
Puccini, Giacomo - La Rondine
Schwermütiger Liebestraum
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Von 'La Rondine' gibt es alles andere als zu viele Aufnahmen, weshalb diese Neuerscheinung eine wirklich willkommene und gelungene Ergänzung darstellt.
Giacomo Puccinis Beinahe-Operette 'La Rondine' hat es noch immer nicht nachhaltig auf die Spielpläne geschafft. Komponiert auf ein melancholisches Wiener Operettenlibretto von Alfred Willner und Heinz Reichert, das ins Italienische übersetzt wurde, ist die unglückliche Liebesgeschichte zwischen der Mätresse Magda und dem jungen Ruggero zu einer waschechten Puccini-Oper avanciert, die seit ihrer Uraufführung 1917 in Monte-Carlo vor allem wegen einer eingängigen Sopran-Arie im Gedächtnis geblieben ist.
Dabei hat 'La Rondine' musikalisch soviel mehr zu bieten: hoch emotionale Duett-Szenen, elegante Walzer als Folie für den modernen Konversationston und neben knisternder Klangerotik auch ein mitreißendes Quartett mit Chor, das den beschworenen Liebestaumel unmissverständlich erfahrbar macht. Das beweist die Neuaufnahme von 'La Rondine' beim Label cpo mit dem Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Ivan Repusic. Der Dirigent hält eine feine Balance zwischen süffigem Puccini-Pathos und der notwendigen Leichtigkeit, mit der diese leise Tragödie ihren Lauf nimmt. Repusic treibt das musikalisch spannende Zwitter-Opus nicht deuterisch in eine bestimmte Richtung, sondern macht sich die Brüchigkeit der Partitur zunutze. Rauschhaft tänzerisch rast der zweite Akt am Hörer vorbei, nachdem der erste mit der Eleganz eines Pariser Salons mit seinem Parfümduft und beiläufiger Konversation großen Eindruck hinterlassen hat. Im Finalduett des dritten Akts lässt er zwar den opernhaften Tonfall zu, ohne ihn aber überzustrapazieren. So rührt diese 'Rondine' am Schluss eben nicht zu Tränen, sondern darf sein, was sie ist: ein funkelnder Liebestraum mit schwermütigem Verzichtschluss – aber das Leben geht weiter.
Bei diesem Mitschnitt vom Oktober 2015 im Münchner Prinzregententheater stehen dem verdienstvollen Klangkörper wunderbare Solisten zur Seite, die sich mit jugendlicher Energie und mit routinierter Erfahrung für Puccinis 'Rondine' mächtig ins Zeug werfen. Besonders hervorzuheben sind hier die quicklebendige Lisette von Evelin Novak und der prachtvoll gesungene Prunier von Álvaro Zambrano. Novaks Sopran hat die optimale Mischung aus soubrettiger Leichtigkeit und dennoch klangvollem, warm timbrierten Material. Und Álvaro Zambrano überrumpelt den Hörer geradezu mit seinem tenoralen Schmelz und seiner glutvollen Gestaltung. Dagegen hat es Yosep Kang als Ruggero deutlich schwerer, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, obwohl auch er mit einer ausnehmend schönen und kraftvollen Stimme beeindruckt. Furchtlos und mit jugendlicher Frische gibt er den aufrichtigen Geliebten, wobei Kangs Ausdrucksspektrum recht beschränkt ist. Neben strahlenden Spitzentönen und langem Atem gäbe es auch noch Möglichkeiten, Farben und Textgestaltung zu nutzen.
Die Magda ist mit Elena Mosuc prominent besetzt. Allein schon ihr Name verleitet zu Recht zum Kauf dieser Doppel-CD. Ihr belcantogeschulter Sopran kommt besonders gut in den leisen, zerbrechlichen Momenten der Partie zur Geltung. Da trifft Mosuc den sprichwörtlichen Herzenston und vermag es, mit einer Phrase, einem Diminuendo oder einem Höhenpiano zu verzaubern. Allerdings muss eine Interpretin der Magda auch über genügend Kraftreserven verfügen, um auch die kernigen, dramatischeren Passagen glaubhaft gestalten zu können. Hier kann Mosuc leider nicht gänzlich überzeugen – allerdings nicht, weil ihr Sopran nicht genügend Durchschlagskraft hätte, denn das hat er zweifellos, sondern weil sich unter Druck im Forte bei der Sopranistin ein unschönes, weil unkontrolliertes Vibrato einstellt, das ihren Gesang ältlich und nicht mehr wirklich taufrisch klingen lässt. Gerade das Schlussduett leidet unter diesem Umstand, während sie im Quartett des zweiten Aktes ihre Stimme fabelhaft unter Kontrolle hat. Auch das berühmte 'Chi il bel sogno di Doretta' gestaltet Elena Mosuc mit großer Innigkeit und verhaltener Schwärmerei. Hier steht ohne Frage eine große Künstlerin auf dem Podium, die das Schicksal der Protagonistin glaubhaft verkörpert. Mit Jan-Hendrik Rootering als stimmgewaltigem Rambaldo ist ein weiterer Star geboten. Und der Chor des Bayerischen Rundfunks erweist sich mit seinen hervorragenden Chorsolisten als ein in allen Belangen luxuriöses Kollektiv.
Von 'La Rondine' gibt es alles andere als zu viele Aufnahmen, weshalb diese Neuerscheinung eine wirklich willkommene und gelungene Ergänzung darstellt. Es scheint, dass nahezu jede Opern-Generation ihre 'Rondine' hat: Die Fünfziger hatten Ljuba Welitsch, dann kam Anna Moffo, später Kiri Te Kanawa und die letzte Studioaufnahme mit Angela Gheorghiu stammt aus den Neunzigern. Nun ist es also Elena Mosuc, die Puccinis nicht tödliche 'Traviata'-Variante im diskografischen Gedächtnis bleiben lässt. Es wurde auch Zeit.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Puccini, Giacomo: La Rondine |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: |
cpo 2 100:19 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
761203507528 cpo 555 075-2 |
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Puccini, Giacomo |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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