
Mercadante, Saverio: Didone Abbandonata - Academia Montis Regalis, Coro Maghini, Alessandro de Marchi
Mit und ohne Werktreue
Label/Verlag: Naxos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Innsbrucker Wiederbelebung von Mercadantes 'Didone abbandonata' überzeugt weder musikalisch noch szenisch rundum.
Wenn eine Opernproduktion sich im musikalischen Bereich mit großer Akkuratesse bemüht, historische Situationen wieder lebendig werden zu lassen, die Regie sich aber nicht um diesen Anspruch kümmert, werden die Musikkritiker gerne gescholten, da sie ja ‚ewig gestrig‘ seien. Dies bei einer vom Repertoire so vielfach musealen Kunstform behaupten zu wollen, ist ebenso absurd wie unlogisch. Doch fehlt offenbar vielen Regisseuren die Kenntnis, die Phantasie und das Verständnis für eben jenes, mit dem sie sich befassen zu wollen vorgeben. Das Ergebnis führt nicht selten (auch an renommiertem Ort) auch im Publikum zum Aufstöhnen: ‚Nicht schon wieder‘ und vielleicht gelegentlich das erfreute Seufzen: ‚Diesmal musste ich gar nicht die Augen zumachen, so schlimm war es gar nicht.‘ Im Booklet der vorliegenden Produktion geht Alessandro De Marchi, Leiter der Academia Montis Regalis und seit langem auch im Bereich historische Interpretation der Belcanto-Oper aktiv, ausführlich auf aufführungspraktische Details ein. Über die Inszenierung und ihre (Nicht-?)Korrelation mit dem musikalischen Zugang erfahren wir im Booklet nichts.
Ungewohnte Konzeption
Dabei ist der Komponist Saverio Mercadante nun wahrlich nicht häufig auf der Opernbühne anzutreffen. Seine 'Didone abbandonata' erlebte ihre Uraufführung 1823 in Turin; die Wiederaufführung fand 2018 im Rahmen der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik statt. Das Werk ist in seiner Konzeption durchaus ungewohnt, verzichten Mercadante und sein Librettist Andrea Leone Tottola doch weitgehend auf Arien oder Duette Didones oder Eneas – von einer Cavatina Didones im ersten Akt und einem verhältnismäßig kurzen Schlussrondo mit Chor gegen Ende des zweiten abgesehen. Das Werk erfordert sechs Solisten und einen Männerchor, ist somit von den Besetzungsanforderungen gar nicht so weit von einigen Rossini-Opern entfernt.
Jürgen Flimm verkleinert dramatisch die Wirkung des Sujets, indem er auf die mythische Ebene verzichtet und sich auf die zwischenmenschlichen Aspekte konzentriert. Dies bedeutet aber auch, dass der heroische Aspekt einer karthagischen Königin und eines griechischen Kriegers vollständig entfällt. So liegt die Auseinandersetzung weniger bei der Realisierung von Text und Musik als vielmehr in der Schaffung einer neuen Handlung. Allerdings ist auch die Personenführung reduziert, immer wieder müssen die Sänger statuarisch ans Proszenium treten (dies ist sicher nicht nur der Akustik des Tiroler Landestheaters geschuldet).
Nicht optimal
Leider kann De Marchi keine optimale Wiedergabe bieten. Die Academia Montis Regalis versteht Mercadantes Musik vorzüglich, wenn auch die Bläser nicht immer ganz sicher sind. Der Coro Maghini steuert eine solide Leistung bei. Solistisch liegt leider auf unterschiedliche Weise allerhand im Argen. Viktorija Miškūnaitė (Didone) ist rein vokal ein frischer, gut ansprechender Koloratursopran von attraktiver Farbe, wenn auch kein, wie Mercadante schrieb, ‚Soprano assoluta‘: Gerade auch vokal mangelt es ihr an Majestät, während sie über feine lyrische Farben verfügt; weitgehend überzeugend ist sie erst im Schlussgesang.
In der Hosenrolle des Enea verfügt Katrin Wundsam über reifen, unsinnlichen Mezzosopran, nicht selten mit unsteter Klangbildung. Selene (Didones Schwester) wird von Emilie Renard mit klarem, frischem, gesundem Sopran gegeben – wohl insgesamt überzeugendste Leistung unter den Sängerinnen. Die Herrenriege bietet mit Dietro Di Bianco einen basswabernden Osmida (Vertrauter Didones, heimlich in Didone verliebt), mit dem Tenor Carlo Vincenzo Allemano einen klanglich zwar etwas matten, weil sich in die Tiefe zwingenden, aber heroisch-kraftvollen maurischen Feldherrn Jarba (gleichfalls ein ehemaliger Verehrer Didones), und in dem Tenor Diego Godoy einen unimaginativen, aber vokal ordentlichen Araspe (Offizier Jarbas). Von einer vorbildlichen vokalen Leistung kann also leider gleichfalls nicht gesprochen werden. Wie schwierig es ist, heute Belcanto-Opern rollendeckend und musikalisch überzeugend zu besetzen, erweist sich auch mit dieser Produktion. Schade um die farbenfrohe orchestrale Darbietung.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mercadante, Saverio: Didone Abbandonata: Academia Montis Regalis, Coro Maghini, Alessandro de Marchi |
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Label: Anzahl Medien: |
Naxos 1 |
Medium:
EAN: |
DVD
747313563050 |
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Mercadante, Saverio |
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