
Dmitry Hvorostovsky - Live Recordings 1994-2016
Wiener Hommage
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese randvolle CD erinnert an Dmitri Hvorostovskys Wirken auf der Bühne der Wiener Staatsoper mit Tschaikowsky, Bellini, Rossini und vor allem viel Verdi.
Ende November des vergangenen Jahres starb der Bariton Dmitri Hvorostovsky nach jahrelangen Kämpfen gegen einen Gehirntumor, gezeichnet von seiner Krankheit, aber immer noch im Besitz seiner stimmlichen Präsenz, seiner unverwechselbaren Kunst. Beim Label ORFEO erinnert nun eine randvolle CD an Hvorostovskys Wirken auf der Bühne der Wiener Staatsoper. Vor allem im Verdi-Fach konnte man den Sänger hier seit den späten 1990er-Jahren erleben, nachdem er mit Bellini debütiert hatte.
Die ausgewählten Ausschnitte sind nahezu chronologisch angeordnet. Und so eröffnet die Zusammenstellung mit der Arie des Riccardo aus Bellinis 'I Puritani', ein Mitschnitt von jenem Debüt-Abend im Mai 1994 – am Pult steht Plácido Domingo. Mit welchem Schmelz und dennoch dramatischem Drängen Hvorostovsky diese Partie singen konnte, wusste die Opernwelt damals bereits von seinem gerade zwei Jahre alten ‚Bel Canto‘-Album bei Philips und seinem Rollenporträt an Covent Garden. Nun konnte sich auch Wien von der Besonderheit des jungen Baritons überzeugen.
Bewegende Bedingungslosigkeit
Es ist beeindruckend, beim Hören der vorliegenden CD die gesamte Spanne seiner Wiener Karriere nachvollziehen zu können, vom ersten bis zum letzten Auftritt am 29. November 2016, ein Jahr vor seinem viel zu frühen Tod. An diesem finalen Wiener Abend sang er den Germont in Verdis 'La Traviata' an der Seite von Marina Rebeka. Die große Szene der beiden aus dem zweiten Akt geht unter die Haut. Da mag aus heutiger Sicht das Wissen um diesen letzten Wiener Auftritt mitschwingen, aber die Bedingungslosigkeit, mit der Hvorostovsky diese Szene gestaltet, sein schonungsloser Einsatz der vokalen und dramatischen Mittel sind schlicht bewegend. Und im Vergleich zu seinem Debüt von 1994 muss man feststellen, dass die Klangschönheit und Melancholie der Stimme erhalten geblieben sind. Man hört zwar, welche Kraft Hvorostovsky dieser Auftritt kostet, aber es ist mitnichten der Abgesang einer Legende. Der Sänger bündelt vielmehr all sein über die Jahre erworbenes Wissen, seine Erfahrung mit Verdis Musik, sein technisches Können, um alles in den Dienst eines Charakterporträts zu stellen. Konnte man einst noch bei der Philips-Studioaufnahme der 'Traviata' von 1992 den eigentlich viel zu jugendlich klingenden Germont ob seiner vokalen Überlegenheit bewundern, so authentisch und kraftvoll ist diese Partie im Jahr 2016 herangereift, ohne den Kern von Hvorostovskys Ausnahmestimme verloren zu haben.
Als die Zeit stehenblieb
Zwischen 'Puritani' und dieser 'Traviata'-Vorstellung sind auf dem Album auch viele weitere Partien dokumentiert. Als nobler und recht blasierter Onegin hatte Hvorostovsky keine Konkurrenz zu fürchten. Das hört man auch in Onegins Arie aus dem ersten Akt vom Juni 2010 unter dem Dirigat von Kirill Petrenko. Auch gab es zu seiner Zeit letztlich keinen vergleichbaren Jeletzky in der 'Pique Dame', der zwar nur mit einer Arie gesegnet ist, aber wenn Hvorostovsky diese sang, blieb eben die Zeit stehen. Im Juni 1999 sang diese Liebeserklärung an die Lisa von Galina Gorchakova – ein magischer Augenblick.
Hvorostovskys komisches Talent belegt das Duett aus Rossinis 'Il barbiere di Siviglia' – eine Titelpartie, die man bei all den großen Verdi-Rollen in Hvorostovskys Repertoire gerne mal vergisst. Hier kann man erstaunt feststellen, wie geschickt der Sänger mit den schnellen Notenwerten und Verzierungen umzugehen weiß und dabei eine ungewohnte Leichtigkeit entwickelt. Herrlich auch Michael Schade als Almaviva an seiner Seite.
Die Wiener Verdi-Partien sind weiterhin mit dem Posa in 'Don Carlo' an der Seite von Miriam Gauci und Violeta Urmana vom Mai 1999 und einem kernig zupackenden Rigoletto mit Patrizia Ciofi als Gilda vom November 2010 vertreten. Im Juni 2016 sang Hvorostovsky in Wien den Simon Boccanegra. Hieraus erklingt das Finale des ersten Aktes mit Barbara Frittoli, Ferruccio Furlanetto und Francesco Meli. Auch hier ist Hvorostovskys Charisma mit Händen greifbar, der Klang seines Baritons fast schon prophetisch. Abschließend führt uns das ‚Eri tu‘ aus 'Un ballo in maschera' vom April 2016 noch einmal vor Augen, was für einen Sängerdarsteller die Opernwelt verloren hat.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Dmitry Hvorostovsky: Live Recordings 1994-2016 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ORFEO 1 14.09.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790966120 |
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Bellini, Vincenzo |
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ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
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