
Galilei, Michelangelo - Il Primo Libro d'Intavolatura di Liuto
Der jüngere Galilei
Label/Verlag: OehmsClassics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Axel Wolf, Kammermusiker, Begleiter und Ensemblepartner von Rang, beweist mit Michelangelo Galileis Musik, dass er auch solistisch glänzen kann.
Die Galileis waren eine vielseitig begabte Familie: Die musische Begabung, in Theorie und Praxis ausgeprägt, kam von Vater Vincenzo. Und der berühmte Sohn Galileo reüssierte als einer der größten Gelehrten der Neuzeit auf vielen Feldern. Dessen jüngerer Bruder Michelangelo (1575-1631) schließlich wurde Lautenist und war als solcher lange Jahre erfolgreich am Münchner Hof beschäftigt. Er hat selbstverständlich Kompositionen hinterlassen. Und man könnte angesichts des theorielastigen Vaters und des naturwissenschaftlich geprägten Bruders argwöhnen, hier erklänge Musik, die noch deutlich der früheren Zuordnung dieser Kunst zu den mathematischen Wissenschaften nachfolgte und damit so etwas wie Klang gewordene Naturwissenschaft sei. Doch weit gefehlt: Michelangelo Galilei schrieb moderne, monodisch inspirierte Sätze von feinem Klangsinn und expressiven Qualitäten. Manch lichte Toccata wirkt rhapsodisch frei, andere Sätze muten tänzerisch an. Man kann hier durchaus latent lineare Oberflächen hören; darunter entfaltet sich freilich eine hochkomplexe kontrapunktische Struktur. Galilei stößt mit seinen tonartlich zu lockeren Kontexten zusammengefügten Stücken die Tür zur Suite barocker Prägung auf. Der Druck dieses 'Primo libro d‘Intavolatura di liuto' kostete Galilei 1620 eine Menge Geld, wofür ihn sein älterer Bruder tadelte. Doch wollte der Komponist der Nachwelt ein Zeugnis seiner Kunst hinterlassen. Das ist gelungen: Immerhin zwei Exemplare des Drucks sind bis heute überliefert, eins in Krakau, eins in London. Sie helfen, Michelangelo Galileis Rang als kreativer Musiker zu dokumentieren. Seine Kosten und Mühen haben sich also gelohnt.
Subtile Kunst
Das zu unterstreichen, dafür sorgt der Lautenist Axel Wolf mit seiner aktuellen Platte (OehmsClassics), die ganz dieser Sammlung gewidmet ist. Wolf ist schon oft in interessanten Konstellationen hervorgetreten: Als sensibler Begleiter zuletzt mit dem Altus Benno Schachtner, dazu im Phoenix Ensemble Munich von Joel Frederiksen, als Kammermusiker zum Beispiel mit Platti-Sonaten gemeinsam mit dem Cellisten Sebastian Hess. Dazu in einem unorthodoxen Duo mit dem Saxofonisten Hugo Siegmeth. Und auch solistisch, etwa mit Bach oder Hasse. Wolfs Spiel ist agil und behände; er gewinnt den Sätzen deutlich profilierte Charaktere ab, bringt sie in Bewegung, lässt sie tanzen und singen – eine schöne, in der Klangformung noble Präsentation, die alle Qualitäten des Instrument einbringt, von der Perkussivität bis zur frei tragenden Konsonanz. Die erklingende Laute – im Booklet leider nicht näher porträtiert, was für ein instrumentales Soloprogramm einer Platte im historisch informierten Umfeld eigentlich indiskutabel ist – bietet ein schönes Gesamtpaket: Sie ist ausgesprochen sonor, ausgeglichen in allen Registern; sie ermöglicht plastische Klanggesten in vollgriffigem Spiel und bietet solide Grundlagen für diskrete Beweglichkeit.
Das Booklet informiert detailliert und quellennah auf hohem Niveau – ist den raren Dokumenten gelegentlich aber allzu ergeben und hätte Kontexte stärker in den Blick nehmen können: Wo steht Galilei im kompositorischen Netzwerk seiner Zeit? Wie war die Rezeption seines Werks? Hatte es Wirkungen? Wenn ja: welche? Fragen, deren Beantwortung sich einem nicht einschlägig wissenschaftlich vorgebildeten Publikum nicht ohne Weiteres erschließt. Das Klangbild ist kammermusikalisch konzentriert, wirkt angenehm intim, beteiligt den Raum aber angemessen und mit nobler Note. Axel Wolf ist schon vielfach als vermögender Kammermusiker, als Begleiter und Ensemblepartner von Rang hervorgetreten. Hier unterstreicht er erneut, dass er auch solistisch glänzen kann. Galilei bietet ihm eine schöne Möglichkeit, sein reiches Können zu entfalten
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Galilei, Michelangelo: Il Primo Libro d'Intavolatura di Liuto |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
OehmsClassics 1 25.03.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
4260330918772 |
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OehmsClassics Ein erfülltes Leben ist ohne Musik kaum denkbar. Musik spiegelt unsere Wahrnehmung der Umwelt und die Realität heutiger wie vergangener Zeiten. Gute Musik ist immer neu, immer frisch, immer wieder entdeckenswert. Deshalb bin ich überzeugt: Es gibt nicht -die- eine, definitive, beste Interpretation der großen Werke der Musikgeschichte. Und genau das macht klassische Musik so spannend: Jede Musikergenerationen experimentiert, entdeckt neue Blickwinkel, setzt unterschiedliche Schwerpunkte - derselbe Notentext wird immer wieder von anderen Strömungen belebt. Deshalb ist ein Musikstück, egal aus welchem Jahrhundert, auch immer Neue Musik. OehmsClassics hat es sich zur Aufgabe gemacht, am Entdecken der neuen Seiten der klassischen Musik mitzuwirken. Unser Respekt vor den künstlerischen Leistungen der legendären Interpreten ist gewiss. Unser Ziel als junges CD-Label sehen wir jedoch darin, den interpretatorischen Stil der Gegenwart zu dokumentieren. Junge Künstler am Anfang einer internationalen Karriere und etablierte Künstler, die neue Blickwinkel in die Interpretationsgeschichte einbringen - sie unterstützen wir ganz besonders und geben ihnen ein Forum, um auf dem Tonträgermarkt präsent zu sein. Sie, liebe Musikhörer, bekommen damit die Gelegenheit, heute die Musikaufführung zu Hause nachzuvollziehen, die Sie gestern erst im Konzertsaal oder Opernhaus gehört haben. Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns die neuen Seiten der klassischen Musik zu erleben!
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