
Beethoven, Debussy, Korngold - Amadeus Chamber Orchestra of Polish Radio, Agnieszka Duczmal
Originell statt original
Label/Verlag: DUX
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Offenbar war es pure Spielfreude, die die polnische Dirigentin Agnieszka Duczmal leitete, als sie zum 50. Geburtstag ihres Kammerorchesters Arrangements kammermusikalischer Originale von Beethoven, Debussy und Korngold einspielte.
Als 22-jährige Studentin gründete Agnieszka Duczmal in Posen ein Kammerorchester, Experimentierlabor und Spielwiese für die angehende Dirigentin. Zunächst gefördert von Jeunesse Musicales International und der Musikalischen Gesellschaft in Posen, übernahm der Polnische Rundfunk 1977 das Kammerorchester und gab ihm den Namen ‚Amadeus‘. Eine Verbindung mit Mozart liegt nahe. Der Blick in das Repertoire zeigt weit mehr, vor allem Vielfalt, frei nach dem Motto ‚Liebe Gott‘, so ‚Amadeus‘ in der Übersetzung aus dem Lateinischen, und spiele, was auf das Notenpult gelegt wird, aber immer in bester Qualität, Standardwerke, Erst- und Uraufführungen, dokumentiert auf weit über 40 CDs. Mit ihrer jüngsten, zum 50. Geburtstag produzierten Einspielung haben sie sich dem Arrangement verschrieben.
Mondschein-Sound
Die Werkauswahl folgt einer eigenen Dramaturgie. Zunächst Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 14 op.27 Nr. 2, besser bekannt unter dem Titel 'Mondscheinsonate'. Der erste Satz genießt einen hohen Popularitätsgrad. Überaus markant sind die ostinaten Achteltriolen, bis zum letzten Takt konsequent durchgehalten, darüber erklingt, was mehr einem Fragment eines Motivs gleicht anstelle eines ausgearbeiteten Themas, einzig darauf ausgerichtet, die Stimmung zu wahren.
Diese Achteltriolen verlegte Arrangeur Jakub Kowalewski in die Viola-Stimme. Mit typisch Viola-warmer Sattheit pulsieren die Triolen bemerkenswert verhalten im Zentrum eines Klangteppichs, den das Amadeus Chamber Orchestra of Polish Radio hochromantisch ausmusiziert mit wattigen Flächen, weichen Übergängen und satten Harmonien. Nahtlos sollte der zweite Satz, ein Allegretto, folgen. So sah es Beethoven vor. Agnieszka Duczmal setzt eine klare Zäsur. Neuer Satz, neue Stimmung, heiter, unbeschwert, die Synkopen muten wie angeschoben und verleihen dem Ganzen einen tänzelnden Charakter. Für eine weitere Überraschung sorgt der Schlusssatz. Die dreiklanggebrochene ‚Rakete‘ in Beethovens Original wird hier, verteilt auf vier Stimmen, zum Vivaldi‘schen Flächengewitter, ein Orchesterkonzert, das mit der Violinkadenz zum Schluss fulminant endet.
Bemerkenswert, welche Wirkung Kowalewski mit seiner das Original vereinfachenden Bearbeitung erzielt. Er glättet nicht nur Dreiklangsbrechungen, sondern transponiert nach vorzeichenarmen Tonarten. Anstelle des originalen cis-Moll stehen Satz eins und drei in d-Moll, Satz zwei anstelle des originalen Des-Dur in D-Dur, was das leere Saitenspiel zulässt und die Intonation auf sicherere Füße stellt.
Klangbäder
Die folgenden Werke der vorliegenden Einspielung, das g-Moll Streichquartett von Claude Debussy op. 10 und das Streichsextett von Erich Wolfgang Korngold op. 10, arrangierte Agnieszka Duczmal. Ihre Bearbeitungsweise erinnert an die Concerto-grosso-Technik. Begleitpassagen der einzelnen Instrumente verlegt sie ins Tutti, die melodiedominierten Stimmführungsteile sind solistisch besetzt. Die Wirkung, die sie dadurch erzielt, überrascht. Zahlreiche Einspielungen belegen, dass es Originalbesetzungen gelingt, bei Debussys Streichquartett wie bei Korngolds Streichsextett orchestrale Klangfülle zu entfachen. Das Amadeus Chamber Orchestra of Polish Radio steigert in beiden Werken diesen Eindruck auf Kosten differenzierter Grandezza, erwirkt dabei aber imposante Musikrauscherlebnisse. Duczmal leitet das Orchester zum hochdramatischen Spiel an, konsequent flächig, klangsatt und ausgerichtet auf einen Spannungsfaden, der nie abreißt.
Filmmusikgrundton
Debussys handwerklich begründeter Anspruch, sich in seinem ersten und einzigen Streichquartett an verschiedenen Musikstilen zu orientieren, wird dadurch verstärkt hörbar. Bei Korngold 1917 komponiertem Sextett ist es der schon hier angelegte, latent durchschimmernde Filmmusikgrundton, der mit der ersten Noten den Zuhörer einfängt. Melancholie-geschwängert folgt das Adagio mit den pathetisch, nicht zu dickflüssig ausgespielten Soli. Übermütig lustvoll und humoristisch gelingt nach einem entspannten Intermezzo-Klangbad der Schlusssatz. Insgesamt ein herrliches Spiel.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Beethoven, Debussy, Korngold: Amadeus Chamber Orchestra of Polish Radio, Agnieszka Duczmal |
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Label: Anzahl Medien: |
DUX 1 |
Medium:
EAN: |
CD
5902547015262 |
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Beethoven, Ludwig van |
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DUX Das polnische Label DUX wurde 1992 von Malgorzata Polanska und Lech Tolwinski, beides Absolventen der Toningenieur-Fakultät der Frédéric Chopin Musikakademie in Warschau, gegründet. Hauptanliegen war die Produktion von Aufnahmen mit klassischer Musik, wobei man von Anfang an höchste Ansprüche an künstlerische und technische Standards stellte.Viele Aufnahmen von Dux erlangten sowohl in Polen als auch im Ausland breites Interesse bei Publikum und Kritik, die sich in zahlreichen Preisen und Auszeichnungen widerspiegelt. Ein Schwerpunkt des Labels ist natürlich das reiche musikalische Erbe Polens, das weitaus mehr umfasst als Chopin oder Penderecki. Im Katalog finden sich daher neben bekannteren Namen wie Wieniawski, Szymanowski oder Lutoslawski auch zahlreiche hierzulande bislang weniger bekannte oder völlig unbekannte Komponisten von der Renaissance bis zur Gegenwart, wie Ignaz Jan Paderewski, der Klaviervirtuose und spätere Premier- und Außenminister der Zweiten Polnischen Republik oder Stanislaw Moniuszko, ein Zeitgenosse Verdis und Schöpfer der polnischen Nationaloper. Aber auch zahlreiche polnische Künstler, Ensembles und Orchester gilt es bei DUX zu entdecken, darunter international renommierte Namen wie beispielsweise die gefeierte Altistin Ewa Podles. Mehr Info... |
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