
Henze, Hans Werner: Heliogabalus Imperator, Works for orchestra - Anssi Karttunen, BBC Symphony Orchestra, Oliver Knussen
Klanglicher Überfluss
Label/Verlag: WERGO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Oliver Knussen und der Cellist Anssi Karttunen legen exquisite Ersteinspielungen von Hans Werner Henzes Orchesterwerken vor.
Hans Werner Henze, einer der bedeutendsten Komponisten des vergangenen Jahrhunderts und berühmt vor allem für seine Opern und die zehn Sinfonien, hinterließ ein umfangreiches und vielfältiges Werk. Der bei WERGO erschienene Tonträger versammelt in chronologischer Reihung vier Orchesterwerke aus vier Jahrzehnten, drei davon in Ersteinspielungen (was bei einem so renommierten Komponisten überraschen mag).
Das jüngste Stück, zugleich das letzte Werk des 2012 verstorbenen großen Einzelgängers, bildet den Abschluss (und ist bereits auf CD erschienen). Die 'Ouvertüre zu einem Theater' des 86-Jährigen gerät mit ihren heiteren Fanfaren und den weiten Melodiebögen der Violinen zu einer Feier des Lebens. Das BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Oliver Knussen zieht auch hier alle Register. Da der britische Dirigent (und Komponist) 2018 verstarb, hat diese Produktion den Charakter eines Vermächtnisses; das hebt auch der mit Knussen befreundete Cellist Anssi Karttunen in seinem Vorwort hervor.
Ringen um Schönheit
Als Solist tritt Karttunen im 1986 uraufgeführten Cellokonzert 'Englische Liebeslieder', das Henze auf Gedichtvorlagen komponierte, in Erscheinung: mit tragfähiger, warmer Tiefe und leuchtender Höhe, ausgeprägtem Gespür für die intimen Momente und die Sehnsuchtsgesten, in denen sich Henzes fast schon sprichwörtliches Ringen um Schönheit artikuliert. Hier herrscht ein klanglicher und gestischer Überfluss, den Solist und Orchester mit geradezu klassizistischer Klarheit darbieten. Der sechste und letzte, vom Klavier eingeleitete Satz ('Sonett') mündet in ein elegisches Streichquartett.
Das titelgebende Werk 'Heliogabalus Imperator' (1972 fertiggestellt, hier in der revidierten Fassung von 1986) ist eine ‚Allegoria per musica‘ und waschechte Sinfonische Dichtung über den römischen Kaiser Elagabal, der der Dekadenz und orientalischen Kultur zuneigte und im Jahre 222 ermordet wurde. Das britische Spitzenorchester und sein Dirigent arbeiten die verschiedenen Facetten des halbstündigen Werks – mit Holzblässerflattern und Blechbläserblöcken – deutlich heraus: das Grelle, Protzige und Vulgäre, das Feierliche und Verletzliche, Erotische, Bedrohliche und Willkürliche. Die Streicher tun sich besonders hervor. Gut allerdings, wenn das ‚Programm‘ in Ansätzen vorliegt – eine Art Handlungsfaden, dem sich die einzelnen Episoden zuordnen lassen, wie er im exzellenten Booklet dargelegt wird; denn die Gefahr, dass dieses imaginäre Theater in seine Einzelteile zerfällt, wird hier zwar gebannt, bleibt aber latent bestehen.
In die mediterrane Sphäre weisen auch 'Los Caprichos' (1963) mit ihren eigentlich nur oberflächlichen Bezügen zu Goyas Radierungen. Auch hier bestechen die Klangsinnlichkeit, die intensiven Farben und die genaue Abstufung der Register. Die lichte Interpretation verströmt südliche Wärme. Apropos: Henzes Anwesen in der Nähe von Rom steht zum Verkauf (Stand: Anfang Juli), ein bedeutender Teil seiner materiellen Hinterlassenschaft schwebt in Gefahr. Der vorliegende Tonträger immerhin ist ein würdiges Vermächtnis.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Henze, Hans Werner: Heliogabalus Imperator, Works for orchestra: Anssi Karttunen, BBC Symphony Orchestra, Oliver Knussen |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
WERGO 1 30.04.2019 |
Medium:
EAN: |
CD
4010228734423 |
![]() Cover vergössern |
Henze, Hans Werner |
![]() Cover vergössern |
WERGO Als 1962 die erste Veröffentlichung des Labels WERGO erschien - Schönbergs "Pierrot lunaire" mit der Domaine musicale unter Pierre Boulez -, war dies ein Wagnis, dessen Ausgang nicht abzusehen war. Werner Goldschmidt, ein Kunsthistoriker, Sammler und Enthusiast im besten Sinne, war es, der - gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Helmut Kirchmayer - den Grundstein zu dem Label legte, das seit inzwischen 50 Jahren zu den führenden Labels mit Musik unserer Zeit zählt. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag WERGO:
-
'Spannungslage einer Wohlstandsgesellschaft': Klanglich vorzüglicher Uraufführungsmitschnitt eines vielgestaltigen 'Oratoriums'. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Faszinierende Klangwelten aus der Quelle der Stille: Matthias Kaul überzeugt mit John Cage. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Klanglich zerrissen: Diese Einspielung von Manfred Trojahns zweitem Streichquartett hat Referenzcharakter. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Dennis Roth:
-
Ein wildwüchsiger Bruckner: Bruckners 'Linzer Sinfonie', überzeugend dargeboten von der Staatskapelle Dresden. Weiter...
(Dr. Dennis Roth, )
-
Verbindlicher Abschied: Die Essener Philharmoniker interpretieren Mahlers Neunte Sinfonie. Weiter...
(Dr. Dennis Roth, )
-
Zu verbindlich: Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Christoph-Mathias Mueller und die chinesische Geigerin Tianwa Yang widmen sich Wolfgang Rihms Werken für Violine und Orchester. Weiter...
(Dr. Dennis Roth, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Später Brahms, frisch präsentiert: Michael Collins und Stephen Hough überzeugen als kammermusikalisches Duo. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Gelungene Zeitreise: Das Teatro Regio Torino unternimmt eine Rekonstruktion der Uraufführung von Puccinis 'La Bohème'. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Virtuos, aber klanglich nicht optimal: Bläser-Kammermusik vom Trio bis zum Sextett: Vier Werke aus der Feder von Jean Françaix in technisch sehr guten, klanglich nicht optimalen Interpretationen. Weiter...
(Dr. Michael Loos, )
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich