
Brahms, Johannes - Symphonies Nos. 1 & 3
Kempes dirigentisches Testament
Label/Verlag: Arts music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Jahrelang rang Johannes Brahms mit der symphonischen Form, um dann in einer Zeitspanne von vierzehn Jahren – von 1873 bis 1887 – die Früchte dieses langen Kampfes zu säen und zu ernten. Es entstanden die Haydn-Variationen, das Klavierkonzert B-Dur, das Violinkonzert, die Akademische Festouvertüre und die vier Symphonien, deren Rezeption Legion ist. Letztere erfuhren zahllose Einspielungen unter prominenter Stabführung. Nur wenige dieser mannigfaltigen Aufnahmen aber können sich mit jenen messen, die der leberkranke Rudolf Kempe im Laufe seines letzten Lebensjahres 1975/76 mit den Münchner Philharmonikern einspielte. Sie sind gewissermaßen das musikalisch-musikantische Testament eines Dirigenten, der stets darum bestrebt war, sich im und durch das Musizieren zu äußern. Er stellte sein Dirigententum in den Dienst der Musik, und es war immer wieder die Symphonik Johannes Brahms´, deren Kempsche Interpretation höchste Anerkennung fand.
Mit Brahms´ Erstling und Dritter gelingt ihm tatsächlich, was Alfred Einstein einst thesenhaft über die Symphonik von Johannes Brahms sagte; er fasst die Symphonien nämlich als gesteigerte Kammermusik auf und multipliziert die Subtilität eines Streichquartettsatzes mit den Farben des großen Orchesters. Kempe paart großsymphonische Klangsteigerungen mit sezierten Partikeln transparent formulierter motivischer und kontrapunktischer Arbeit. Dynamik und Phrasierung erfolgen stets aus einer logisch durchdachten Konsequenz heraus. Dies schafft Verbindlichkeit für die Form und den symphonischen Grundgedanken. Die Expressivität der Interpretation meidet blockhafte Episodenbildung und ergeht sich nicht in Einzeldarstellungen motivisch-thematischer Momente.
Die Münchner Philharmoniker folgen ‚ihrem’ Dirigenten mit partiturgetreuer Agogik und dramatisch-ausdrucksstarkem Spiel. Es ist nicht das immanente Bewusstein des musikalischen Testaments, das einem beim Hören dieser Aufnahmen die Gänsehaut über den Rücken laufen lässt, sondern die unabänderliche Beharrlichkeit auf dem großen Bogen der symphonischen Form und die detaillierte Auslotung und das Hörbarmachen dessen, was in der Partitur steht. Kein abgeklärtes Rückschauhalten oder todesahnend Visionäres begegnet hier dem Hörer, sondern die Ausübung des Dienstes an der Musik in seiner reinsten und nobelsten Form.
Das Klangbild ist, trotz der nahezu 30 Jahre alten Aufnahmen, erstaunlich präsent und bietet ein dynamisch breites Spektrum. Höhen und Tiefen können zwar nicht mit der Balance heutiger Tage konkurrieren, doch auch sie sind zufriedenstellend abgemischt worden.
Man muss den Booklettext zweimal lesen, weil man sonst dessen überaus hohe Qualität leicht übergeht. Nur ein Wort: hervorragend.
Hier sind wichtige Tondokumente zugänglich gemacht worden, die sich niemand, der ernsthaft an Brahms´ Musik interessiert ist, entgehen lassen sollte. Hochgradig empfehlenswert!
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Brahms, Johannes: Symphonies Nos. 1 & 3 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
Arts music 1 26.01.2005 1:15:38 1976 2002 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
0600554301327 4 3013-2 |
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Brahms, Johannes |
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