
Widmann, Jörg: Polyphone Schatten/Drittes Labyrinth - WDR Sinfonieorchester, Heinz Holliger, Emilio Pomaricio
Ein Haus eine Welt
Label/Verlag: WERGO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Autoritative Ersteinspielungen zweier wichtiger Werke eines der bedeutendsten deutschen Komponisten.
‚Ein Ton ist für mich ein Lebenwesen‘, hat Jörg Widmann einmal geäußert, und wenn man – fast den Atem anhaltend – der vorliegenden CD lauscht, ist man geblendet von der Vielfalt der Klänge und Manifestationen, die nie ins Äußerlich-Künstliche oder ins Beliebig-Virtuose ausarten. 'Polyphone Schatten (Lichtstudie II)' entstand 2001 für Viola, Klarinette und Orchestergruppen, 'Drittes Labyrinth' für Sopran und Orchestergruppen 2013/14; und auch wenn sie gänzlich unterschiedliche Strategien verfolgen, ist ihnen doch eine starke dreidimensionale Komponente gemein, die in der Literatur gerne nicht architektonisch, sondern klangskulptural bezeichnet wird. Doch entsteht aus Sicht des Rezensenten auch der Eindruck, man gehe durch ein klangliches Gebäude, in dem vieles miteinander verknüpft ist, anderes freie Perspektiven nach innen und außen eröffnet. Gleichzeitig ist die Struktur der Komposition – nicht zuletzt durch die Interpretation – jederzeit klar ausgeformt.
Unter der Leitung Heinz Holligers treten in 'Polyphone Schatten' neben dem WDR Sinfonieorchester der Bratscher Christophe Desjardins und der Komponist an der Klarinette solistisch hervor, in engster Fühlung miteinander und hörbar aufeinander eingehend. Jörg Widmann beweist sich – wie vormals auch Heinz Holliger ein Komponist/Interpret – als absoluter Teamplayer im allerbesten Sinne. Solistin in 'Drittes Labyrinth' – einem, wenn man das so sagen kann, ‚viertelszenischen Monodrama‘ (der Text ist fast vollständig Nietzsches 'Klage der Ariadne' aus den 'Dionysos-Dithyramben' entnommen) – ist unter der Leitung von Emilio Pomàrico Sarah Wegener, eine Interpretin, die wie auch die Mitglieder des WDR Sinfonieorchesters alles gibt und den kompositorisch allerhöchsten Ansprüchen genügt. Zu der Komposition hatte Widmann ein surrealer Kurztext von Jorge Luis Borges, 'Das Haus des Asterion', inspiriert, und dieses Haus, das ‚den Umfang der Welt‘ hat, ‚keine Möbel, keine verschlossenen Türen, keine Schlösser‘ hat und in dem Asterion dennoch ein Gefangener ist, kann man als Perspektive auch auf die Komposition anwenden – die Singstimme tritt sozusagen in Dialog mit diesem (sich als Minotaurus entpuppendem) Asterion. Leider fehlt im Booklet der Gesangstext, und selbst wenn dieser an mancher Stelle dekonstruiert wird, wäre er für das Verständnis des Werkes doch hilfreich.
Die vorliegenden Einspielungen entstanden in unmittelbarer Verbindung zu den Uraufführungen beider Werke in der Kölner Philharmonie. Die WDR-Aufnahmetechnik spiegelt in allerhöchster Klarheit und atmosphärischer Dichte die starken Interpretationen und trägt das Ihre zu dem exemplarischen Eindruck der ganzen Produktion bei.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Widmann, Jörg: Polyphone Schatten/Drittes Labyrinth: WDR Sinfonieorchester, Heinz Holliger, Emilio Pomaricio |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
WERGO 1 03.08.2018 |
EAN: |
4010228736922 |
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Widmann, Jörg |
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