
Händel, Georg Friedrich: Rinaldo - Lautten Compagney Berlin
Armida stiehlt die Show
Label/Verlag: Arthaus Musik
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Allein für die orchestrale Leistung und die Armida von Gesche Geier lohnt sich das Hören dieses Mitschnitts. Wirklich konkurrenzfähig ist dieser 'Rinaldo' vermutlich aber nicht.
Georg Friedrich Händel erzielte mit der 1711 für London komponierten Opera seria 'Rinaldo' seinen zu Lebzeiten größten Opernerfolg. Einige Male hat Händel den 'Rinaldo' umgearbeitet, Figuren hinzugefügt oder gestrichen, Stimmfächer gewechselt und damit auch Nummern ersetzt – aber im Opernalltag des 18. Jahrhunderts ist das nichts Ungewöhnliches. Seit einigen Jahrzehnten gehört 'Rinaldo' wieder zum festen Händel-Repertoire in Opernhäusern aller Größen, und das nicht erst im Zuge der boomenden Händel-Renaissance. Folglich liegen auch auf Tonträger einige lohnenswerte Einspielungen und Mitschnitte vor, die nicht selten vom Starrummel einzelner Mitwirkender zehren.
Solcherlei große Namen hat der bei Arthaus auf zwei CDs erschienene Mitschnitt vom Mai 2014 bei den Ludwigsburger Festspielen nicht zu verzeichnen. Das sagt nicht im Geringsten etwas über die qualitativen Leistungen der Solisten aus, aber es dürfte sich auf die Attraktivität der Veröffentlichung im Schatten der Christopher-Hogwood- oder René-Jacobs-Aufnahme auswirken. Hinzu kommt die Beobachtung, dass dieses CD-Set anscheinend bereits Teil der früheren DVD-Veröffentlichung dieses 'Rinaldos' war. Die in der Presse vielgelobte Aufführung mit Marionetten und den im Orchestergraben platzierten Sängern scheint sich auf DVD nicht überzeugend verkauft zu haben. Nun zieht das Label also mit der Tonspur nach.
Lebendigkeit und Spontaneität
Und was hier zu hören ist, überzeugt im Großen und Ganzen. Das Klangbild ist präsent und klar, die Livesituation sorgt für hörbare Lebendigkeit und theatrale Spontaneität. Besonders beeindruckend ist die Leistung der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner. Das ist virtuos musiziert, stets mit federnder Leichtigkeit und auf Transparenz bedacht. Alle Musiker agieren mit solistischer Prägnanz, fügen sich aber kongenial ins Ensemble. Schon die Ouvertüre packt den Hörer mit ihrer Sinnlichkeit und Spielfreude. Kleinere Einsätze des Schlagwerks würzen die Partitur geschmack- und effektvoll. So macht Händels Kreuzritter-Zauberoper im Orchestergraben unheimlich viel Spaß.
Das Sängerensemble wird von Antonio Giovannini als Rinaldo angeführt. Furchtlos stürzt er sich in die wildesten Verzierungen, findet seine besten Momente aber eher in den innigen Passagen, wie in 'Cara sposa' am Ende des ersten Aktes. Bei aller Souveränität vertrüge Giovanninis Interpretation aber noch eine Portion Brillanz und vokale Präsenz. Alle musikalischen Anforderungen sind wunderbar bewältigt – das Feuer der Begeisterung und Faszination entfacht dieser Rinaldo aber nicht. Ähnlich ergeht es dem Hörer mit Yosemeh Adjei als Goffredo, wenngleich dem Sänger mehr Farben zur Verfügung stehen und er vokal entschiedener zupacken kann. Wo sich Giovannini auf die Tonschönheit seines Countertenors verlassen kann, punktet Adjei mit Ausdruck. Der Eustazio von Owen Willetts dagegen besitzt beides: eine atemberaubend schöne Stimme und wohldosierte Expressivität. Schade, dass Eustazio verhältnismäßig wenig zu singen hat.
Bekenntnis zu lebendigem Musiktheater
Florian Götz stattet den Argante mit wohltönendem Bass und beeindruckend geläufiger Kehle aus, während Marie Friederike Schöder als Almirena vor allem durch die Zartheit und Reinheit ihres Gesangs besticht. Das klingt auf Dauer ermüdend schön, auch wenn die Arie 'Augelletti, che cantate' bezaubernd intoniert ist und das berühmte 'Lascia ch‘io pianga' seine Wirkung mitnichten verfehlt. Von ganz anderem Holz und damit auch am überzeugendsten ist die Sopranistin Gesche Geier als Armida. Sie ist im gesamten Ensemble diejenige, die wirklich ein vokales Bekenntnis zu lebendigem Operntheater zur Diskussion stellt. Nicht minder brillant wie ihre Kollegin rast sie durch die Koloraturketten, lässt Spitzentöne leuchten und versenkt sich in die Tiefen und Untiefen von Armidas Seelenleben. Mit Gesche Geier wertet eine fulminante barocke Operndiva im besten Sinn diesen Ludwigsburger 'Rinaldo' immens auf und begibt sich inhaltlich und energetisch auf ein Niveau mit Wolfgang Katschner und seiner Lautten Compagney Berlin.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Händel, Georg Friedrich: Rinaldo: Lautten Compagney Berlin |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Arthaus Musik 1 25.01.2019 |
Medium:
EAN: |
CD
4058407093800 |
![]() Cover vergössern |
Händel, Georg Friedrich |
![]() Cover vergössern |
Arthaus Musik Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Arthaus Musik:
-
Eine Künstlerpersönlichkeit: Begnadeter Pianist, exzellenter Dirigent, Autorität, Weltenbürger, Friedensstifter – es gibt viele Bezeichnungen, um die Persönlichkeit von Daniel Barenboim zu erfassen. Weiter...
(Christiane Franke, )
-
Geglücktes Debüt: André Hellers 'Rosenkavalier' in Berlin Weiter...
(Thomas Gehrig, )
-
Mit Musik von der falschen Konserve: Choreografisch spannende, musikalisch hochproblematisch Ballettproduktionen von 1917 und 1920 rekonstruiert. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Benjamin Künzel:
-
Ein gut gemeintes Präsent: Die Wiener Symphoniker gratulieren Franz Lehár mit viel Erwartbarem zum 150. Geburtstag. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Herzenstöne: Ein so unprätentiöses und zugleich leidenschaftliches Album wie dieses von Sarah Wegener und Götz Payer hört man viel zu selten. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Forderndes Märchen-Oper-Hörspiel: Udo Zimmermanns 'Der Schuhu und die fliegende Prinzessin' liegt erstmals nahezu komplett auf CD vor als eindrucksvolles Projekt des Theaters Chemnitz. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Halbfinale: Ein Projekt auf der Zielgeraden: Gregor Meyer steuert mit dem siebten Teil des geistlichen Gesamtwerks von Johann Kuhnau auf das Finale zu. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Abschiedsgabe: Wolfgang Carl Briegel ist sicher einer jener Komponisten, die zu unterschätzen aus heutiger, auf wenige Größen verengter Perspektive, mancher Gefahr laufen könnte. Das Ensemble Polyharmonique setzt dem ein entschiedenes Plädoyer entgegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Um den jüngsten Sohn: Varvara Manukyan ringt mit historischen Ästhetiken in aufnahmetechnisch problematischer Umgebung. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich