
Verdi, Donizetti - Michael Fabiano, London Philharmonic Orchestra, Enrique Mazzola
Tenorale Kraftmeierei
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Man ist hin- und hergerissen beim Hören des vorliegenden Solo-Album des amerikanischen Tenors Michael Fabiano irgendwo zwischen Faszination für dieses besondere Timbre und einer ebenso deutlichen Portion Enerviertheit.
Man ist hin- und hergerissen beim Hören des vorliegenden Solo-Album des amerikanischen Tenors Michael Fabiano – irgendwo zwischen Faszination für dieses besondere Timbre und einer ebenso deutlichen Portion Enerviertheit angesichts der testosterondurchtränkten Interpretationen. Der Künstler ist schon lange kein Unbekannter mehr, entsprechend hoch sind die Erwartungen an ein ambitioniertes Programm mit populären, aber auch raren Tenorarien aus frühen bis mittleren Verdi-Opern und spätem Donizetti. Doch Fabiano will es trotz edlem Timbre und attraktivem Stimmkern nicht gelingen, mit dieser CD eine vielversprechende Visitenkarte abzugeben.
Dabei wäre so Einiges in dieser Zusammenstellung dazu prädestiniert, die Stärken des Sängers zu unterstreichen. Als Herzog in Verdis 'Rigoletto' ist Michael Fabiano ein vielgefragter Gast an internationalen Opernhäusern. Wer seinen Poliuto in Donizettis gleichnamiger Oper 2015 in Glyndebourne erlebt hat, weiß, wie mitreißend und überzeugend Fabianos Bühnenfiguren sein können. Auch jenseits italienischer Belcanto-Partien hat der Sänger viel zu bieten: Als Alfred in der 'Fledermaus' konnte er an der Metropolitan Opera vor einigen Jahren eine ordentliche Portion Humor und erotisierenden Tenorstrahl beweisen.
Stimmgeprotze
Und nun liegt beim Label Pentatone seine Verdi-Donizetti-CD vor, die im Spätsommer 2018 in London aufgenommen wurde, und auf der man viel zu oft kopfschüttelnd irritierende Manierismen und unangenehmes Stimmgeprotze hinzunehmen hat. Es gibt ein paar wenige Arien auf diesem Album, die ordentlich funktionieren. So gefällt sein agiles 'La donna è mobile' aus Verdis 'Rigoletto' mit effektvoll angepeilten Spitzentönen und auch Donizettis Poliuto weckt mit der Arie 'Fu macchiato l‘onor mio' Erinnerungen an ein gelungenes Rollenporträt.
Doch schon der einleitenden Rodolfo-Arie aus 'Luisa Miller' fehlt es an glaubwürdiger Emotionalität und Tiefgang. Fabiano geht auf Kraft und zeigt wenig Sinn für Farbgebung. Sein schönes Timbre erinnert immer wieder fatal an José Carreras, ohne den großen Vorgänger je zu imitieren. Überhaupt scheint Fabiano mit vielen Tenorlegenden vertraut: Da schimmert Franco Corelli bisweilen durch und auch Mario del Monaco lugt kraftmeierisch um die Ecke. Ein authentischer Fabiano-Sound ist schwer zu entdecken. Vielmehr eifert er offenkundig Vorbildern nach, setzt sich als leidenschaftlichen Operntenor akustisch in Szene. Das ist auf Dauer aber auch ungemein langatmig und eintönig. Jede einzelne Nummer klingt wie eine Kampfansage – an Bühnenfeinde oder einfach an die musikalische Herausforderung. Und nicht selten schrammt die temperament- und vordergründig glutvolle Herangehensweise die Parodie eines italienischen Operntenors.
So wirft er sich in Edgardos Schlussarie aus 'Lucia di Lammermoor' mächtig ins Zeug, gestaltet mit ungeheurer Dramatik und durchaus glaubwürdig das Rezitativ, um im Cantabile dann aber jegliche Düsternis oder Todesahnung vermissen zu lassen. Schnell überrollt ihn die Leidenschaft, die Höhen werden prahlend herausgeschleudert, nicht selten auf Kosten des Glanzes. Dieser Eindruck zieht sich durch den Großteil des eingespielten Programms. Es ist bestimmt nicht intendiert, zumal Michael Fabiano durchaus eine beeindruckende Stimme besitzt, aber man fühlt sich bei diesem Album permanent provokativ angeschrien. Das hinterlässt auch Spuren im oberen Register, das leicht heiser und angegriffen klingt.
Frei von Schmelz
Inhaltlich durchdacht und seelisch unter Druck serviert er die Arie des Chalais aus Donizettis 'Maria di Rohan', aber frei von Schmelz und ohne den Hörer einzufangen. Für den Riccardo in 'Un ballo in maschera' ist es noch gefährlich früh und bei 'Notte, perpetua notte' aus 'I due Foscari' hat man schon das Gefühl, es klänge ohnehin vieles gleich. Spannend sind tatsächlich die Urfassung der Alvaro-Arie aus der St. Petersburger Version von 'La forza del destino' oder die nachkomponierte Ernani-Arie für den Tenor Nicola Ivanoff.
Enrique Mazzola befeuert am Pult des London Philharmonic Orchestra die Vokalattacken entsprechend und bietet wenig mehr als ordentliche Routine. Es bliebe zu hoffen, dass Michael Fabiano sich auf differenziertere Gestaltung besinnen wird und die großen Verdi-Partien noch eine ganze Weile ruhen dürfen. Hoffen kann man ja mal...
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Verdi, Donizetti: Michael Fabiano, London Philharmonic Orchestra, Enrique Mazzola |
|||
Label: Anzahl Medien: |
Pentatone Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
827949075063 |
![]() Cover vergössern |
Donizetti, Gaetano |
![]() Cover vergössern |
Pentatone Classics PentaTone wurde im Jahr 2001 von drei ehemaligen Leitenden Angestellten der Philips Classics zusammen mit Polyhymnia International (dem ehemaligen Philips Classics-Aufnahmezentrum) ins Leben gerufen.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei... |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Pentatone Classics:
-
Große Formen: Pierre-Laurent Aimard intensiviert seinen Einsatz für Beethoven. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Alter Meister schenkt uns neue Ohren: Herbert Blomstedt und das Gewandhausorchester offenbaren Brahms. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Nicht einfach: Ein engagiertes Plädoyer für das Vokalschaffen Hans Sommers. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Benjamin Künzel:
-
Liebeswirren im Garten: Diese Veröffentlichung macht durchaus an vielen Stellen gute Laune und versöhnt ein wenig mit dem immer noch leicht sperrigen Werk. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Hinter Nebelschwaden: Sebastian Kohlhepps erstes Solo-Album punktet mit einem gelungenen 'Liederkreis' op. 39 von Robert Schumann und dem Klavierbegleiter Andreas Frese, hinterlässt aber auch zwiespältige Eindrücke. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Phönix aus der Asche: Diese Box 'Die wiederentdeckte Stimme' macht dem Plattensammler Freude und lässt einen abtauchen in Welten, die als verstummt gegolten hatten. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Russische Seele?: Elena Kuschnerova legt eine programmatisch fragwürdige, aber interpretatorisch überzeugende Aufnahme mit Klavierwerken von Alexander Lokshin und Sergej Prokofiev vor. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Gediegen: Philippe Herreweghes gelegentliche Erkundungen im Reich der Bach-Kantate gefallen. Sie sind auf eine – im Sinne der Erkenntnisse historisch informierter Praxis – klassische Weise gediegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Ausladend paraphrasiert: Vier Pianisten in perfekter Harmonie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich