
Huppertz, Gottfried - Metropolis (Gesamtaufnahme)
Profiliertes Klanggemälde
Label/Verlag: Pan Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Unter Leitung von Frank Strobel spielt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin die vollständige Musik zu Fritz Langs Film 'Metropolis'.
Über die Rekonstruktion von Fritz Langs Filmklassiker 'Metropolis' (1927) anhand einer in Buenos Aires aufgefundenen 16 mm-Kopie ist bereits viel geschrieben worden; die Uraufführung des fast vollständigen wiederhergestellten Films mitsamt der neu editierten Originalpartitur von Komponist Gottfried Huppertz wurde 2010 live vom TV-Sender arte übertragen und entsprechend spektakulär als Großereignis inszeniert. Eher überraschend war allerdings, dass die 2011 bei Capriccio erschienene Einspielung der 'Metropolis'-Musik durch das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Leitung von Frank Strobel lediglich eine Fassung von 77 Minuten Spieldauer enthielt, also mitnichten die vollständige Version präsentierte. Dies ist im Rückblick umso erstaunlicher, als die Partitur 2010 vollständig eingespielte wurde: Denn die Aufnahmedaten der nun auf zwei CDs bei Pan Classics erschienenen Gesamtpartitur sind mit jenen der Capriccio-CD identisch, belegen also, dass man die Musik für die ältere Veröffentlichung nachträglich zusammengeschnitten hatte.
Gegenüber der Kurzversion weist die neue Edition einen deutlichen Mehrwert auf, da Huppertz’ Musik gerade dort ihre volle Kraft entfaltet, wo sie sich ungehindert ausbreiten kann. Bereits der Beginn mit der strahlenden Pracht des 'Metropolis Themas' macht deutlich, dass Strobel und das Orchester keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um die Wirkung der glanzvoll instrumentierten Musik angemessen zu inszenieren. Dies gilt für emphatische Momente ebenso wie für ausdrucksvollere Passagen, die der Dirigent minutiös auf ihre Möglichkeiten hin abtastet. Dementsprechend zeigen der Abschnitt 'Maria mit den Kindern' im ersten Teil oder die Sequenz zu Marias Predigt in den Katakomben eine besonders feine Klangentfaltung, ein Ineinander fragiler Melodiebögen oder ein zart über Begleitakkorden liegender instrumentaler Gesang, der sich selbstvergessen emporschwingt.
Zugleich setzt Strobel aber auch auf eine möglichst kontrastreiche Präsentation von Einzelabschnitten der monumentalen Partitur, wodurch die Aufeinanderfolge der Szenen erst ihr eigentliches Profil als eine Art ‚Klanggemälde‘ gewinnt. Exemplarisch hierfür sind einerseits die charakteristischen Rhythmusverläufe in 'Maschinen' oder die von archaisch wirkenden Klangschichtungen durchzogene Passage zur 'Maschinenhalle mit Moloch', andererseits aber auch die verspielten, immer wieder wahrnehmbaren Walzerklänge sowie die an zeitgenössische Tanz- und Unterhaltungsmusik angelehnten Passagen zu den Filmsequenzen im Yoshiwara-Viertel. Die besondere Wirkung der langen Version kann man zudem am zweiten Teil ('Zwischenspiel') ablesen, der diesmal in seiner vollen Breite erklingt und damit ein den Strategien von Langs dramaturgischer Verdichtung auf visueller Ebene ebenbürtiges Verfahren auf musikalischer Ebene erfahrbar macht: Das Mit- und Gegeneinander von 'Dies irae'-Thematik und einzelnen Leitmotiven der Filmmusik zeigt den Komponisten hier auf dem Höhepunkt seines Könnens und macht deutlich, wie geschickt Huppertz sein Motivnetz unter Ausnutzung von Ähnlichkeitsbeziehungen ausbreitet, um den musikalischen Knoten zu schürzen.
In bewährter Qualität präsentiert sich auch das Booklet, das nicht nur eine ganze Reihe von Filmstills enthält, sondern in einem ausführlichen Text auch über die neue, 144-minütige Musikfassung und deren Entstehung informiert sowie deren Stellenwert für die Rekonstruktion des filmischen Originals beleuchtet. Mit ihrer Ausstattung knüpft die Edition demnach an die vorangegangenen beiden exzellenten Veröffentlichungen mit Huppertz’ Musik zu Fritz Langs 'Die Nibelungen' (1922–24) und zu Arthur von Gerlachs Theodor-Storm-Verfilmung 'Zur Chronik von Grieshuus' (1924) an. Wie dort überzeugt Strobels Wiedergabe der Partitur auch in diesem Fall durch einen überlegten Zugang, der einerseits den dramatischen Facetten der Musik nachspürt und viel Wert auf die Darstellung übergeordneter Zusammenhänge motivischer oder harmonischer Art legt, andererseits aber auch die Musik atmen lässt, um die vielen atmosphärischen Momente ganz aus dem Klang heraus wirken zu lassen. Wer sich für grundlegende historische Entwicklungen der Filmmusik interessiert, kommt an dieser Veröffentlichung nicht vorbei.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Huppertz, Gottfried: Metropolis (Gesamtaufnahme) |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Pan Classics 2 08.01.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
7619990103658 |
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Pan Classics Gegründet 1992 vom Musikhaus Pan in Zürich, wurde das Label 1997 von den Tonmeistern Clement Spiess und Koichiro Hattori übernommen. 2011 entschloss man sich zu einem radikalen Neuanfang: Der umfangreiche Katalog wurde gelichtet und die verbliebenen Aufnahmen erhielten ein neues, attraktives Erscheinungsbild. Den CDs wird so ein unverwechselbares Äußeres mit einem hohen Wiedererkennungswert verliehen. Geblieben sind dagegen die Vorliebe für außergewöhnliches Repertoire und der Anspruch, mit renommierten Musikern und Ensembles einen künstlerisch hochwertigen Katalog zu schaffen. Zu diesen Künstlern zählen Namen wie die Hammerklavier-Spezialisten Edoardo Torbianelli und Arthur Schoonderwoerd, der Tenor Jan Kobow u.v.a. Mehr Info... |
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