
Scelsi, Giacinto - Werke für Violoncello solo
Makrokosmos
Label/Verlag: Brilliant classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Cellist Marco Simonacci, ein Spezialist für zeitgenössisches Repertoire, hat sich mit analytischem Durchblick und viel Wärme im Klang der Werke für Violincello von Giacinto Scelsi angenommen.
Auch fast zwanzig Jahre nach seinem Tod steht das Schaffen Giacinto Scelsis (1905–1988) im Vergleich zu dem zahlreicher Zeitgenossen immer noch eher im Schatten. Es ist eine Binsenweisheit, dass er damit nicht allein steht – doch hat er anders als etwa Isang Yun keinen stetig aktiven Kreis von Advokaten, die sich für dieses Schaffen einsetzen. Auf der vorliegenden CD erkundet der italienische Cellist Marco Simonacci, der vor allem in Rom und Siena studierte und der sich zeitgenössische Musik zur besonderen Aufgabe gemacht hat, zwei Kompositionen für Solocello, deren äußerst umfangreiches erstes 'Trilogia – I tre stadi dell‘uomo' aus den Jahren 1956–1965 besonders hohe Anforderungen stellt (dennoch liegen mittlerweile insgesamt mindestens vier Einspielungen des Werks vor). Vierteltöne, der Gebrauch spezieller Plektren und eines besonderen, die Harmonik (eine Art Bordunton im dritten Teil der 'Trilogia') eher unterstützenden ‚Dämpfers‘ und ein dem traditionellen Konzertwesen entgegenstehendes Zeitkonzept (die 'Trilogia' dauert fast 50 Minuten und erfordert im dritten Teil eine andere Saitenstimmung, die im Konzert zu einem Spannungsabfall führen würde, sofern der Interpret nicht zwei entsprechend vorbereitete Celli zur Hand hat) sind nur einige der eher äußerlichen Spezifika. Jeder der drei Teile ist im Grunde abermals dreigeteilt, doch was fünfzig Jahre zuvor zu drei separaten Suiten oder Sonaten geführt hätte, ergibt hier einen äußerst ausgewogenen, innerlich stark aufeinander bezogenen ‚Drei-Klang‘, bei dem Tiefendurchdringung und Bewusstsein für improvisatorische Elemente gleichzeitig von zentraler Bedeutung sind.
Der Booklettext (nur auf Englisch – selbst das italienische Original ist nicht abgedruckt) strebt an, Scelsis Schaffen – neben der 'Trilogia' die zweisätzigen 'Voyages' (1974) – analytisch in aller Tiefe zu erkunden, und auch wenn der ästhetische Hintergrund exzessive Darstellung erfährt, so bleibt doch die eigentliche Analyse der Musik denkbar dünn ('Voyages' erfährt im eigentlichen Booklettext nicht einmal eine Erwähnung – dabei scheint es dem Rezensenten, als handele es sich um eine Tonträgerpremiere). Ganz anders in der Interpretation. Da dem Rezensenten nicht die Noten der Werke nicht vorlagen, muss der Höreindruck für sich sprechen. Simonacci verliert sich nicht in ästhetischen Schwärmereien, sondern gestaltet formal äußerst überzeugend, entlockt den beiden von ihm verwendeten Celli (Instrumenten von Vittorio Filippi von 1994 und Claude Lebet aus dem Jahr 2000; der Dämpfer wurde von Enrico Riposati hergestellt) eine Vielzahl von Facetten, ohne dass Scelsi extensiven„Experimentalklang fordern würde, wie man ihn von manch anderen Komponisten kennt.
Unmittelbar an den Schluss der 'Trilogia' schließen sich die 'Voyages' an, eine zweisätzige Komposition in der Grundkonzeption langsamer Satz–schneller Satz (letzterer mit verstörenden Sekundfiguren, die eine zusätzliche Komponente einbringen), bei der der französische Titel des ersten Satzes 'Il allaint seul' den Hörer mehr irritiert als unterstützt (es müsste natürlich 'allait' heißen). Natürlich sind weder 'Trilogia' noch die 'Voyages' leicht fassliche, einfache Musik, doch ist sie voller Wärme, Sorgfalt, Energie und Hingabe dargeboten, dass der Hörer bei vorausgesetzter Offenheit der Materie gegenüber die Werke mit großem Gewinn hört.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Scelsi, Giacinto: Werke für Violoncello solo |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Brilliant classics 1 03.11.2017 |
Medium:
EAN: |
CD
5028421953557 |
![]() Cover vergössern |
Brilliant classics Brilliant Classics steht für hochwertige Klassik zu günstigen Preisen! Mit den Veröffentlichungen von komplettierten Gesamtwerks- Editionen und Zyklen berühmter Komponisten, hat sich das Label erfolgreich am Musikmarkt etabliert. Der Klassikmusikchef, Pieter van Winkel, ist Musikwissenschaftler und selbst Pianist. Mit seinem professionellen musikalischen Gespür für den Klassikmarkt, hat er in den letzten Jahren ein umfangreiches Klassikprogramm aufgebaut. Neben hochwertigen Lizenzprodukten fördert er mit Eigenproduktionen den musikalischen Nachwuchs und bietet renommierten Musikern eine ideale Plattform. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Brilliant classics:
-
Wie ein Krebs im Bach: Michele Benuzzi überzeugt mit Johann Ludwig Krebs' sämtlichen Cembalowerken. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Spiritistische Klaviermusik : Jeroen van Veen verblüfft mit sämtlichen Klavierwerken von George Gurdjieff und Thomas de Hartmann. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Vielfältiges vom Berliner Hof: Die Kammermusik eines Berliner Hofmusikers Friedrichs des Großen scheint stilistisch ungemein reich. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Jugendliche Größe in der Musik: Henry Raudales und das Münchner Rundfunkorchester brillieren mit Mendelssohns sämtlichen Streichersymphonien. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Auf der Suche nach einer verlorenen Zeit: Alexander Glasunows aparte Streichquartette liegen nun endlich in einer Gesamteinspielung vor. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Großes Violinkonzert – großartig interpretiert: Ewelina Nowicka und das Polish National Radio Symphony unter Zygmunt Rychert meistern (unbekannte) Violinwerke von Ludomir Różycki. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich