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Sonntag, 26. März 2023

Böddecker, Philipp Friedrich: Sacra Partitura - I Sonatori, Knut Schoch, Christa Kittel, Ursula Bruckdorfer, Barbara Messmer

Impulse


Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Böddecker zu protegieren ist eine verdienstvolle Sache. Knut Schoch und I Sonatori geben dem Repertoire immer wieder solch vernehmliche Impulse. Gut so.

Mit Philipp Friedrich Böddecker (1607–1683) bekommt auf einer aktuell beim Label Christophorus erschienenen Platte ein Komponist das Wort, der in den Jahren nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges das musikalische Leben am württembergischen Hof in Stuttgart maßgeblich prägte. Seit 1652 als Organist an der Stiftskirche tätig, war er schon zuvor auch komponierend aktiv: Früchte seiner Straßburger Zeit waren unter anderem die Motetten der 'Sacra Partitura', die 1651 gedruckt worden waren und inspirierte Musik auf der Höhe ihrer Zeit sind. Das macht die Einspielung mit dem kleinen Ensemble I Sonatori und dem Tenor Knut Schoch deutlich.

Italienisch durchweht

Die feine Sammlung von Anspruch und Qualität ist klar italienisch durchweht, deutet die Texte entschieden und intensiv, integriert mit leichter Hand ältere Vorlagen: In 'Veni Salvator' klingt das lutherische Adventslied 'Nun komm der Heiden Heiland' an, im weihnachtlichen 'Natus est' ist das bekannte 'Joseph, lieber Joseph mein' gespiegelt und in 'Christ lag in Todesbanden' scheint die Melodie des entsprechenden, von Luther textierten Osterchorals auf. Ergebnis sind Solo-Motetten, die strukturell und affektiv mit den allfälligen geistlichen Konzerten der Zeit verwandt sind. Neben diesen vokal geprägten Werken sind auch Sonaten feinen Zuschnitts vertreten: Böddecker selbst bietet in seiner 'Sonata sopra ‚La Monica‘' dem Fagott eine famose Spielwiese und entfaltet in einer anderen Sonate einen respektablen Violinpart.

Neben Böddecker ist dessen vormaliger Lehrer Johann Ulrich Steigleder (1593–1635) instrumental vertreten: Seine Variationen über 'Daß Vatter unser' sind fein ausgehörte, dem Material kunstvoll abgewonnene Preziosen, die in vielerlei Konstellation Eindruck zu machen geeignet wären – auch hier, in der Kammerversion oder im solistischen Räsonieren des Cembalos. Schließlich ist eine Sonate von Samuel Capricornus (1628–1665) zu hören, Böddeckers Kollegen – und vielleicht auch Konkurrenten um die Position des Kapellmeisters am Hof, die schließlich der Jüngere bekam – in Stuttgart: Ein substanzreiches Werk von Anmut und Zauber, das zeigt, welche musikalische Klasse am württembergischen Hof in jener Zeit versammelt war.

Intensive Kammermusik

Der Hamburger Tenor Knut Schoch ist ein stimmlich wendiger, stilistisch ungemein kundiger Sänger, der sich neben den Standards immer wieder auch eher randständigem Repertoire des Barock widmet: Scheidt und Franck stehen ganz selbstverständlich neben Keiser, Mattheson, Selle oder Knüpfer. Und er plädiert auch hier, bei Böddecker und Kollegen, überzeugend und mit Klasse: mit einer natürlichen, zugleich vorzüglich klaren Diktion, technisch überzeugend, mit sprudelnder Geläufigkeit und leichtkehlig gesetzten Verzierungen, in pointierter, nur selten nicht perfekt harmonisch ausbalancierter Vokalbehandlung. Im Zusammenwirken mit den Instrumenten etabliert Schoch ein stetes Spannungsverhältnis zwischen kleinteiligen, diminutiven Impulsen und den wirklich großen Linien der älteren Vorlagen.

Christa Kittel auf der Violine, Ursula Bruckdorfer auf dem Bassdulzian, Barbara Messmer auf der Viola da gamba und Isolde Kittel-Zerer auf Cembalo und Truhenorgel formulieren ein höchst kultiviertes, fein ausgehörtes, kammermusikalisch konzentriertes Ensembleideal aus – in schmaler, in ihren Wirkungen gleichwohl bemerkenswert variabler Besetzung. Dynamisch wird das Feine betont, die heikle Differenz: Allerdings vermisst man auftrumpfende Gesten nicht – sie wären in derart delikatem Material auch denkbar unangebracht. Intoniert wird makellos, schwebend-frei, in geglückter Interaktion zwischen instrumentaler und vokaler Ebene. Das Klangbild ist gesammelt, fein strukturiert, von plastischer und klarer Gestalt; die kammermusikalische Intensität des Geschehens wird ganz unmittelbar erfahrbar. Böddecker zu protegieren ist eine verdienstvolle Sache. Knut Schoch und I Sonatori geben dem Repertoire immer wieder solch vernehmliche Impulse. Gut so.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Böddecker, Philipp Friedrich: Sacra Partitura: I Sonatori, Knut Schoch, Christa Kittel, Ursula Bruckdorfer, Barbara Messmer

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Christophorus
1
03.05.2019
Medium:
EAN:

CD
4010072774330


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Böddecker, Philipp Friedrich


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Christophorus

Christophorus ist das älteste deutsche Plattenlabel mit dem Schwerpunkt "Geistliche Musik". Es wurde 1935 gegründet, um religiöse Inhalte mittels Schallplatten und Bücher auch während des Nazi-Regimes zu verbreiten. Heute - mehr als 75 Jahre später - stehen spirituelle Themen weiterhin im Mittelpunkt des Labels, mit besonderem Interesse für unbekannte Werke und historische Interpretation. Gregorianische Gesänge, geistliche Vokalmusik, Musik der christlichen Kirchen und die Gesänge aus Taizé sind im Katalog ebenso vertreten wie Musik des Mittelalters und der Renaissance. Mit diesem Repertoire gilt Christophorus heute als eines der wichtigsten unabhängigen Labels auf dem internationalen Klassikmarkt.


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