
Holbrooke, Josef: Symphonic Poems III - Deutsche Radio Philharmonie, Howard Griffiths
Jenseits der Tondichtungen
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine längst überfällige Erkundung der wichtigsten Orchestersinfonie eines weitgehend vergessenen Briten.
Eigentlich ist die vorliegende CD ein Etikettenschwindel, denn nur eines der drei Werke von Josef Holbrooke ist tatsächlich ein ‚Poem for Orchestra‘: 'The Birds of Rhiannon' op. 87 (1923), eine Komposition, deren Ersteinspielung auf dem Label Lyrita vor diversen Jahrzehnten vom Sohn des Komponisten als minderwertig abgewertet wurde. Wenn der früheren Veröffentlichung etwas fehlte, dann am ehesten emotionale Tiefe (doch allein schon die orchestrale Virtuosität stellt nicht geringe Anforderungen). Nach dem London Philharmonic Orchestra unter Vernon Handley nun die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, unter einem Dirigenten, der sich in den vergangenen Jahrzehnten wie kein anderer um Holbrooke verdient gemacht hat: Howard Griffiths erkundet mit dem Orchester in der Tat weitaus mehr Klangfarben und Stimmungen als die nunmehr historische Pionierleistung; dennoch bleiben die deutschen Musiker an manchen Stellen zu zurückhaltend.
Schon 1905 wurden die Variationen 'The Girl I left behind me' op. 37 Nr. 2 uraufgeführt, ein Werk voller musikalischem Witz, in dem auch Material verarbeitet wurde, das jedes Jahr auf der Last Night of the Proms zu Gehör gebracht wird – warum also nicht auch einmal diese orchestrale Prachtnummer, die Holbrooke auch musikalisch in selbst den Fachmann überraschend starker Nähe zu Havergal Brian zeigt, wobei auch ein Frederick Delius nicht ganz fern ist. Griffiths und seine Musiker gehen voller Wonne ‚in die Vollen‘, und selbst wenn nicht jeder Witz von den Musikern verstanden wird, macht das Werk doch viel Freude.
Ganz eigen
Die zentrale Komposition der CD, die dritte Sinfonie 'Ships' op. 90 (1925), musste bis 1936 auf die Uraufführung warten – die in Budapest stattfand (mit den Konzertveranstaltern in Großbritannien zwischen den Weltkriegen hatte sich Holbrooke überworfen). Und weitere mehr als 80 Jahre mussten wir auf die erste Gesamteinspielung warten (ein kurzer Ausschnitt erschien auf einer Schellack-Plattenseite bei Decca und wurde sogar tatsächlich vor vielen Jahren auch auf CD vorgelegt). Das dreisätzige Werk, Holbrookes wohl bedeutendeste Orchestersinfonie, ist komplex und musikalisch und interpretatorisch anspruchsvoll – da gibt es Momente, die an Skrjabin erinnern, dennoch ist Holbrooke musikalisch insgesamt doch ganz eigen. Leider gelingt auch hier keine absolute Referenzeinspielung – die klanglichen Valeurs bleiben, etwa im Vergleich mit einer jüngst auf Dutton erschienen CD mit der Vierten Sinfonie, noch etwas zu ‚gelernt‘, zu wenig natürlich gewachsen. Dass der Verfasser dieser Zeilen, der fast sein halbes Leben auf eine Einspielung der Komposition gewartet hat, dennoch begeistert ist, liegt an dem hörbaren Engagement aller Beteiligten; wenn Holbrooke dann noch nicht die ‚erste Fremdsprache‘ des Orchesters ist, ist damit gut zu leben.
Die Holbrooke-Renaissance hat erst in den vergangenen zwanzig Jahren Fahrt aufgenommen – auch Buchpublikationen sind endlich erschienen (erste veröffentlichte Arbeiten des Verfassers fallen in die frühen 1990er-Jahre). So stehen mittlerweile auch endlich belastbarere Fakten für die Booklettexte zur Verfügung, so dass gerade jene, die bislang noch nie von dem Zeitgenossen Regers und Vaughan Williams‘, der sowohl seinen Nachnamen (von Holbrook zu Holbrooke) als auch seinen Vornamen veränderte (von Joseph zu Josef) und auch sonst kein einfacher Zeitgenosse war, gehört hatten, endlich nachhaltig informiert werden können.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Holbrooke, Josef: Symphonic Poems III: Deutsche Radio Philharmonie, Howard Griffiths |
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Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203504121 |
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Holbrooke, Josef |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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