
Berliner Weihnacht a cappella - Sirventes Berlin, Stefan Schuck
Berliner Weihnacht
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Ensemble sirventes berlin hat eine niveauvoll gesungene, programmatisch relevante Platte vorgelegt.
Alle Jahre wieder beginnt im späten Herbst die Suche nach Alternativen im adventlichen und weihnachtlichen Repertoire – am besten etwas abseits von Schütz, Bach und anderem Barock, dennoch ernsthaft in ästhetischer Ambition und musikalischem Gehalt. Stefan Schuck hat sich mit seinem Ensemble sirventes berlin auf die Suche begeben und ist dabei einem vielversprechenden Pfad gefolgt: Er hat zurückgeschaut in die lange Tradition Berliner Vokalmusik, zum Beispiel in den Bereich der 1791 gegründeten Sing-Akademie zu Berlin oder des heutigen Staats- und Domchors, früher als Königlicher Domchor bekannt und mit Wurzeln bis ins Jahr 1465. Entlang dieser Linie zu suchen war eine ungemein fruchtbare Idee. Viel Schönes aus dem 19. und 20. Jahrhundert haben die Vokalisten jetzt unter dem Titel 'Berliner Weihnacht' zu einem stimmigen, durchaus nicht nur harmlosen Programm versammelt.
Für gesteigerte kompositorische Ambition stehen Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Bruch, Albert Becker, Heinrich von Herzogenberg, dazu Peter Cornelius – hier in kongenialen Bearbeitungen von Clytus Gottwald zu erleben –, Günter Raphael und Hugo Distler. Dazu, etwas jüngeren Datums, Helmut Barbe und Frank Schwemmer. Andere Sätze, etwa von Carl Thiel, Ludwig Erk, Franz Wüllner oder Max Gulbins, sind eher stimmungsorientiert gehalten und weniger an Struktur und Tiefe interessiert. Doch auch sie erfüllen im Kontext des Programms ihre Aufgaben.
Es gibt wirklich originelle, auch etwas größer geratene Arbeiten, wie Bruchs 'In der Christnacht', Albert Beckers 'Weihnachtsmotette' oder 'Ihr Himmel, tauet hernieder', dann Herzogenbergs 'Schifferlied' und die vielteiligen Variationen über 'Es ist ein Ros entsprungen' von Distler – letztere möglicherweise der Kern des Programms. Genauso wichtig sind die hervorragenden Bearbeitungen bekannter Melodien: Wie Frank Schwemmer 'O Heiland, reiß die Himmel auf' durchdringt, wie Günter Raphael 'Maria durch ein Dornwald ging' aufgreift und vollendet, wie Helmut Barbe 'O Tannenbaum, du trägst ein grünes Kleid' verlebendigt – auch das ist wirklich große Kunst in manchmal kleiner Form, auch das beansprucht berechtigt Aufmerksamkeit.
Schlank und flexibel
Das Ensemble sirventes berlin ist schon mehrfach vernehmlich hervorgetreten, vor allem eine stil- und effektsichere Platte mit Motetten von Homilius ist in guter Erinnerung: sehr gelungen seinerzeit, wie sicher der Ton zwischen satztechnischer Ambition und schlichter Grundgeste getroffen wurde. Und der mit zwölf Stimmen besetzten Formation ist auch das Weihnachtsprogramm ein echtes Anliegen: Alle Vokalisten investieren in charmante, ausgeglichene Register, alle tragen zu einem schlanken und flexiblen Klang bei, der angesichts deutlich wechselnder Besetzungen in den verschiedenen Aufnahmesitzungen von erstaunlicher Kontinuität ist.
Die Intonation ist makellos, auch das für ein nicht ständig gemeinsam musizierendes Ensemble durchaus erwähnenswert. Stefan Schuck lässt das Programm in verhalten fließenden Tempi singen – ohne heimelig zu entschleunigen und allein dem schönen Augenblick zu frönen, aber doch angemessen ruhevoll. Dynamisch nutzen die Interpreten alle Möglichkeiten ihrer schlanken Besetzung beinahe lustvoll aus. Lyrischer Glanz wird souverän mit ansprechender Textsensibilität verbunden. Das Klangbild ist räumlich passend, wirkt erwärmt, gleichzeitig gut organisiert und mit erstaunlich wenig Brüchen zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Aufnahmetermine.
Insgesamt also eine schöne Alternative im Repertoire, das auf jeden Fall. Und sogar noch mehr: Denn die CD lässt sich auch ohne die – zugegeben – etwas nervöse Suche nach dem Anderen einfach als niveauvoll gesungene, programmatisch relevante Platte hören.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Berliner Weihnacht a cappella: Sirventes Berlin, Stefan Schuck |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Carus 1 05.10.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
4009350834934 |
![]() Cover vergössern |
Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Carus:
-
Prachtwerke: In der Summe eine ungemein gediegen gesungene und gespielte Platte mit Bach-Kantaten – edel im Klang, differenziert im Zugriff, mit üppigen lyrischen Stärken agiert Hans-Christoph Rademann mit seiner Gaechinger Cantorey ohne Zweifel. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Vorstellung einer großen Orgel mit Bach und Duruflé: Der Wiederaufbau der Frauenkirche ging einher mit dem Neubau einer Orgel. Sebastian Kummer stellt sie mit barocken und spätromantischen Werken souverän vor. Weiter...
(Diederich Lüken, )
-
Weihnachtliche Zweitverwertung: Das Calmus Ensemble macht diesen Querschnitt seiner sängerischen Qualitäten wegen sicher für Ersthörer attraktiv. Wer systematischer unterwegs und auf dem diskografischen Weg schon länger dabei ist, dem sei abgeraten. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Matthias Lange:
-
Komplexe Kunst: Verlässlich bringt das Orlando Consort wie hier mit Machaut ferne Musik ans Ohr der Gegenwart und lässt sie ebenso regelmäßig auf erstaunliche Weise bei aller Komplexität frisch, relevant und dringlich klingen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Eleganter Passions-Ton: Johann Heinrich Rolles in dessen Lukas-Passion vorgestelltes Idiom entfaltet sich bei Michael Alexander Willens pointiert, in einem ästhetisch zum Zeitpunkt der Entstehung nach vorn gewandten Zug. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Sonaten in Entwicklung: Carl Philipp Emanuel Bach umschreibt einen eigenen kompositorischen Kosmos. Rachel Podger und Kristian Bezuidenhout richten gekonnt einen Blick auf sein durchaus eigenwilliges Sonatenschaffen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Großes Violinkonzert – großartig interpretiert: Ewelina Nowicka und das Polish National Radio Symphony unter Zygmunt Rychert meistern (unbekannte) Violinwerke von Ludomir Różycki. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Mehr Fantasie als Ordnung: Federico Colli fasziniert und irritiert mit Klavierwerken W. A. Mozarts. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Lohnende Neuauflage: Hochwertige Liszt-Aufnahmen von Michael Korstick, gesammelt in einer neuen Edition. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich