
Schubert, Franz: Wanderer-Lieder - André Schuen, Daniel Heide
Gesungene Gedichte
Label/Verlag: CAvi-music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
André Schuen singt eine Sammlung von Schubertliedern rund um das Thema Wandern sehr natürlich, klar und berührend und wird dabei kompetent unterstützt von Daniel Heide.
Vor einigen Jahren hat sich der Bariton Thomas Quasthoff zu der Aussage hinreißen lassen, dass die Zeit des Liedgesangs wohl dem Ende zugehe. Mittlerweile hat er eingestanden, dass er sich mit dieser Prognose geirrt habe. Auch der CD-Markt zeigt es: Der Liedgesang ist ‚in‘. Viele junge Sängerinnen und vor allem Sänger haben in den letzten Jahren eine oder mehrere Aufnahmen herausgebracht, in denen sie sich dem klassischen Liederrepertoire widmen.
So auch André Schuen. Mit Anfang 30 hat der sympathische, naturverbundende Bariton aus Südtirol bereits eine beachtliche Karriere hingelegt. Beachtlich auch deswegen, weil sie sehr gut überlegt zu sein scheint. Schuen geht sorgfältig mit seiner schönen und ausdrucksstarken Stimme um, stürzt sich nicht in alle Angebote, sondern wählt aus. Nach vielen kleineren Rollen u. a. bei den Salzburger Festspielen und nach vier Jahren an der Oper Graz sind es vor allem Mozartpartien, mit denen er einen größeren Sprung gewagt hat: Die Titelpartie in 'Don Giovanni' und 'Die Hochzeit des Figaro' gehört ebenso wie Guglielmo aus 'Così fan tutte' zu Rollen, die er erfolgreich auf die Bühne brachte.
Klarheit und Natürlichkeit
Schuen hat einen klaren, natürlichen und ungekünstelten, sehr lyrischen, dabei aber eher tiefen und vom Timbre her ganz natürlich dunklen Bariton. Mit diesem interpretiert er auf der vorliegenden Aufnahme Lieder von Franz Schubert rund um den Begriff des Wanderns. Drei Themenfelder beschreiben Schuen und sein Begleiter Daniel Heide im Booklet, das leider auf einen Abdruck der Liedtexte verzichtet (die man aber auf der Webseite https://avi-music.de/html/lyrics/8553373.html lesen kann): das ‚romantische‘ Wandern (wie im Lied 'Der Wanderer' D 649 nach einem Gedicht von Friedrich von Schlegel), der Weg zur Geliebten (wie in 'Willkommen und Abschied') und die Reise ins Jenseits (wie in 'Totengräbers Heimweh'). Fünfzehn Lieder haben Schuen und Heide so gemeinsam eingespielt, und was sie sofort für sich einnehmen lässt, ist die große Natürlichkeit und Klarheit, mit der sie die Lieder interpretieren.
Im Vordergrund steht bei Schuen eigentlich das Gedicht, nur wird es eben nicht vorgetragen, sondern vorgesungen. Es verwundert insofern auch nicht, dass Schuen sich im Booklet vehement gegen die Auffassung richtet, Schubert habe leider nur zweit- oder drittklassige Lyrik vertont. Der Text steht im Mittelpunkt, die Melodie und Deutung richtet sich nach der Aussage des Gedichtes. Heides Begleitung unterstützt diese Deutung, indem er sehr lautmalerisch und bildhaft die Gesänge unterstützt. Beide spüren den Nuancen des Textes und der Melodie nach – und herausgekommen ist eine wunderbare Einheit von Gedicht, Gesang und Begleitung. Alles ist sehr ausdrucksstark, aber nie übertrieben expressiv oder gar ironisch-distanziert. Eine wirklich große Bereicherung in jeder CD-Sammlung.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Schubert, Franz: Wanderer-Lieder: André Schuen, Daniel Heide |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
CAvi-music 1 15.06.2018 67:03 2016 |
Medium:
EAN: BestellNr.: Booklet |
CD
4260085533732 8553373 |
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Schubert, Franz |
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"WANDERER Andrè Schuen: Wir sind diesmal vom Begriff des Wanderns ausgegangen, beziehungsweise von einer Reise, einem Weg, und haben dann alle möglichen Varianten davon gesucht. Die drei großen Schwerpunkte, die sich dabei ergeben haben, sind zum einen das romantische Wandern an sich, das bei Schubert ja eine sehr wichtige Rolle spielt, z.B. Der Wanderer (Schlegel), zum zweiten der Weg zur Geliebten wie z.B. in Auf der Bruck oder Willkommen und Abschied, und drittens dann noch die Reise ins Jenseits, in den Tod wie in Totengräbers Heimweh oder Im Abendrot. Durch diese drei Schwerpunkte spiegelt sich meiner Meinung nach eine gewisse Zwiespältigkeit im Programm, die bei Schubert allgegenwärtig ist. Daniel Heide: Die Frage nach den oft langsamen Liedern und den traurigen, sehnsuchtsvollen Inhalten ist letztlich eine der Kernfragen innerhalb des romantischen Kunstliedes: Warum immer so getragen? So traurig? So sehnsuchtsvoll. Wo ist die Heiterkeit? Wo bleibt das Lebensbejahende? ... Wenn man sich die Gesamtheit der Lieder von Schumann, Brahms, Wolf, Mahler, Strauss, Debussy und eben auch Schubert ansieht, stellt man schnell fest, dass der größte Teil langsame, kontemplative, betrachtende Stücke sind. Virtuosität ist dem Lied eigentlich fremd, zumindest die Virtuosität von schnellen Koloraturen oder rauschenden Passagen im Klavier. Das Lied hat den Text, und das eröffnet eine ganz andere (auch musikalische) Welt. Ein großes Gedicht, Verse mit einer starken Botschaft bekommen bei Schubert oft eine wunderbar sinnliche musikalische Einrahmung, in der Sie wirken können. Das Wandern oder besser noch: das Wandeln in der Natur gehört ja untrennbar zur Natur des Poeten, des einsamen sehnsuchtsvollen Dichters. Naturbetrachtungen, das Lauschen nach der Stille, das Beschreiben innerer Seelenzustände. Wandern könnte ja auch Bewegung bedeuten, aber eigentlich ist das in Schuberts Liedern eher die Bewegung innerhalb der eigenen Lebenszeit. Momentaufnahmen, Zweifel, Ängste. Da ist immer auch sehr viel Ehrlichkeit beim Beschreiben der inneren Seelenverfassung dabei. Die schnellen, treibenden Lieder sind für uns natürlich eine willkommene Abwechslung für das Programm, aber Stücke wie Willkommen und Abschied, Auf der Bruck oder Der Musensohn stehen in Schuberts Liedschaffen einer großen Menge an getrageneren Liedern gegenüber. WANDERER Andrè Schuen: This time, as a point of departure, we chose the idea of wandering, of a journey, a path, and tried to come up with all possible variants. Three major themes emerged. On the one hand, we have Romantic wandering per se, which plays an important role in Schubert (as in Der Wanderer on a poem by Schlegel). Secondly, the path to the beloved as in Auf der Bruck as well as in Willkommen und Abschied. The third theme is the journey to the afterlife or to death, as in Totengräbers Heimweh and Im Abendrot. In my view, these three principle themes imbue our programme with a kind of ambivalence, reflecting a general ambivalence that is omnipresent in Schubert. Daniel Heide: The overwhelming quantity of songs that are often slow and address themes of sadness and yearning is actually one of the core issues in Romantic Lied repertoire indeed, why do they have to be so plodding, so sorrowful, so full of longing? Where is the cheerfulness? Is there any life-affirming element to be found? If you take stock of all the lieder composed by Schumann, Brahms, Wolf, Mahler, Strauss, Debussy, and, of course, Schubert, you will note that the majority are slow, meditative, contemplative. Virtuosity is not an essential part of the equation in the lied genre, at least not in the sense of rapid vocal coloraturas or thundering piano passages. The song automatically comes with a text included, and this opens up another world entirely. This has musical implications as well. In Schuberts case, a great poem whose verses convey a striking message is provided with a magnificently sensual musical frame that allows the text to exude a powerful influence on the listener. Wandering, or, better yet, strolling through nature is part of the very essence of the Romantic poet, with all his loneliness and longing. He contemplates nature, he listens to the silence, he describes inner emotional states. Wandering could also imply a sort of movement, but in Schuberts lieder we are actually dealing with an individual subject who is moving, wandering through the time allotted to him on this earth. We are confronted with a series of snapshots, doubts, and fears. Whenever Schubert depicts the inner emotional state of the soul, he is always honest and truthful. Of course, the rapid, energetic songs provide a welcome contrast in our programme; still, we should not forget that lieder such as Willkommen und Abschied, Auf der Bruck and Der Musensohn are outnumbered in Schuberts output by many slower songs. " |
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