
Mendelssohn Bartholdy, Felix - Jugendsinfonien
Ausgereifter Masur
Label/Verlag: Berlin Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
In der wirklich optisch schmucken Eterna-Kollektion des Labels Berlin Classics sind jetzt die sage und schreibe 32 Jahre alten Aufnahmen (VEB Deutsche Schallplatten Berlin) der Jugendsinfonien I-VI von Felix Mendelssohn Bartholdy wiedererstanden. Eine Wohltat! Am Pult des Gewandhausorchesters Leipzig hört der Rezipient den damals 44-jährigen, heute bereits 75-jährigen, zu großen Ehren gekommenen Kurt Masur. Unter seinem Dirigat (1970-1996) erreichte der sächsische Klangkörper Weltruhm. Leipzigs Affinität zu Mendelssohn ist bekannt: Hier trat 1835 der damals 26-jährige Komponist als einer von Masurs historischen Vorgängerpersönlichkeiten den verlockenden Posten des Gewandhauskapellmeisters an. Er hatte ihn zwölf Jahre bis zu seinem Tod 1847 inne.
Auf der Platte wird auffallend frisch, fast jovial musiziert. Anscheinend machte die Arbeit Spaß, weil die Sinfonien des jungen Mendelssohn bereits die signifikanten Züge des späteren Genius in sich tragen: An Bach geschulte Kontrapunktik, Leidenschaftlichkeit und unerschrockene Handhabung der technischen Möglichkeiten der Streichinstrumente. Zu seiner Zeit wurden die Werke deshalb auch nur von den besten Profis - Mitgliedern der Berliner Hofkapelle - im Hause Mendelssohn aufgeführt. Vater Abraham Mendelssohn zählte zum begüterten Personenkreis und konnte sich kostspielige Musiker ohne weiteres leisten. Die vorliegende CD bietet die erste Hälfte der insgesamt zwölf Streichersinfonien, die bereits 1821 entstanden ist.
Die erste Sinfonie C-Dur nimmt Masur mit der nötigen Vitalität und spornt die Instrumentalisten im Andante zu blühender Moll-Farbenpracht an. Pizzikati laufen voller Gefälligkeit, Bratschen schauen solistisch über den Tellerrand. Hier wird Musik erlebt. Von nicht allzu herbem Charakter, aber durchaus mit Seele und markanten Unisoni getragen galoppiert das Allegro-Finale daher. Die fugierte Durchführung ist ein typischer Mendelssohn. Insgesamt bringt es die Sinfonie auf elf Minuten ungetrübte Musizierfreude.
Die Sinfonie Nr. 2 in D-Dur atmet sehr viel Weltläufig- und Großzügigkeit. Man vermeint zu hören, dass sich im Elternhause Mendelssohn die edelsten und einflussreichsten Personen der damaligen Gesellschaft ein Stelldichein gaben. Mozarts Divertimenti KV 136-38 wird der Komponist auf jeden Fall gekannt haben: sein Stil lehnt sich unüberhörbar daran an. Das Andante ist ideell von Bachs Oratoriengedankengut nicht weit entfernt. Man spürt, wie der 12-jährige, der phänomenale polyphone Einfälle hat, experimentiert. Das abschließende Allegro Vivace hat noblen, repräsentativen, royalen Charakter.
Die 3. Sinfonie in e-Moll lotet die Gefühlswelten des weiblichen Tongeschlechts aus. Immer steht in diesen Werken die fast martialische Rhythmik im Vordergrund und Masur hebt das in seiner Interpretation deutlich hervor. Das Andante – quasi ein Menuett – kann selbstredend noch nicht den lyrischen Tiefgang eines erwachsenen Komponisten erreichen, doch bezeugt es das bereits hochentwickelte Empfindungssystem des Tonschöpfers. Attacca mündet der Satz ins Allegro-Finale, das wiederum streng geführt wird. Dynamisch bewegen sich die Musiker zunächst im oberen Drittel der Bandbreite – können aber auch ausblenden und Einzelstimmen hervortreten lassen.
Die vierte Sinfonie in c-Moll bringt eine langsame Einleitung à la Haydn. Zu Recht stellt Eberhard Rudolph in seinem guten Einführungsartikel die These auf, dass in diesen Jugendwerken die späteren Charakteristika des Meisters Mendelssohn vollgültig angelegt sind. Sie erwerben eine technisch überlegene, musikalisch überzeugende, ausgereifte Einspielung in Analogtechnik.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mendelssohn Bartholdy, Felix: Jugendsinfonien |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
Berlin Classics 1 01.09.2003 54:40 1971 2003 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
0782124326821 0032682BC |
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Mendelssohn Bartholdy, Felix |
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Berlin Classics Berlin Classics (BC) ist das Klassik-Label der Edel Germany GmbH. Es ist das Forum für zahlreiche bedeutende historische Aufnahmen, wichtige Beiträge der musikalischen Zentren Leipzig, Dresden und Berlin sowie maßgebliche Neuproduktionen mit etablierten und aufstrebenden jungen Klassik-Künstlern. Dazu zählen etablierte Stars, wie z.B. die Klarinettistin Sharon Kam, die Pianisten Ragna Schirmer, Sebastian Knauer, Matthias Kirschnereit, Anna Gourari und Lars Vogt, die Sopranistin Christiane Karg oder auch die Ensembles Concerto Köln, Pera Ensemble, sowie der Dresdner Kreuzchor und das Vocal Concert Dresden. Mehrfach wurden Produktionen mit einem Echo-Preis ausgezeichnet. Im Katalog von Berlin Classics befinden sich Aufnahmen mit Kurt Masur, Herbert Blomstedt, Kurt Sanderling, Franz Konwitschny, Hermann Abendroth, Günther Ramin, Peter Schreier, Ludwig Güttler, Dietrich Fischer-Dieskau, die Staatskapellen Dresden und Berlin, das Gewandhausorchester Leipzig, die Dresdner Philharmonie, die Rundfunkchöre Leipzig und Berlin, der Dresdner Kreuzchor und der Thomanerchor Leipzig. Sukzesssive wird dieses historische Repertoire für den interessierten Hörer auf CD wieder zugänglich gemacht, wobei die künstlerisch hochrangigen Analogaufnamen mit größter Sorgfalt unter Anwendung der Sonic Solutions NoNoise-Technik bearbeitet werden, um sie an digitalen Klangstandard anzugleichen. Mehr Info... |
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