
Strauss, Johann: Die Fledermaus - NDR Radiophliharmonie, Lawrence Foster
Sensationelle Damenriege
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Nicht alles an dieser aktuellen Fassung macht Freude, doch die fulminanten Leistungen der Frauenriege stechen heraus.
Endlich gibt es wieder eine neue Aufnahme des Operetten-Dauerbrenners 'Die Fledermaus'. Im Januar 2018 ging eine konzertante Aufführung im Großen Sendesaal des NDR in Hannover über die Bühne und der Mitschnitt dieser tontechnisch blitzblanken Produktion ist nun beim Label Pentatone auf zwei SACDs erschienen. Vieles an dieser aktuellen Version macht Freude, vor allem aber die hervorragende Besetzung der Frauenriege, während es bei den Herren etwas durchwachsen zur Sache geht. Auch der Dirigent Lawrence Foster geht Johann Strauß‘ Partitur mit der nötigen Ernsthaftigkeit an, liebt den satten, manchmal forschen Tonfall, weiß in jedem Fall eine grundsolide Basis zu schaffen.
'Die Fledermaus' ist ein schwieriges Werk, dessen Leichtigkeit nur dann Gestalt annimmt, wenn man sie nicht erzwingt, sondern mit der richtigen Mischung aus Charme und Kunstfertigkeit befeuert. Und die 'Fledermaus' braucht, wie jede Operette, Sängerpersönlichkeiten, die authentisch agieren, Wortwitz und Sangeskunst zu verbinden wissen. Das gelingt den Damen dieses Mitschnitts ohne Abstriche mit traumwandlerischer Sicherheit. Laura Aikin ist eine fulminante Rosalinde, perfekt in ihrer Koloraturversiertheit und ihrem dramatischen Gestus. Rosalinde als Amerikanerin zu inszenieren und damit Aikins englischen Akzent gebührend zu nutzen, ist ein wunderbarer Kunstgriff, der einiges an Komik und Authentizität abwirft. Aikin dominiert im ersten Finale als Sopranistin am Rande des Nervenzusammenbruchs und glänzt im zweiten Akt mit einem brillanten Csárdás. Das macht Spaß, davon will man mehr hören.
Besser geht‘s nicht
Annika Gerhards steht als Adele der prominenten Kollegin in nichts nach. Schon lange hat man keine so erdverbundene Adele mehr erlebt. Gerhards farbenreiche und volltönende Mittellage lässt oftmals nicht einmal erahnen, welche Höhenflüge und Koloraturen der Sopranistin zu Gebote stehen. Ihr Stubenmädchen ist bei weitem keine Zwitschermaschine, sondern durchdrungen von Wärme und Bodenständigkeit. Das weinende Quietschen ist bei der Künstlerin alles andere als enervierend klischeehaftes Beiwerk, sondern schonungsloser Ausdruck von komödiantischem Talent – zum Niederknien. Da verwundert es nicht, dass die notierten Lacher im Couplet sinnvoll gestaltet und nicht einfach nur abgesungen werden und auch die 'Unschuld vom Lande' ein regelrechter Showstopper ist.
Die dritte Dame im Bunde ist Elisabeth Kulman als spaßbefreiter Prinz Orlofsky. Blasiert und äußerst klangschön gibt sie den kieksenden Teenager. Und man muss konstatieren: Besser geht‘s nicht! Kulman kann die Partie nicht nur singen, sondern auch sprechen – wenn sie nicht sogar die einzige ist, deren Dialogkunst tatsächlich restlos überzeugt. In ihrem Couplet gönnt sich die Sängerin sogar den Spaß, ins Russische zu wechseln.
Spaß wird oft umschifft
‚Muss ich das lustig finden, Doktor?‘, fragt Orlofsky den intrigierenden Dr. Falke auf dem Fest des zweiten Aktes. Das ist ohne Frage der lustigste Moment dieser 'Fledermaus', die an leider viel zu vielen Ecken und Enden wirklichen Spaß umschifft, gerade im Hinblick auf die Herrenriege. Vor allem Nikolai Schukoff kann als Eisenstein aufs rein Akustische reduziert wenig Charme und Komik vermitteln. Das irritiert, denn von Schukoff stammt die ansonsten klug bearbeitete und stark eingedampfte Dialogfassung dieser Aufführung. Aber Schukoff selbst hat kein Händchen für Pointen. Vieles wird plattgedrückt oder verpufft im unbedingten und hörbaren Willen, lustig zu sein. Das Gegenteil trifft ein. Dabei hätte der charismatische Sänger durchaus das Potenzial zum Lebemann Eisenstein, vor allem auf der Bühne. Auf CD wird man mit der tenoralen Leichtigkeit, die auf Kosten der Farben und des Stimmglanzes geht, nicht restlos glücklich. Im Uhrenduett dreht Schukoff dann plötzlich auf und findet im Terzett des dritten Aktes zu einer Form, die man gerne schon zu Beginn für ihn verbucht hätte.
Als Dr. Falke macht Mathias Hausmann stimmlich seine Sache tadellos mit hervorragender Artikulation. Allein zwingend oder gewitzt wirkt dieser Falke nicht, allenfalls ein wenig brav. Da vermisst man starke Rollenvorgänger, die wirklich die Fäden dieser bissigen Komödie in der Hand hielten. Für den Frank ist Jochen Schmeckenbecher eine vokale Luxusbesetzung und als Dr. Blind greift sich Alexander Kaimbacher gekonnt die wenigen komödiantischen Momente. Alice Wagner wienert sich temperamentvoll durch den kleinen Part der Ida.
Wo die Rosalinde sprachlich im Englischen umherwandelt, darf ein Alfred natürlich auch mit einem Akzent aufwarten. Christian Elsner entwirft somit einen mit Spitzentönen gesegneten Provinztenor, der seine Freiburger Herkunft nicht verleugnen kann. Das ist im Dialog durchaus komisch, verliert sich in den Musiknummern aber völlig. Hier hätte man sich mehr Konsequenz gewünscht.
‚Genug damit! Genug!‘
Den Frosch gibt der Wiener Kammersänger Kurt Rydl. Das liest sich auf dem Cover gut, klingt aber weniger überzeugend, wenn man hört, dass der verdienstvolle Bass im zweiten Akt (warum auch immer) Mussorgskys 'Mephisto-Lied' zum Besten gibt. Lange weiß man nicht, in welcher Sprache Rydl zu Werke geht, bis man es anhand einiger Wortfetzen als Deutsch identifizieren kann. Das erschreckende Vibrato von Rydls Stimme lässt sich vielleicht noch mit dem Betrunkensein von Frosch rechtfertigen, aber ein Genuss ist dieser musikalische Beitrag leider nicht mehr. Der unmittelbar folgende Wortwechsel spricht aber fraglos für Rydls Selbstironie: Er bietet an, noch etwas von Verdi zu singen, worauf Orlofsky kontert: ‚Genug damit! Genug!‘ Das muss man als Größe anerkennen.
Während der WDR Rundfunkchor blendend aufgelegt und mit hervorragenden Solisten ausgestattet ist, tritt Lawrence Foster trotz seiner Souveränität am Pult der NDR Radiophilharmonie zu oft auf die Bremse. Seine 'Fledermaus' will einfach nicht richtig in Schwung kommen. Das beginnt schon in der Ouvertüre, die schmissig leicht ihren Anfang nimmt, doch am Ende wird die Schraube nicht angezogen. Hat sich Foster einmal auf ein Tempo festgelegt, zieht er es durch. Das wirkt reichlich unflexibel in einem Genre, das von Lebendigkeit und Überraschungen lebt. Im Uhrenduett stört das Einheitstempo vehement, im Csárdás lässt er sich endlich einmal auf die Agogik von Laura Aikin ein.
Live hat diese 'Fledermaus' vermutlich mehr Freude bereitet als auf Tonträger. Trotzdem ist sie als aktuelle Ergänzung einer Diskografie willkommen, die in den letzten Jahren keine relevanten Neuzugänge mehr verzeichnen kann. Und für die drei sensationell guten Damen lohnt sich die Anschaffung allemal.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strauss, Johann: Die Fledermaus: NDR Radiophliharmonie, Lawrence Foster |
|||
Label: Anzahl Medien: |
Pentatone Classics 2 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
827949063565 |
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Strauß, jun., Johann |
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Pentatone Classics PentaTone wurde im Jahr 2001 von drei ehemaligen Leitenden Angestellten der Philips Classics zusammen mit Polyhymnia International (dem ehemaligen Philips Classics-Aufnahmezentrum) ins Leben gerufen.
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