
Hindemith, Paul: Complete Sonatas for Viola Solo - Luca Ranieri, Viola
Nichts Elektrisierendes
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Luca Ranieris Aufnahme von Hindemiths Sonaten für Bratsche allein bei Brilliant Classics fehlt es trotz einiger guter Ansätze an interpretatorischem Profil und spieltechnischem Niveau.
Ein an romantische Kunstemphase gewöhntes (Fach-)Publikum erschreckte Hindemith gern, indem er seine Werke als ‚Gebrauchs-‘ oder ‚Spielmusik‘ bezeichnete. Auch seine Werke für Bratsche solo zählen dazu, und wenn jene Begriffe für heutige Ohren allzu sehr nach Hauskonzerten und Musizierkreisen klingen mögen, so wird jede Darbietung dieser Stücke willkommen sein, die in Erinnerung ruft, um was für inspirierte Musik es sich dabei handelt.
Auf die Aufnahme der Sonaten, die jetzt bei Brilliant Classics erschien, trifft das zumindest zum Teil zu. Der italienische Bratscher Luca Ranieri nahm sich der vier Sonaten für Bratsche allein an, die Hindemith zwischen 1919 und 1937 schrieb. Im Grunde ist Ranieris Zugriff kraftvoll und stringent, die Phrasierung gelingt oft klar und schlüssig. Die Einspielung lässt einen Sinn für Dramatik erkennen, wirkt expressiv und insofern durchaus zugänglich. Im Ganzen bleibt Ranieri aber deutlich unterhalb der Standards, die man von einer Neueinspielung solchen Repertoires erwartet.
Wo es hapert
So ist die Intonation zu oft unsauber, die Klangbildung hauchig und unpräzise. Das liegt auch am Instrument, dem es gerade in tieferen Lagen an Fokussierung fehlt, so dass oftmals eine Art Flautando herauskommt, wo man sich gut eine präzisere Tonbildung vorstellen (und wünschen) könnte. Der Eindruck des klanglich Diffusen wird von dem vergleichsweise starken Hall der Aufnahme verstärkt, der Hindemiths Musik aber manchmal auch eine unerwartete Monumentalität verleiht, die durchaus ihren Reiz haben kann.
Hinzu kommt – bei allem Zug, den diese Interpretationen im besten Fall haben – da und dort eine gewisse gestalterische Beliebigkeit. Der erste Satz der Sonate op. 31,4 ist mit ‚äusserst lebhaft‘ überschrieben; Ranieris Darstellung mag lebhaft sein, ‚äusserst lebhaft‘ ist sie nicht, und das scheint weniger eine Frage des Tempos selbst als der interpretatorischen Charakterisierung zu sein, die hier nichts Elektrisierendes hat. So gewinnt man den Eindruck eines mehr oder weniger (un-)inspirierten Vorsichhinspielens, einer Motorik, die zwar vorwärts drängt, aber letztlich ohne Richtung ist.
Ein Stück wie der vierte Satz aus der Sonate op. 25,1 (mit der berühmten Vortragsangabe ‚Rasendes Zeitmaß. Wild. Tonschönheit ist Nebensache‘) kommt fetzig daher, aber im Großen und Ganzen hapert es trotz guter Ansätze bei dem übergreifenden interpretatorischen Profil und der spieltechnischen Klasse. Mit aktuellen Referenzeinspielungen (man denke an die Hindemith-CDs von Tabea Zimmermann) kann sich Ranieris Aufnahme nicht messen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Hindemith, Paul: Complete Sonatas for Viola Solo: Luca Ranieri, Viola |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 1 02.11.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421954134 |
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Hindemith, Paul |
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