wird verfilmt und die Darsteller erleben so manche Wendung der Operette auch im ‚echten‘ Leben. Durch diesen Kunstgriff entstehen beim Hören der für die CD-Veröffentlichung zweckdienlich eingekürzten Dialoge einige Irritationen, weil sich ohne Bild nicht erschließt, warum plötzlich jemand mit Operetten-Balkan-Akzent spricht und kurz darauf nicht mehr. Allerdings gewöhnt man sich an diese Schwankungen und letztlich befeuern sie beim erneuten Durchhören die Fantasie.
Während Marlis Petersen regelrecht brilliert, hat es ihr Bühnenpartner deutlich schwerer: Iurii Samoilov bringt für den Danilo eine interessante Portion herber Klanglichkeit mit. Aber abseits von seiner souveränen Bewältigung des Notentextes, lässt dieser ‚Lottergraf‘ so einiges an Charme vermissen. Auch der baritonale Schmelz will Samoilov in Lehárs Musik nicht so recht aus der Kehle fließen. Selbst das Lied von den beiden Königskindern im Finale des zweiten Aktes erreicht nicht jene Emotionalität, die vielen Rollenvorgängern (die teilweise weitaus weniger Stimme besaßen) gelungen ist. Doch dieses Rollenporträt einzig anhand des Tondokuments zu beurteilen, fällt schwer. Gerade in der Operette ist der Gesang einfach nur die halbe (wenngleich wichtige) Miete. Vielleicht erschließt sich Samoilovs Danilo erst in Kombination mit Spiel und Mimik.
Martin Mitterrutzner und Kateryna Kasper lassen als Valencienne und Camille musikalisch keine Wünsche offen. Sie werfen sich leidenschaftlich und mit viel Augenzwinkern ins Zeug und verstehen es, mit viel Stimmschönheit zu punkten. Der Zeta von Barnaby Rea erscheint in der Tongebung ein wenig grob und sprachlich schwierig, funktioniert aber fraglos als gehörnter Ehemann. Von Pritschitsch und Praskowia, in Gestalt von Franz Mayer und Margit Neubauer, würde man gerne mehr erleben und auch alle anderen Partien sind absolut rollendeckend besetzt. Durch diese Frankfurter 'Lustige Witwe' fegt in vielerlei Hinsicht ein frischer Wind. Und das tut ungemein gut.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Lehár, Franz: Die lustige Witwe: Oper Frankfurt, Joana Mallwitz |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
OehmsClassics 2 14.06.2019 |
Medium:
EAN: |
CD
4260034869837 |
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Lehár, Franz |
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OehmsClassics Ein erfülltes Leben ist ohne Musik kaum denkbar. Musik spiegelt unsere Wahrnehmung der Umwelt und die Realität heutiger wie vergangener Zeiten. Gute Musik ist immer neu, immer frisch, immer wieder entdeckenswert. Deshalb bin ich überzeugt: Es gibt nicht -die- eine, definitive, beste Interpretation der großen Werke der Musikgeschichte. Und genau das macht klassische Musik so spannend: Jede Musikergenerationen experimentiert, entdeckt neue Blickwinkel, setzt unterschiedliche Schwerpunkte - derselbe Notentext wird immer wieder von anderen Strömungen belebt. Deshalb ist ein Musikstück, egal aus welchem Jahrhundert, auch immer Neue Musik. OehmsClassics hat es sich zur Aufgabe gemacht, am Entdecken der neuen Seiten der klassischen Musik mitzuwirken. Unser Respekt vor den künstlerischen Leistungen der legendären Interpreten ist gewiss. Unser Ziel als junges CD-Label sehen wir jedoch darin, den interpretatorischen Stil der Gegenwart zu dokumentieren. Junge Künstler am Anfang einer internationalen Karriere und etablierte Künstler, die neue Blickwinkel in die Interpretationsgeschichte einbringen - sie unterstützen wir ganz besonders und geben ihnen ein Forum, um auf dem Tonträgermarkt präsent zu sein. Sie, liebe Musikhörer, bekommen damit die Gelegenheit, heute die Musikaufführung zu Hause nachzuvollziehen, die Sie gestern erst im Konzertsaal oder Opernhaus gehört haben. Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns die neuen Seiten der klassischen Musik zu erleben!
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