
Zelenka, Jan Dismas: Missa Sancti Josephi - Kammerchor Stuttgart, Barockorchester Stuttgart, Frieder Bernius
Frisch im Duktus
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Frieder Bernius und seine Stuttgarter Ensembles legen eine weitere Einspielung einer Zelenka-Messe vor. Die lässt sich hören.
Als im Jahr 1945 Dresden brannte, brannte auch das Manuskript der 'Missa Sancti Josephi' von Jan Dismas Zelenka, dessen Todestag zu jenem Datum genau 200 Jahre zurücklag. Damals kümmerte das begreiflicherweise nur wenige. Wenn jetzt, Jahrzehnte später, die Partitur in einer von dem Zelenka-Forscher Wolfgang Horn rekonstruierten Fassung erschienen ist, dürfte ihr Aufmerksamkeit umso sicherer sein – zumal sie auch gleich klingend auf Tonträger gebannt wurde: Mit Frieder Bernius sowie dem Stuttgarter Kammerchor und Barockorchester sind Spezialisten am Werk, deren Engagement für Zelenka beste Tradition ist.
Musikalisch setzt Bernius den Ansatz fort, den er nun schon seit geraumer Zeit in Sachen Zelenka verfolgt. Vielleicht ist dieser Ansatz in der Zwischenzeit etwas gesetzter geworden, aber das heißt nicht, dass er nicht noch immer angemessen und überzeugend wäre. Schlank und transparent im Klang, frisch im Duktus, rhythmisch wach, mitunter (wie hier im 'Laudamus') swingend – so kennt man Bernius‘ Zelenka-Interpretationen, und so klingt auch diese.
Farbe und Charme
Bernius verfügt wieder über erstklassige musikalische Kräfte, allen voran seinen Stuttgarter Kammerchor, der virtuos und makellos agiert, klanglich schlackenlos und elegant wie eh und je. Selbst zirzensiche Anforderungen – wie das neckisch mit lombardischem Rhythmus und Tonsprüngen operierende Fugenthema des 'Cum sancto spiritu' – scheinen den Chor vor keine Herausforderungen zu stellen. Das Stuttgarter Barockorchester agiert in gleichem Sinn: die Streicher mit gedeckter Farbigkeit und atmosphärischer Dichte im 'Et in terra pax', die Bläser mit zusätzlicher Farbe und Charme im 'Laudamus'. Unter den Vokalsolisten sticht Julia Lezhneva heraus: Ihr glasklarer, dunkel gefärbter Sopran ist außerordentlich virtuos, bewegt sich auf- und abwärts ohne Angestrengtheit ('Benedictus'). Die übrigen Solisten wirken weniger exponiert, aber auf Augenhöhe – im 'Laudamus' etwa gestalten Tilman Lichdi (Tenor) und Jonathan Sells (Bass) zuverlässig und charaktervoll.
Teils unauffällig
Beigegeben sind der knapp vierzigminütigen Messe auf dieser CD zwei Psalmen, das 'De profundis' ZWV 50 und das 'In exitu Israel' ZWV 84. Das sind willkommene Dreingaben, die nicht nur den Charakter von Zelenkas Musik, sondern auch den des hier gepflegten Interpretationsstils klarer hervortreten lassen. Man erinnert sich an die Einspielung des 'De profundis' durch Il Fondamento unter Paul Dombrecht, die kräftiger, farbiger, emotional intensiver wirkt. Jene eigenartige Sperrigkeit und zugleich Dringlichkeit, die die 'Sustinuit'-Arie bei Dombrecht entfaltet, fehlt der hier zu hörenden Einspielung. Diese mag bewusst auf einen getragenen Duktus setzen, aber das besagte Stück – eigentlich ja das Herzstück der dichten Komposition – kommt eher unauffällig daher. Gelungen ist demgegenüber der archaische Charakter der Cantus-firmus-Passagen im 'In exitu Israel', die einem Orchester-Unisono von tiefer Färbung kontrastiert werden. Mit diesem dunklen, schnell dahinfließenden Klang bleibt die Einspielung im Ohr.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Zelenka, Jan Dismas: Missa Sancti Josephi: Kammerchor Stuttgart, Barockorchester Stuttgart, Frieder Bernius |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Carus 1 05.10.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
4009350832794 |
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Zelenka, Jan Dismas |
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Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
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