> > > Schneider, Friedrich: Das Weltgericht: Gewandhaus-Chor, Camerata Lipsiensis, Gregor Meyer
Montag, 25. September 2023

Schneider, Friedrich: Das Weltgericht - Gewandhaus-Chor, Camerata Lipsiensis, Gregor Meyer

Einflussreich und vergessen


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Ein wichtiges Oratorium des frühen 19. Jahrhunderts erklingt hier leider nur in einer mittelmäßigen Interpretation.

Friedrich Schneider (1786–1853) gehört zu jenen Komponisten, die für eine gewisse Zeit regelrecht für Furore sorgten, ehe sie für viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte in den Schatten der Vergessenheit gerieten. Sein ambitioniertes Oratorium 'Das Weltgericht', 1820 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt, gehörte eine Zeitlang gar zum regelrechten Werkkanon und war kaum weniger bekannt als Beethovens 'Christus am Ölberge' und Spohrs 'Die letzten Dinge'. Vorbild für Schneider war eindeutig immer wieder auch Haydn, ganz besonders die 'Schöpfung'. Was Wunder, sind doch Engel (und die Erzengel im Besonderen) als Gegenpole Satans zentrales Element der musikalischen Konzeption. Das Libretto des Oratoriums stammte von Johann August Apel, mithin jenem Schriftsteller, der in seinem 'Gespensterbuch' die Vorlage zu Webers 'Freischütz' schuf. Und so finden wir neben Haydn auch Weber und Marschner als Klangwelten, in Schneiders Komposition Eingang fanden. Es ist eindeutig, dass Robert Schumann das Werk kannte, und selbst in Brahms‘ Chorsymphonik finden sich Spiegelungen von Schneiders Oratorium.

Frische und Überforderung

 

Einen beachtlichen Anteil am musikalischen Geschehen hat der Chor. Die vielen Chorfugen des Werks, das weiß der Verfasser aus eigener Erfahrung, können ermüdend sein, gerade wenn sie nicht musikalisch und dramaturgisch ausgearbeitet werden. Leider ist der GewandhausChor Leipzig immer wieder musikalisch wie textausdeuterisch eindeutig überfordert – intonatorische Schwächen sind in dieser Live-Montage von November 2016 unüberhörbar, und was der Chor an musikalischer Frische beisteuert, kann über interpretatorische Überforderung nicht hinwegtäuschen.

 

Auch das Engelsquartett Martina Rüping, Marie Henriette Reinhold, Patrick Grahl und Daniel Blumenschein steuert mehr Frische als musikalische Tiefe bei, während Joachim Holzhey in der dankbaren Partie des Satan mit dramatischem, rhetorisch stark ausgearbeitetem und vor allem textverständlichem Vortrag den vielleicht besten Beitrag der ganzen Aufführung bietet. Viola Blache ist ihm als Eva/Maria ein ebenbürtiger Gegenpol.

Die camerata lipsiensis steuert historisch informierte Orchesterklänge bei – zwar nicht als eines der besten deutschen Ensembles und gerade im Live-Erlebnis mit allerhand Mängeln behaftet, aber doch insgesamt mit einem akzeptablen Beitrag. Dennoch bleibt die von Gregor Meyer geleitete Interpretation weit hinter Darbietungen, die ein Hermann Max, ein Christoph oder Andreas Spering, ein Frieder Bernius erarbeitet hätte. Da ist also leider noch allerhand Luft nach oben. Das Booklet informiert insgesamt gut, doch auch die Aufnahmetechnik des Deutschlandfunks ist diesmal (wo fanden die Aufführungen statt?) wegen nicht ganz optimaler Balance im Gesamtklang eher befriedigend als gut.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Schneider, Friedrich: Das Weltgericht: Gewandhaus-Chor, Camerata Lipsiensis, Gregor Meyer

Label:
Anzahl Medien:
cpo
1
Medium:
EAN:

CD
761203511921


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Schneider, Friedrich


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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