
Grieg: Lyric Pieces, Mendelssohn: Lieder ohne Worte - Denis Kozhukhin, Klavier
Große Unterhaltung in kleinen Stücken
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Je weniger Musiker, desto fesselnder manchmal das Ergebnis: Der Pianist Denis Kozhukhin zeigt in Mendelssohns 'Liedern ohne Worte' und Griegs 'Lyrischen Stücken' eine ganze Bandbreite an Emotionen, gepaart mit technischer Finesse.
Denis Kozhukhin lässt sich ungern in eine Schublade stecken, scheint es. Nachdem er auf seinen vorherigen Einspielungen von Haydns Klaviersonaten über Tschaikowskys Klavierkonzerte bis hin zu Konzerten von Ravel und Gershwin bereits ein beeindruckendes Repertoire vom 18. bis 20. Jahrhundert aufgestellt hat, ist sein neues Solo-Album eine angenehme Überraschung. Statt des großen Orchesterklangs erwarten uns auf der bei Pentatone erschienen CD 26 Klavierminiaturen von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809–1847) und Edvard Grieg (1843–1907) – kaum eine länger als drei Minuten.
Spätestens mit dem ersten Preis des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs in Brüssel 2010 startete Kozhukhins Karriere als aufstrebender Nachwuchspianist durch, mittlerweile hat er sich als feste Größe auf den Konzertbühnen dieser Welt etabliert. Nachdem er zuletzt vor allem Orchesterproduktionen eingespielt hat, scheinen ihm die hier versammelten Werke – Mendelssohns 'Lieder ohne Worte' und Griegs 'Lyrische Stücke' – eine Herzensangelegenheit zu sein, denn mit ihnen zeigt sich der Musiker ganz nah und persönlich. Da sowohl Grieg als auch Mendelssohn im Laufe mehrerer Jahrzehnte ganze Sammelbände mit ihren Miniaturen gefüllt haben, musste Kozhukhin für sein Programm allerdings eine exemplarische Auswahl treffen, die der Diversität der Sammlungen gerecht wird.
Formen- und Stilvielfalt
Mendelssohns 'Lieder ohne Worte' halten genau das, was sie versprechen – in ihnen spiegelt sich die seinerzeit verbreitete Formen- und Stilvielfalt deutscher Liedkultur. Ausgerichtet auf das Klavier als Alleinunterhalter erklingen Duette, Baccarolen oder auch Spinnlieder, ohne dass die Gesangsstimme wirklich vermisst würde. Meist fangen die ‚Lieder‘ ganz bestimmte Stimmungen ein und genau darauf konzentriert sich auch Kozhukhin in seinen Interpretationen. Technisch muss er weder sich noch den Zuhörern etwas beweisen und so kreiert er einen reduzierten, vollkommen natürlichen Klang, dessen Stärke in der individuellen Ausgestaltung liegt.
Op. 19 Nr. 4 entpuppt sich unter seinen Händen als mysteriöse Arie mit viel Tiefgang, für die der Pianist einen differenzierten Anschlag einsetzt und dabei auf klare Töne achtet. Für das Duett Op. 38 Nr. 8 nimmt er hingegen gleich zu Beginn viel Schwung, den er bis zum Ende aufrechterhalt und stellenweise sogar noch steigert, ohne durch die Passage zu hetzen. Und selbst wenn ein Werk wie das 'Venezianische Gondellied' op. 30 Nr. 6 eher auf leise Töne setzt, hält Kozhukhin die Spannung bis zum Schluss hoch. Hier stellt er, ebenso wie in Op. 30 Nr. 2, völlig unaffektiert sein Gespür für musikalische Bögen zur Schau.
In seinen 'Lyrischen Stücken' versammelte Grieg neben wunderschönen Melodien ohne programmatischen Hintergrund auch liebevolle Porträts seiner Heimat Norwegen. Für diese Musik verändert Kozhukhin seinen Klang, zwar in feinen Nuancen, aber dennoch hörbar. Er gestaltet ihn noch sanfter, introvertierter, aber auch verspielter. Der Musiker geht der Idee hinter jedem Werk auf den Grund und entwickelt eine eigene, klare Vorstellung, die er dem Zuhörer ans Herz legt – so zum Beispiel op. 12 Nr. 4 'Elfentanz' oder der freche Walzer op. 12 Nr. 2. Trotz seiner Kürze von 1'40 min. ist letzterer in mehrere Abschnitte unterteilt, die der Pianist akzentuiert herausarbeitet. Noch witziger ist seine Interpretation von op. 54 Nr. 3 'Zug der Zwerge', in der er einerseits das Tempo stetig anzieht, andererseits ebenso der ruhigen Passage Gelegenheit gibt zu wirken.
Vielschichtige Entwicklung
In der 'Elegie' op. 38 Nr. 6 tastet sich Kozhukhin bewusst langsam an die musikalische Sprache Griegs heran, wird stetiger selbstbewusster und lässt das Klavier gegen Ende tanzen – innerhalb weniger Minuten demonstriert er hier eine überzeugende vielschichtige Entwicklung, die anzuhören richtig Spaß macht. Auch wenn es der letzte Titel des Albums ist, stellt op. 65 Nr. 6 'Hochzeitstag auf Troldhaugen' einen seiner Höhepunkt dar. Die Inspiration zur Musik erhielt Grieg durch seine eigene Silberhochzeit, die er auf dem Familiensitz feierte. Fröhlich und gleichzeitig pompös genießt Kozhukhin den Wechsel von großen Gesten und intimen Momenten, die das Werk so lebendig machen. Dies ist eine Stärke des Musikers: Er entwickelt eine klare Vorstellung seiner persönlichen musikalischen Aussage und setzt so die Titel eindeutig in Szene. Umso bedauerlicher ist, dass das Booklet keinerlei Informationen zum Interpreten enthält.
Sein farbenfrohes Spiel in den Miniaturen basiert vor allem auf Leichtigkeit und Schnelligkeit. Die sehr gute Tonqualität der Aufnahmen fängt auch die feinen Nuancen des Instruments ein und unterstützt außerdem die Entstehung einer intimen Stimmung. Eine lebendige Ausgestaltung, feine Differenzierungen in Tempo und Dynamik sowie eine ungekünstelte Herangehensweise sorgen für kurzweile Unterhaltung und machen diese CD zu einer Empfehlung nicht nur für Klavierliebhaber.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Grieg: Lyric Pieces, Mendelssohn: Lieder ohne Worte: Denis Kozhukhin, Klavier |
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Label: Anzahl Medien: |
Pentatone Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
827949073465 |
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Grieg, Edvard |
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