
Mephistopheles and other bad guys - Kevin Short, Orchestre Philharmonique de Marsaille, Lawrence Foster
Eintönige Bad Guys
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Thema singender Teufel und Bösewichter ist inhaltlich begrenzt, deshalb muss aber nicht alles gleich klingen tut es hier aber.
Beim Label Pentatone stellt sich der amerikanische Bassbariton Kevin Short mit einem Soloalbum vor, das sich den Bösewichtern rund um Mephistopheles widmet. Folgerichtig ist es auch mit 'Mephistopheles and Other Bad Guys' betitelt und enthält neben Opernausschnitten auch ‚satanisches‘ Liedrepertoire von Beethoven, Mussorgsky und Gordon Getty. Begleitet wird der Sänger vom Orchestre Philharmonique de Marseille unter der Leitung von Lawrence Foster.
Was positiv ins Gewicht fällt, ist das kraftvolle und durchaus attraktive Stimmmaterial von Kevin Short. Vor allem in den beiden Ausschnitten aus Arrigo Boitos 'Mefistofele' stellt sich so etwas wie Authentizität und Identifikation mit einer Rolle ein. Short ist um dämonische Eleganz und die richtige Portion Derbheit bemüht – das steht seiner Interpretation in Kombination mit Fülle und Wohllaut der Stimme äußerst gut an. Von dieser Qualität sind aber bei Weitem nicht alle hier eingespielten Szenen und Arien. Oft stößt der Künstler an technische Grenzen und es will ihm über die gesamte Spieldauer von weniger als einer Stunde nicht gelingen, Differenzierung in der Gestaltung der verschiedenen Charaktere zu erreichen. Ja, es haben sich hier die Bösewichter, vornehmlich die singenden Teufel, versammelt, aber deshalb muss nicht alles gleich klingen. Aber genau das tut es.
Fehlende Farben
Kevin Short bewältigt die Arien mit einer beachtlichen Akkuratesse, aber es fehlt ihm darüber hinaus an Farben, an Ideen und Gestaltung. Gounods Méphistophélès klingt im ‚Rondo vom Goldenen Kalb‘ ebenso entspannt wie in der so gar nicht doppelbödigen Serenade, die auch vom oberflächlichen Effekt des dämonischen Lachens am Ende nicht profitiert. Das verwaschene Französisch setzt sich auch in den schwachen Ausschnitten aus Berlioz' 'La damnation de Faust' fort. Es will einfach kein Zauber aufkommen, keine Faszination. Der Sänger führt seine Stimme mehr oder weniger souverän durch die vokalen Anforderungen, scheint aber mit dieser Aufgabe auch ordentlich ausgelastet zu sein. Einen Tiefpunkt erreicht das Album bei Dapertuttos ‚Scintille, diamant‘ aus Offenbachs 'Les contes d'Hoffmann', weil Short sowohl mit der Sprache als auch mit der unangenehmen Tessitura kämpft. Die langen, gehaltenen Töne sind in ihrer Intonation unstet, was sich auch in vielen anderen Nummern als Schwäche fortsetzt.
So zum Beispiel in der Arie des Pagano aus Verdis 'I Lombardi': Das Legato und die Phrasierung lassen stark zu wünschen übrig, ganz davon abgesehen, dass Shorts Stimme nicht wirklich klingen will und eine raue Tongebung dominiert. Was im Cantabile misslingt, lässt Short in der passablen Cabaletta zumindest ein wenig vergessen. Ob der Sänger im Sommer 2016, als dieses Album entstand, indisponiert war? Ist das vielleicht ein Grund für das relativ späte Erscheinen der CD?
Für den Pizarro im 'Fidelio' ist die vorliegende Aufnahme von ‚Ha! Welch ein Augenblick‘ auch keine überzeugende Empfehlung. Shorts Deutsch ist bemüht, aber nicht prononciert oder gar inhaltlich erschlossen. Dass hier dann plötzlich ein Herrenchor zum Einsatz kommt, verblüfft vor der Tatsache, dass Gounods ‚Le veau d‘or‘ ohne Chor auskommen muss, obwohl auch hier ebenso nur ein Herrenchor vonnöten gewesen wäre.
Erstaunliche Agilität
Es seien aber auch die recht guten Nummern dieses Albums erwähnt. Überraschend klar in der Artikulation und beeindruckend im tiefen Register sind die beiden Arien des Osmins aus der 'Entführung aus dem Serail'. Und auch Kaspars ‚Schweig!‘ aus dem 'Freischütz' atmet ernstzunehmende Dämonie, die Shorts letztlich schönes Timbre effektvoll kontrastiert. Zudem beherrscht der Künstler mit erstaunlicher Agilität die geforderten Koloraturen. Auch Mussorgskys ‚Mephistos Lied in Auerbachs Keller‘ gelingt ihm anstandslos und mit Nick Shadows ‚I burn! I freeze!‘ aus Strawinskys 'The Rake‘s Progress' blitzt wieder jene Authentizität und Kraft auf, die schon in 'Mefistofele' aufhorchen ließ. Die Neukomposition 'Mephistopheles to Faust' ist eine zeitgemäße Ergänzung für dieses Programm und ein nicht uninteressantes, wenngleich harmloses Stück amerikanischer Musikgeschichte der Gegenwart. Von Meyerbeer 'Robert le diable' gibt es wenig Gutes zu berichten und Alberichs Fluch aus dem 'Rheingold' schreit bei aller vokaler Bewältigung nach Inhalt und Rollenarbeit.
Routinier Lawrence Foster ist mit seinen Musikern weit entfernt vom unterstützenden Befeuern eines Künstlers. Das klingt alles recht glatt – teilweise auch etwas unterspannt –, aber auch sensibel und wohldurchdacht. Eine wirkungsvolle Visitenkarte, die Lust auf die weitere Beschäftigung mit einem Sänger macht, entsteht so aber leider nicht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mephistopheles and other bad guys: Kevin Short, Orchestre Philharmonique de Marsaille, Lawrence Foster |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Pentatone Classics 1 03.08.2018 |
Medium:
EAN: |
SACD
827949058561 |
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Beethoven, Ludwig van |
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