
Gernsheim, Friedrich: Cellosonaten Nr.1-3 - Alexander Hülshoff, Oliver Triendl
Spaltung statt Verschmelzung
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Cellosonaten Friedrich Gernsheims erfahren eine interpretatorisch mehr als solide Darbietung. Leider beeinträchtigt die stark räumliche Aufnahmetechnik die erforderliche Verbindung der beiden Kammermusikpartner.
Mit den Cellosonaten setzt das Label cpo seine Erkundung des Schaffens Friedrich Gernsheims fort – jenes Brahms-Freundes, der auch immer wieder Brahms-Echos in seinen Werken verarbeitet hat. So gleich in dem Kopfsatz der dritten Cellosonate e-Moll op. 87 aus dem Jahr 1914. Der Tonfall ist weit von anderen Kompositionen jener Zeit entfernt (auch Regers Cellosonate op. 116 gehört einer anderen Welt an) – vielmehr scheint Gernsheim der durch neue ‚Moden‘ verlorengegangenen Zeit nachzutrauern. Leider überzeugt das vom reinen Informationsgehalt insgesamt akzeptable Booklet nicht wirklich mit Blick auf die Verortung von Gernsheims Musik in der Musikwelt seiner Zeit. Wie die beiden früheren Sonaten ist auch op. 87 dreisätzig, der zentrale langsame Satz wird, wo Oliver Triendl dezente Expression aufbietet, von Alexander Hülshoff mit gewisser Überemphase befrachtet, so dass die klaren Cellolinien durch ein geringes Zuviel an Vibrato verunklart werden. Das ist schade, verfügt Hülshoff doch über einen schönen, nicht zu schweren Ton, der allerdings im Vergleich zum Klavier gelegentlich etwas ins Hintertreffen zu geraten scheint. Überhaupt kommt es immer wieder nicht zu einem wirklichen Miteinander der beiden hochkarätigen Musiker – bedingt scheint dies durch eine klar definierte räumliche Aufnahmetechnik, die einer Klangverschmelzung der beiden Interpreten entgegensteht.
1906 hatte Gernsheim seine zweite Cellosonate op. 79, ebenfalls in e-Moll, vollendet – und sie scheint in manchen Momenten fast weniger retrospektiv als die spätere Sonate zu sein. Hier hat man gelegentlich das Gefühl, dass der Klaviersatz nicht immer ganz optimal ‚in den Fingern‘ liegt. Für Triendl sicher keine technische Schwierigkeit, aber insgesamt eine interpretatorische. In der ersten Sonate op. 12 in d-Moll aus dem Jahr 1868 kommt Hülshoffs Ton vielleicht am schönsten zur Geltung, auch scheint das Zusammenspiel der beiden Musiker am geglücktesten (auch wenn an manchen Stellen Hülshoffs Timing bewusst überspitzt zu sein scheint). Der Mittelsatz versprüht elegante Leichtigkeit, die Ecksätze sind angemessen forsch und wo erforderlich überbordend virtuos. Ergänzt wird das Programm durch das Andante D-Dur op. 64bis (eine 1898 veröffentlichte Bearbeitung des Mittelsatzes der Violinsonate F-Dur op. 64) und durch 'Elohenu', einen hebräischen Gesang, entstanden 1881 als unmittelbare Reaktion auf Max Bruchs 'Kol Nidrei'. Vom expressiven Gehalt kann es 'Elohenu' mit 'Kol Nidrei' aufnehmen und wäre eine gute Konzertzugabe – doch bedarf das Stück wie Bruchs Gegenstück doch eher das orchestrale Klanggewand, um seine volle Wirkung zu entfalten.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Gernsheim, Friedrich: Cellosonaten Nr.1-3: Alexander Hülshoff, Oliver Triendl |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 25.04.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
761203505425 |
![]() Cover vergössern |
Gernsheim, Friedrich |
![]() Cover vergössern |
|
![]() Cover vergössern |
cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei... |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag cpo:
-
Lohnende Neuauflage: Hochwertige Liszt-Aufnahmen von Michael Korstick, gesammelt in einer neuen Edition. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
"Mannheimer goût" mit enormem Eigenwert: David Castro-Balbi und das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter Kevin Griffiths überzeugen auf ganzer Linie mit Werken von Johann Stamitz. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Frühbarocke Orgelmusik – at its best: Das Label cpo komplettiert Johann Pachelbels sämtliche Orgelwerke Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Lohnende Neuauflage: Hochwertige Liszt-Aufnahmen von Michael Korstick, gesammelt in einer neuen Edition. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Komplexe Kunst: Verlässlich bringt das Orlando Consort wie hier mit Machaut ferne Musik ans Ohr der Gegenwart und lässt sie ebenso regelmäßig auf erstaunliche Weise bei aller Komplexität frisch, relevant und dringlich klingen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
"Mannheimer goût" mit enormem Eigenwert: David Castro-Balbi und das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter Kevin Griffiths überzeugen auf ganzer Linie mit Werken von Johann Stamitz. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Portrait

"Casals kämpfte für den Frieden."
Roger Morelló über seine neue CD, die dem katalanischen Cellisten Pau Casals gewidmet ist.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich