
Odeh-Tamimi, Samir - Alif, Lámed und andere Werke
Plastische Klangwucht
Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine empfehlenswerte Porträt-CD des Labels Kairos widmet sich der Musik des Komponisten Samir Odeh-Tamimi.
Seine Musik sei ‚ein Aufruf an das Hören, eine Form der intensiven Kommunikation‘: Mit diesen im Kern treffenden Worten charakterisiert Claudia Pérez Iñesta in ihrem Booklettext das Schaffen von Samir Odeh-Tamimi (*1970). Das Label Kairos widmet dem palästinensisch-israelischen Komponisten eine packende, aufnahmetechnisch hervorragende Porträt-CD, die, von Mitgliedern des Zafraan Ensembles gestaltet, vor allem Solowerke und klein besetzte Kammermusik enthält. Ausnahme ist – als Gravitationszentrum der Produktion wirkend – das phänomenale Ensemblestück 'Alif' (2015), in dem die instrumentalen Farben einander in Schichten durchdringen und die Stimme von Salome Kammer als zusätzliches Element hinzutritt. Unter Leitung des Dirigenten Manuel Nawri läuft das Ensemble hier zur Höchstform auf: Die einzelnen Klangstränge wachsen plastisch aus dem Gesamtklang hervor, dabei vielfach durch unterschiedliche Graden von Rauheit und Schärfe sowie durch vielfältige rhythmische Impulse artikuliert und in einzelnen Momenten zu einer gleichsam körperlichen Klangwucht verdichtet.
Die hier wahrnehmbaren Facetten lassen sich auch in allen übrigen Kompositionen ausmachen, doch kommt darüber hinaus das monologische Element als bestimmendes Kennzeichen hinzu: In 'Lámed' für Klaviertrio und Tenorbassposaune (2014) und 'Li-Sabbrá' für Tenorbassposaune und Schlagzeug (2005/15) nimmt das Blechblasinstrument jeweils eine narrative Position ein und tritt mit teils heftigen gestischen Ausbrüchen und sprachnaher Diktion gegenüber den übrigen Mitwirkenden in den Vordergrund. Dieses Prinzip setzt Odeh-Tamimi in den drei Solowerken der CD verstärkt ein. So stecken 'Uffuk' für Violoncello solo (2010), 'Lámed II' für Baritonsaxophon (2014/15), das 'Solo für Violine' (2014/17) und 'Lámed III' für Bassklarinette (2014/17) voller überraschender Wendungen, da der Komponist das gelegentlich fast gewaltsame Hervorbrechen von Klängen immer wieder mit der Erkundung ausgesprochen zärtlicher und feiner Facetten verknüpft und dadurch die sprachnah gehandhabten solistischen Ausdrucksmöglichkeiten seiner Klangerzeuger nach unterschiedlichen Richtungen hin austastet. In 'Li-Umm-Kámel' (2004), einem Trio für Flöte, Klavier und Schlagzeug, konfrontiert Odeh-Tamimi die Position des musikalischen ‚Erzählers‘, den Einwürfen der Flöte anvertraut, mit einem archaischen Duktus, der sich den aus dem Klavier heraus gemeißelten Akkorden und den davon ausgehenden Schlagzeugkommentaren verdankt.
Das begleitende Booklet ist – für das Label Kairos ungewöhnlich – diesmal eher schwach und auf ein Minimum von Informationen beschränkt: Der oben erwähnte Text ist enttäuschend oberflächlich geraten und reiht in noch nicht einmal viereinhalb Druckspalten in erster Linie die musikjournalistischen Klischees aneinander, die spätestens seit Erscheinen von Odeh-Tamimis erster Porträt-CD bei Label Wergo (2011) das Reden über seine Musik bestimmen. Hier sollte man doch etwas mehr erwarten können, selbst wenn man bedenkt, dass der Text primär die Funktion hat, den potenziell Interessierten eine Einführung in das Schaffen des Komponisten zu geben. Und auf die Abbildung von Partiturseiten, sonst eine der Qualitäten des Labels, hat man diesmal bedauerlicherweise verzichtet, obgleich dies im Falle Odeh-Tamimis sehr aufschlussreich gewesen wäre.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Odeh-Tamimi, Samir: Alif, Lámed und andere Werke |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Kairos 1 26.01.2018 |
Medium:
EAN: |
CD
9120040731090 |
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