
David, Johann Nepomuk - Sinfonien Nr. 2 & 4
Voller Hingabe
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Johann Nepomuk Davis Sinfonik erweist sich als eigenständig und kompromisslos. In Johannes Wildner und dem ORF Radio-Symphonieorchester haben die Werke berufene Interpreten gefunden.
Voller Hingabe, so kann man die Bemühungen aller Beteiligten in Bezug auf die Sinfonik Johann Nepomuk Davids (1895–1977) zusammenfassen, jenes wichtigen Österreichers, den man vielleicht als eine Art Gegenbild zu Paul Hindemith bezeichnen kann. Die vorliegende CD, die zweite Folge einer Gesamteinspielung mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Johannes Wildner, bietet einen bedeutenden Koloss - die Zweite Sinfonie op. 20 aus den Jahren 1937/8 bezeichnete der Komponist selbst seinen Verlegern gegenüber als ‚schweißtreibend‘. Davids harmonisch klare, auf unnötige Füllstimmen verzichtende Klangsprache ist verbunden mit prägnanter Motivik und Motivverarbeitung, metrisch nicht immer einfach, nicht an eine Tonalität gebunden, häufig von großer Expression. Das Wiener Orchester arbeitet die Besonderheiten der Musik auf das Schönste heraus – auch die Reverenzen an Musik anderer Zeitgenossen, ohne dass David zum Epigonen würde. Ob im überbordenden Scherzo eher Bruckner oder eher Antheil Pate stehen, könnte diskutiert werden – vielmehr ist es wohl vor allem Davids eigene sinfonische Stimme, die wir hier vernehmen. Die Kraft und Energie der Sinfonie wird in der vorliegenden Interpretation ebenso herausgearbeitet wie lyrische oder ironische Elemente. Im Finale steigert David die Passacaglia-Struktur durch Einführung der berühmten Weise 'L‘homme armé' aus dem 15. Jahrhundert. Ob er damit unterschwellig Kritik an nationalsozialistischer Politik äußern wollte, wäre vielleicht zu vermessen zu behaupten; dass er sich am Leipziger Konservatorium durch eine Aufführung von Stravinskys 'Psalmensinfonie' 1938 den Unmut der Machthaber zugezogen hatte, ist jedoch verbürgt.
Während des Weltkrieges entstand 1942/3 die erste Fassung einer weiteren Sinfonie (‚ein bißchen verrückt [...], aber mir sehr angenehm‘), 1944 eine zweite Fassung, nachdem die erste Fassung beim Luftangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 verbrannt war. Im Sommer 1948 entstand dann die Dritte und endgültige Fassung der Sinfonie Nr. 4 op. 39. Davids Tätigkeit am Leipziger Konservatorium (seit 1941 Staatliche Hochschule für Musik) während des Dritten Reiches und seine ungebrochene Lehrtätigkeit nach dem Krieg am Salzburger Mozarteum führten zu Anfeindungen seiner Person, und das Verdikt gegen den Hochschuldozenten und -leiters David beeinträchtigte auch den Ruf seiner Kompositionen. Die Vierte Sinfonie zeigt Verwandtschaft zu Bruckner und Mahler und bleibt doch ganz eigen, gerade in den kontrapunktischen Verästelungen. Die Poesie dieser Momente ist ebenso essenzieller Teil der Komposition wie die kluge formale Disposition – der (etwas zu ausführliche) Booklettext beschreibt die Sinfonie als dreisätziges Werk mit einem kurzen Einleitungssatz (der mit knapp fünf Minuten gar nicht so kurz ist); die Bedeutung kontrapunktischer Prozesse ist jederzeit evident und führt zu einer musikalisch ausgesprochen dichten, konzentrierten Komposition, die aber – auch dank den Wiener Musikern und Johannes Wildner – nie akademisch gerät. Ein überzeugendes Plädoyer für überzeugende Werke.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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David, Johann Nepomuk: Sinfonien Nr. 2 & 4 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 22.02.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
761203757725 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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