
Prokofjew und Strawinsky - Klaviertranskriptionen
Auf der Klaviatur tanzen
Label/Verlag: Atma classique
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Meisterhaft gelöst: Beschwingt und gar nicht kraftmeiernd legt Jalbert die halsbrecherischen Ballett-Bearbeitungen von Strawinsky und Prokofjew hin.
Es ist eine Kunst, Orchesterwerke sinnvoll auf das Klavier zu übertragen, ganz besonders, wenn es sich dabei um beliebte Orchestersuiten von Balletten handelt, die gerne und tief in die Effekte-Trickkiste greifen. Strawinsky und Prokofjew haben selbst Bearbeitungen ihrer Ballettmusiken erstellt, denen sich meist nur Interpreten mit dezidiert virtuosem Profil wie Denis Matsuev, Nikolai Tokarev oder Maurizio Pollini zuwenden. David Jalbert hat sich mit seinen ebenfalls bei Atma classique erschienenen Einspielungen von Bach, Poulenc, Satie und Schostakowitsch als vielseitiger Künstler erwiesen, von man dem mehr erwarten darf, als dass er das übliche virtuose Feuerwerk abbrennt.
Gerade für die berühmt-berüchtigten 'Trois Mouvements de Petrouchka' legt er einen Gegenentwurf vor - eigentlich versucht er geradezu die Quadratur des Kreises: Er bezwingt die enorm sperrige, spröde Partitur (bisweilen notiert auf vier Systemen!) durch Eleganz und Zartheit. Sein pedalreiches Spiel erlaubt sich keine derben Ausreißer, selbst die synkopischen Fortissimo-Akkorde gegen Ende des 'Danse russe' klingen rund und schön. Der trockene Staccato-Klang wird, bis auf wenige Ausnahmen, vermieden. Im dritten Satz, in den Jalbert seine eigene Bearbeitung des Bärentanzes einfügt, fühlt man sich durch die weich gezeichneten Linien an Debussy erinnert (ich denke an 'Feux d’artifice' aus den Preludes).
Was den 'Trois Mouvements' an trockenem Staccato-Klang abgeht, gleichen die folgenden beiden Werke aufs Schönste aus. Die drei letzten Stücke aus Strawinskys 'Feuervogel' bilden eine ähnliche kleine Suite wie zuvor die Auswahl aus 'Petrouchka'. Vielleicht um der möglichen Eintönigkeit entgegenzuwirken, nimmt Jalbert die Stücke aus dem 'Feuervogel' härter, schärfer, packender. Der 'Danse infernale de roi Kastchei' wird dadurch zu einem Höhepunkt der CD. Leider wird der komponierte, nahtlose Übergang zur 'Berceuse' durch den Trackwechsel beeinträchtigt. Aber das ist ja leider üblich, wie man es auch von entsprechenden attaca-Übergängen zwischen Sätzen von Beethovens Klaviersonaten kennt. Das Finale zeigt dann nochmal die Möglichkeiten des Klaviers im filigranen Flimmern über der Melodie und in der Klanggewalt des Schlusses. Besser ist das auf dem Klavier nicht wiederzugeben.
Die zehn Stücke aus 'Romeo und Julia' von Prokofjew sind zwar, oberflächlich betrachtet, weniger aufwändig in der pianistischen Umsetzung, aber deswegen musikalisch nicht weniger heikel. Jalbert erliegt nirgendwo der Versuchung, dick aufzutragen, mit dem großen Pinsel über alle Feinheiten hinwegzuwischen. Das fünfte Stück 'Les Masques' nimmt satztechnisch bereits 'Petrouchka'-artige Ausmaße an, aber Jalberts feinnerviges Spiel bewahrt auch hier seine tänzerische Beweglichkeit und Durchsichtigkeit. Manchmal bedauert man jedoch, dass Jalbert eher unverbindlich mit den dynamischen Vorgaben umgeht. Gerade Prokofjew notiert sehr genau und verdeutlicht damit innerhalb der musikalischen Abschnitte die dynamischen Binnenspannungen, so zum Beispiel das plötzliche Piano in Takt 4 des vierten Stückes ('Juliette, jeune fille'), das bei Jalbert leider unter den Tisch fällt. Solche Details trüben aber nicht den überaus positiven Gesamteindruck dieser gelungenen Einspielung.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Prokofjew und Strawinsky: Klaviertranskriptionen |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Atma classique 1 06.10.2017 |
Medium:
EAN: |
CD
722056268424 |
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Prokofieff, Sergej |
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Atma classique Das Label ATMA - Seele oder Lebensgeist auf Sanskrit - wurde 1995 gegründet und bietet inzwischen mehr als 200 Aufnahmen von mittelalterlicher bis zu zeitgenössischer Musik mit einem besonderen Schwerpunkt im Barock. Für ihre Aufnahmen umgibt sich Johanne Goyette, Direktorin und zugleich Toningenieurin der Firma, gerne mit wagemutigen Künstlern, um in ihrem Studio Unerhörtes (und Ungehörtes) zu schaffen.
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